Wien, Wien, nur du allein, sollst stets die Stadt meiner Träume sein!
von Lucia Bräu
Mit ähnlichen Hoffnungen macht sich der Protagonist des Filmes I love Vienna (1991) von Houchang Allahyari auf den Weg aus dem Iran nach Wien. Der Film beschäftigt sich mit Themen, die auch heute noch äußerst relevant sind. Ein Mann ist auf der Suche nach einem besseren Leben in einer Stadt, die er nur aus den romantischen Sissi-Filmen kennt. Als er ankommt, ist der Kulturschock etwas größer als gedacht. Wien ist nicht nur die romantische Stadt aus den Filmen, sondern auch ein Knotenpunkt für Personen aus unterschiedlichsten Lebenslagen und verschiedensten Lebenseinstellungen, die nicht unbedingt denen des Protagonisten entsprechen.
Die Hauptfigur Ali Mohammed ist Deutschlehrer und gläubiger Muslim. Er kommt nach Wien in der Hoffnung dort ein neues Leben zu beginnen und einen Platz für sein restliches Leben zu finden. Aber es stellt sich heraus: Das ist leichter gesagt als getan. Er ist auf der Suche nach Anschluss, hat aber gleichzeitig Schwierigkeiten sich an die Lebensweise seiner neuen Bekanntschaften zu gewöhnen. Während seine Schwester und sein Sohn sich immer mehr an den neuen Wohnort anpassen, fällt es dem gläubigen Muslim sehr schwer dies zu akzeptieren. Als er sich in die Österreicherin Frau Svoboda verliebt, droht ihre Beziehung an den kulturellen Differenzen zu zerbrechen.
Der Film greift Motive auf, wie die Suche nach Anschluss und Liebe. Das Hotel, in dem sich die Figuren die meiste Zeit des Filmes aufhalten, fungiert als Miniaturversion von Wien. Zwei Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs finden sich dort viele Menschen, die aus dem Osten nach Wien gekommen sind, um dort ihr Glück zu versuchen. Von der eigentlichen Stadt sieht man wenig, lediglich auf einem kurzen Trip nach Schönbrunn kommen die Figuren wirklich hinaus. Das Hotel ist in einer unscheinbaren Seitenstraße gegenüber von einem Bordell gelegen. Es wirkt wie das komplette Gegenteil von Alis Vorstellungen von Wien. Diese Umgebung beengt die Charaktere und verstärkt die bedrängende Wirkung der vielen Menschen, die sich dort aufhalten, während Schönbrunn im Gegensatz dazu groß und offen ist.
Trotz der fast 30 Jahre, die seit dem Erscheinen des Filmes vergangen sind, lassen sich die Konflikte, auf welche die Charaktere treffen, auch heute immer noch wiederfinden. Die Zuwanderung aus dem Osten in den damaligen Jahren lässt sich zum Beispiel leicht mit den Zuwanderungen aus Kriegsgebieten wie Syrien in den letzten Jahren vergleichen. Herr und Frau Svoboda könnte man auch als die Verkörperung der zwei Einstellungen sehen, mit denen Zugewanderte in Wien konfrontiert werden: Herr Svoboda ist skeptisch und unfreundlich zu seinen Gästen, während Frau Svoboda sie mit Freude empfängt und versucht ihnen zu helfen.
Es handelt sich um eine Gesellschaftskomödie, die tragischen Momenten mit einem gewissen Maß an Humor begegnet. Dieser entsteht vor allem aus den Unterschieden zwischen den Kulturen und Lebenseinstellungen, die gleichzeitig aber auch der Ursprung für die Konflikte und die Tragik sind. Alis Probleme scheinen sich zu häufen und ihn zunehmend von seiner Familie zu isolieren. Nachdem seine Schwester ihm verlautbart, dass sie mit ihrem rumänischen Freund ohne Ehe zusammenleben will und er seinen Sohn von der Polizeistation abholen muss, erleidet er schließlich noch eine Blinddarmentzündung. Der Krankenhausaufenthalt zwingt ihn für einen Moment zur Ruhe zu kommen und ermöglicht ihm auch einen eventuellen Neustart mit Frau Svoboda. Zum Schluss des Filmes bleibt es unklar, ob Ali seine Reise nach Amerika weiterführt, oder ob er Wien, das nicht ganz der Stadt seiner Träume entspricht, noch eine weitere Chance gibt.