von Moritz Ruben Haug
Nichts mit Kino. Eingesperrt wie die Kanarienvögel müssen die virtuellen Besucher der Diagonale ‘20 die diesjährigen Filme in den eigenen vier Wänden betrachten. Auch Sebastian Brauneis’ drittes und bisweilen größtes Filmprojekt 3Freunde2Feinde (2020) war für die Filmauswahl der Diagonale ‘20 vorgesehen und muss nun, aufgrund des pandemiebedingten Lockdown, im virtuellen Raum des Festivals wahrgenommen werden. Die Handlung der romantisch verspielten Screwball Komödie, in der die drei Protagonist_innen Johanna (Marlene Hauser), Franzi (Christoph Kohlbacher) und Emil (Noah L. Perktold) durch mehrere zufällige Verkettungen von Ereignissen und geplanten Intrigen eine tiefgreifende Leidenschaft und Freundschaft füreinander entdecken, ist einfach gestaltet und schnell umrissen.
Abgelenkt von dem lieblichen Spiel der Kanarienvögel wird Hannah Opfer eines Taschendiebstahls. Im Handgemenge mit dem Täter gelingt es ihr, die Plattentasche des Diebes zu entwenden, bevor dieser die Flucht ergreift. Ungefähr zur selben Zeit gehen Emil und Franzi einem aufwendig ausgeklügelten Plan nach, den verhassten Schwiegersohn ihres Firmenchefs, der zum Groll der gesamten Belegschaft die Firmenführung übernehmen soll, vor der ganzen Firma bloß zu stellen. Johanna, ohne eigene Tasche und deswegen ohne Wohnungsschlüssel und Geldbeutel, bittet nach getaner Arbeit bei den beiden Freunden um Hilfe. Die drei beschließen, gemeinsam den Dieb ausfindig zu machen und Johannas Besitz zurück zu erobern. Die Tasche des Diebes, ein Plattenkoffer, soll Aufschluss über die Identität des Übeltäters geben und die Überlegung liegt nahe, dass es sich bei dem Dieb um einen DJ handeln muss. So beschließen sie, die Wiener Club- und Barszene unsicher zu machen, um so auf die Spur des Unbekannten zu kommen. Entgegen der Bemühungen der drei Freunde, versuchen die zwei Feinde Karl (Christoph Radakovits), der Schwiegersohn des Firmenchefs und dessen Schwager Heinz (Lukas Watzl) die Urheber des Streiches dingfest zu machen.
Wie es sich für eine klassische Screwball Komödie gehört, spitzen jede Menge unerwartete Wendungen und Fügungen die Handlung weiter zu und kulminieren in einem unerwarteten, obwohl angedeuteten, tragischen Happy-End. Die sympathischen und charakterstarken Hauptdarsteller_innen funktionieren. Die Synergien zwischen den drei Hauptdarsteller_innen machen das Miterleben des Wiener Nachtlebens zur wahren Freude. Obwohl die drei Arbeitskolleg_innen eher einfach gestrickt und geradezu naiv dargestellt sind, besitzen sie im Gegensatz zu ihren Antagonist_innen Tiefe und Mehrschichtigkeit. Der simple Handlungsrahmen bietet den Darsteller_innen Möglichkeiten, ihre Figuren frei zu formen. Gerade Christopher Kohlbach in der Rolle des (ehemals) drogenabhängigen Franzi pariert als echter Wiener-Charakterkopf. Sudernd, derb aber auch voller Romantik und Schmäh, erinnert er in Ansätzen an bekannte ikonische Figuren der österreichischen Filmlandschaft wie beispielsweise Georg Friedrichs Schorschi. Die Darstellung der Wiener Seele, die durch die humorvollen, in Mundart gehaltenen Dialoge und die bekannten Wiener Schauplätze wie das Beisl und den Würstlstand, gekonnt in Szene gesetzt werden, bilden die starken Momente dieses Films.
Sebastian Brauneis zeigt sich nicht nur für Regie, sondern auch für Kamera, Drehbuch und Schnitt verantwortlich. Brauneis‘ filmwissenschaftlichen Background merkt man dem Film deutlich an. So versucht er, sein enormes Wissen über Montagetechniken und Kameraeinstellungen in diesem Film anzuwenden. Unzählige Verweise und Anspielungen, klassische Erzähltechniken und avantgardistische Ideen halten Einzug. Und genau das ist das Problem. Während die Handlung an sich zu Unterhalten vermag und es wirklich eine Freude ist, die drei gut geschriebenen und gespielten Protagonist_innen zu beobachten, wirkt Kameraarbeit, Schnitt und Regie zusammengewürfelt. Der Versuch eine eigene Handschrift zu etablieren, wird durch ein Konglomerat an abgeschauten Techniken und Strukturen ersetzt und lenkt teilweise durch unnötige Komplexität und Diversität von der einfachen aber guten Ausarbeitung der Handlung und der Figuren ab.