Die vergangenen Zukünfte

Regie, Buch, Kamera, Schnitt: Johannes Gierlinger
Produzent*innen: Johannes Gierlinger, Georg Tiller / Subobscura Films
Koproduktion: Subobscura Films

WAS VERBIRGT SICH HINTER DER MASKE ?

Anton Teuteberg & Jürgen Benjamin

Der Film ,,Die vergangenen Zukünfte‘‘ hinterläßt eindrücklich ein janusköpfiges Bild.  

Einerseits behandelt er mit justierter Dynamik und Impetus ein anspruchsvolles, der ,,physischen  Realität‘‘ (Kracauer) entlehntes Thema, die Märzrevolution. Es ist inhärent politisch, erheischt  potentielles, kritisches Potentat – der Maxime eines Essayfilms folgend. 

Generell steht der Film sehr im Duktus kritischer Theorie, denkensweise Walter Benjamin, der  bisweilen gar selbst im Film elaboriert wird. Zwischen Erwähnungen historischen-referenziellen  Treibgutes über beispielsweise den ,,Mann mit der Kamera‘‘ hin zu verspielten Reminiszenzen adornitischer Natur, wenn beispielsweise von der der Gegenwart den ,,Spiegeln vorhaltenden‘‘  (Filmzitat) Natur im voice over gesprochen wird, entpuppt sich der Film jedoch leider als formalistisch, 

und demnach des ihn anheimen Themas negativer, essayistischer Dialektik (man bedenke Hegels  geflügelte Rede der ,,bestimmten Negation‘‘) unangemessen. Denn er sieht sich als dezidiert  essayistisch, treibt es als seine (scharfgemachte) Speerspitze an vorderster Front und vergißt darüber  hinaus den zu füllenden, sich nicht in ,,schlechter Unendlichkeit‘‘ (Adorno) im Gap beziehungsweise interstice vergehend-ergehenden Fallraum subjektiver Erkenntnis. 

Diesbezüglich formal ist der Film astrein, krankt und laboriert jedoch an einer sich zu sehr auf Theorie  eingeschossener dialektisch-essayistischer Struktur, oszillierend zwischen dokumentarischer und  narrativer Guideline. Er ist zu stockend, als dass er das ,,Spannungsfeld‘‘ (Adorno) des Essays entfalten  könnte, es gebricht ihm an der ,,Muße des Kindlichen‘‘ (Adorno). Er wirkt wie sich die schwerfällig auf  die ihrigen stützenden erratischen, altklug-mahnungsvollen Blöcke Stonehenges. Es scheint bisweilen,  als würde er sich apologetisch der Kunst bedienen, um Stocken und unliebenswerte Statik der Form zu  kaschieren (vgl. hierzu Adorno, ,,apologetische Anleihe bei der Kunst‘‘). Offenbar wird diese an einer  misslich elaborierten, zu langen Einstellung das Archiv betreffend.  

Die Varianz der Kameraführung ist eine lieblose Spielerei, die bedeutungsschwere, der Thematik der  Märzrevolution sich anheischig machende Erwartungshaltung, die qua statisch-antonymischer  Struktur des Essayfilms dergestalt perpetuiert wird, fällt sich selber an. 

Es erscheint fast zwanghaft, wie der Film das Wechselspiel (vergleiche beispielsweise Adorno und  dessen Attest eingeschrieben dem Essay als ,,Kraftfeld‘‘) zwischen Szientifik und Künstlerischem,  vorantreibt , und darüber hinaus dessen inhärent-politischen exstirpierenden Gestus unterläuft. 

Summa summarum exstirpiert er nicht, er vergeht sich mit lancierter Kulturindustrieller  ,Verschwörung‘ beziehungsweise ,Verschworenheit‘ in leider banalem weil biederem Aufguss,  wenngleich thematisch (als offenkundig (und des als ,,sein eigenes Apriori hervorkehrend‘‘ (Adorno))  inhärent politisch) einwandfrei und astrein. 

Er ist zu abgeschlossen, endet nicht in unabgeschlossenen Ausläufern, lässt gap und interstice missen  und verliert sich, beziehungsweise verführt nicht, sich in der ,,schlechten Unendlichkeit‘‘ (Adorno) der  Erkenntnis zu ermächtigen. 

Es ist an ihm eine Vorrangstellung der Form vor dem Inhalt anzukreiden, was seinem essayistischen  aim diametral entgegengesetzt ist. An diesem unhaltbaren Widerspruch zerbricht er. 

Es lässt sich mit einem Filmzitat auf den Punkt bringen, ,,als würde das Skelett von alleine stehen‘‘.  Blutleer gerinnt der Inhalt stockend in einem Formalismus ertrunken, wohingegen inhaltlich, versteifte  man sich nicht nur begrifflich hierauf, ein exstirpierendes Verlangen schlagend wird.