Julia Reischl
Nordkorea – Fußballnation. Diese Wortkombination mag für westlich geprägte Ohren vielleicht etwas seltsam und befremdlich klingen, doch Hana, dul, sed … bietet uns Einblicke in das Land, die diese Irritationen widerlegen.
In dem österreichischen Dokumentarfilm aus dem Jahr 2009 nehmen uns Brigitte Weich und Karin Macher mit zu verschiedensten Fußballspielen des nordkoreanischen Frauennationalteams. Das Spannende und Besondere an dieser Dokumentation ist, dass ein großer Teil von Hana, dul, sed … auch das Leben nach der aktiven Spielerinnenkarriere beleuchtet. Der Fokus liegt hierbei auf vier ausgewählten Frauen: Ri Jong Hi, Ra Mi Ae, Jin Pyol Hi und Ri Hyang Ok. Wir beobachten sie bei Handlungen des alltäglichen Lebens, erfahren von ihren neuen Berufen und Partnern. All das wird immer von einer Person
überschattet, dem Regierungschef Nordkoreas, Kim Il-sung.
Der „General“, wie der Diktator im Film bezeichnet wird, dominierte schon über das Fußballteam. Sie wollten zu seinen Ehren spielen und gewinnen, heißt es. Bereits die Entstehung des Teams lag in seiner Hand, denn das Land sollte im Profifußball erfolgreich sein. Das Männerteam hatte dies nicht bewerkstelligen können, nun sollten die Frauen es probieren und wie sich im Film zeigt, feierten sie große Erfolge: Sie gewannen zweimal die Asienmeisterschaften und nahmen an der Weltmeisterschaft 2003 erfolgreich teil. Als die Qualifikation zu den Olympischen Spielen in Athen jedoch nicht glückte, hatte erneut das Staatsoberhaupt die Macht über die Frauen und erneuerte das Team. An dieser Stelle wechselt die Dokumentation in die zweite Phase, um über das Leben der oben genannten Spielerinnen zu berichten.
Dies geschieht unaufgeregt, ohne Wertung dessen, was gesehen wird. Die Filmemacherinnen stellen den Frauen persönliche Fragen, zeigen ihren immer noch vorhandenen Zusammenhalt, ihre Freundschaft, die anhält, obwohl sie längst nicht mehr gemeinsam am Feld stehen. In vertrauten Gesprächen erfahren wir über Ra Mi Aes Kindheit, ihr „Anderssein als andere Mädchen“. Dieses macht sich immer noch bemerkbar, wenn sie über ihre Zukunftspläne spricht, die entgegen den gesellschaftlichen Konventionen zu sein scheinen. Jene werden im Begleiten der anderen Frauen stark sichtbar. Jin Pyol Hi hat ihren (zum Zeitpunkt der Dreharbeiten) Verlobten durch eine Vermittlung kennengelernt. Sie wird nun zu ihm ziehen und sich um die Familie kümmern, wie es von der Gesellschaft (und ihrem Mann) erwartet wird. Zwischen den
Aufnahmen der Frauen finden sich Bilder des Alltags, der Straßen Pjöngjangs. Sie sind leer, zentral sichtbar eine Statue des „Generals“. Dieser beeinflusst das Leben aller Menschen Nordkoreas von Beginn an. Ri Jong Hi hat eine Tochter, die vom Filmteam in ihren Kindergarten begleitet wird und dort bereits alles über ihr Staatsoberhaupt gelehrt wird. Er ist allgegenwärtig, bestimmt über ihre Leben und erfährt dennoch keinen Widerstand. Selbst dann nicht, wenn der Lebensmitteleinkauf rationiert wird. Die Regierung sorgt nämlich für Feindbilder. Egal ob die USA oder Japan, auf diese beiden Länder wird jeglicher Frust und Hass projiziert, im Alltag wie im Fußball. Der Sport wird sogar symbolisch genutzt, um eine Chance zu bekommen „die Feinde zu besiegen“.
All dies zeigt Hana, dul, sed … nebenbei, durch Gespräche und Bilder. Die vier ehemaligen Fußballspielerinnen bekommen hier eine Plattform, um über ihre Leben zu erzählen. Sie berichten über die verschiedensten Berufe, die sie nach der Karriere anstreben, präsentieren ihre sportlichen Höhen und Tiefen. Sie zeigen der Welt, was eine Schwesternschaft wie die ihre alles möglich macht. Der Film bietet durch seine ruhigen und intimen Aufnahmen interessante
Einblicke in die Lebensrealität von Frauen in Nordkorea, eine seltene Gelegenheit für die westliche Welt. Fußballfans kommen, gerade durch die erste Hälfte des Films, ebenfalls auf ihre Kosten. Die Erzählungen über ihre aktive Zeit als Sportlerinnen werden von diversesten Matchübertragungen begleitet, die durch den Zusammenschnitt Spannung erzeugen. Man sitzt wie gebannt vor der Leinwand und fiebert mit den gerade erst Kennengelernten mit. Der rote
Faden, der sich durch diesen Film zieht, ist dennoch die allgegenwärtige Präsenz des „Generals“. Egal in welchem Bereich des Lebens, es wird über ihn gesprochen, etwas durch seine Politik ermöglicht, oder er ist tatsächlich präsent in Form eines Abbildes. Dies wirkt befremdlich und beängstigend auf uns, ohne jemals so negativ hervorgehoben zu werden, denn für die Menschen in Nordkorea ist das der Alltag. Ein Alltag, der von den Filmemacherinnen, erfreulicherweise, nicht hinterfragt, bewertet oder bekämpft wird. Sie zeigen ihn ungefiltert, wie er ist, überlassen uns jegliche Wertung. Diese entsteht ohnehin unvermeidlich, aufgrund unserer unterschiedlichen Erfahrungen und demokratischen Werte.
Hana, dul, sed … ist eine Sportdokumentation besonderer Art, denn auch wenn über das Fußballteam und die Spiele berichtet wird, so liegt der Fokus auf den Leben der vier Frauen und was diese über die nordkoreanische Gesellschaft aussagen. Am Ende des Films hat man ein Verständnis für den Status Quo der nordkoreanischen Gesellschaft und vier wunderbare wie interessante Frauen ins Herz geschlossen. Gerne hätte man noch mehr Zeit mit ihnen verbracht.
Dazu bekommt man dieses Jahr auch die Chance, da die Fortsetzung …ned, tassot, yossot… in den Kinos startet. Hoffentlich setzt sie dort an, wo Hana, dul, sed … aufhörte und zeigt Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten in der Gesellschaft unter einem neuen „General“ auf!