Feminism FTW: Wie ein Dokumentarfilm Fragen beantwortet und neue stellt

von Tobit Levi Rohner

Unter dem Titel Feminism WTF (vermutlich DER Film für tfm-Studierende) versucht sich Regisseurin Katharina Mückstein daran, grundlegende Stellungen und Positionen des feministischen Denkens darzulegen und massentauglich sowie verständlich einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Das lässt sich auch in der Ästhetik feststellen: Die leitenden Interviews sind in verschiedenen Räumen gefilmt, thematisch immer geprägt von einer knalligen Farbe, die das Bild einnimmt, nie aber von den Inhalten der sprechenden Personen ablenkt. Zwischen den Interviews finden sich Performances und kleine Sozialexperimente, welche das Gesagte untermauern, auflockern oder einfach wirken lassen.

Feminism WTF

Eine Stärke der Dokumentation liegt darin, eine schiere Anzahl an Menschen zu Wort kommen zu lassen. Das führt unweigerlich zu einer Diversität an Personenkraft, die das kollegiale Miteinander betont und mehrere Perspektiven aufwirft. Man muss aber auch dazu sagen, dass Feminism WTF keine historische Darbietung der Frauenbewegungen liefert, sondern vor allem eine aktuelle Herangehensweise porträtiert. Feminismus ist keine singuläre homogene Einheit, sondern lässt sich eher mit FeminismS beschreiben – Wie man dem großen Ziel der Geschlechtergerechtigkeit nahekommt, dazu gibt es plurale Methoden und Ansichten.
Mückstein hingegen konzentriert ihre filmische Arbeit auf einen bestimmten Ansatz, den intersektionalen Feminismus.

Intersektionalität, in der Sozial- und Kulturwissenschaft aktuell äußerst beliebt und momentan Einzug findend in politische Diskurse, beschreibt das sich gegenseitig bedingende Zusammendenken mehrerer Diskriminierungskategorien. Das macht komplexere Sachverhalte
greifbarer. Feminismus und Filmgeschichte haben eine Historizität, die sich (mal mehr, mal weniger) gegenseitig abzubilden vermochte. Filme aus den 40ern, die damals als progressiv in ihrer Frauendarstellung galten (zum Beispiel Mildred Pierce), merkt man unter heutiger Betrachtungsweise ihr Alter an. So besteht nun die Möglichkeit, dass intersektionaler Feminismus Einzug in die Filmwelt findet, womit neue Fragen aufkommen, wie diese Theorie filmisch aufgearbeitet wird. Feminism WTF fokussiert sich auf die drei Hauptkategorien der Intersektionalität – race, class und gender. Daher verbindet die Doku vor allem Geschlechtshierarchien mit Kapital und Ethnie. In der Diskussion nach der Filmvorführung auf der Diagonale 23 war es aber auffällig, wie Nachfragen nach weiteren Unterdrückungsmechanismen aufkamen – etwa nach dis/ability, age oder religion. Nun stellt sich die Frage, wie viele Kategorien ein intersektionaler Film aufgreifen und vernetzen kann? Immerhin: Werden zu viele Kategorien behandelt, so droht es dem Film seine Aussagekraft zu verwässern. Das rege Publikum hat aber nicht den Film missverstanden, ganz im Gegenteil. Es ist zu loben, dass die Dokumentation das eigene, kritische Denken anregt. Wer wird in unserer Gesellschaft gesehen und verstanden? Wer wird übersehen? Welche Personengruppen finden öffentlich statt und welchen wird der Zugriff verwehrt? Dies ist das Potential, das Intersektionalität bietet und Feminism WTF ausschöpft. Allerdings erscheint die Frage sehr präsent, für wen die Dokumentation gedacht ist und welches Zielpublikum sie schlussendlich erreicht. Die Rezeption politischer Filme steht immerhin in starker Abhängigkeit der eigenen politischen Haltung. Misogyne Personen werden ihre Position nach Feminism WTF nicht verabschieden. Theorienvertraute ziehen keine neuen Schlüsse aus dem Film. Man könnte eine „politische Mitte“, die dem Feminismus nicht abgeneigt ist, sich aber ebenso wenig selbstinformiert, als wünschenswertes Publikum definieren. Ob eben jene Personengruppe aber überhaupt erreicht wird, ob sie die Möglichkeit hat (aus Eigeninteresse) den Film zu sichten, bleibt fragwürdig. Dafür müsste eine Mobilisierung der Dokumentation stattfinden – in das Internet, in Schulgebäude, in die Öffentlichkeit. Denn gerade dort kann Feminism WTF Anklang finden, wo Interesse besteht, aber noch keine intensive
Auseinandersetzung stattgefunden hat.