Von der Suche nach Glück, Schnee im Sommer und anderen Utopien

Von Lilli Wermuth

Leni Gruber liefert uns mit Schneemann (2018) eine Momentaufnahme des Sommers einer jungen Erwachsenen. Antonia wohnt in einer Wiener WG, wühlt sich durch den Kleiderschrank ihrer Mitbewohnerin Julia, probiert sich aus im Jemand-Anderes-Sein. Sie prokrastiniert, schaut YouTube-Videos mit den Titeln „Erfolgreich glücklich sein“ und „Macht Reichtum glücklich?“ und scheint auf der Suche nach dem Großen Ganzen. Nach einem Sinn. Nach dem Puzzleteil, das ihr Leben in Fahrt bringt und alles stimmig zaubert.

In der Liebe findet sie keine Antwort, auch ihr derzeitiger Lover ist ein enormer Idiot, der ihre mutige Frage nach einer festen Beziehung abweist und anschließend trotzdem mit ihr schläft, als hätte sie sich zuvor nur nach dem Wetter erkundigt. Auch ihre Familie, repräsentiert durch ihren Vater, bildet kaum eine Stütze. Als Bildhauer verbringt er sein Leben außerhalb der Stadt. Und ist vor allem damit beschäftigt, eine Frau für sich zu finden. Man(n) wird ja auch nicht jünger. Lediglich eine schwere Holzfigur gibt er seiner Tochter mit auf den Weg, die sie selbst darstellt. Etwas ziellos schleppt sie das Alter Ego durch ein vor Hitze glühendes Wien. Zwar stellt sich die Frage, warum Antonia sich die Mühe macht, die Skulptur mit zu ihrem Liebhaber zu schleppen – steil nach oben in den höchsten Stock eines schmalen Wiener Stiegenhauses ohne Lift. Doch wird zumindest dem Publikum schnell klar, mit welcher symbolischen Kraft dieses besondere Stück Holz ausgestattet ist. Antonia selbst steht nicht fest im Leben, erhält durch ihr hölzernes Alter Ego jedoch genau die Stütze, nach der sie sich so verzweifelt umschaut: Sich selbst.

Der Einsatz einer Steadycam in Zusammenspiel mit der Einstellungsgröße, meist eine Großaufnahme von Antonias Gesicht, bringt uns die besondere Nähe zur Protagonistin, die ein ganz eigenes Gefühl von Empathie entfacht. Auf die anderen Charaktere blicken wir durch das Auge der Kamera mit einem Sicherheitsabstand, der gut die Distanz symbolisiert, die Antonia wohl zu ihren Mitmenschen fühlt. Es braucht keine großen Worte, denn die Schauspielerin Katharina Farnleitner kommentiert durch ihre Mimik genauestens, was sich im Inneren ihrer Figur abspielt.

Der Kurzfilm Schneemann schafft es mit wenig Text und einfachen Szenen innerhalb von nur 20 Minuten eine Stimmung zu transportieren, wie es manche Spielfilme von großen Filmemacher*innen nicht vermögen.