„Ohne Bon gehen wir nicht in den Salon!“

Sophia Mitterhofer

Valie Exports Film Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut ist eine grelle, satirische Auseinandersetzung mit den Mechanismen des Spätkapitalismus. Ursprünglich als Teil des Omnibusfilms Seven Women – Seven Sins entstanden, stellt der Film die Frage, wie sich moralische Konzepte in einer von Konsum und Werbung geprägten Gesellschaft neu definieren. In einer dystopischen Welt, in der der menschliche Körper zur Werbefläche wird, verschwimmen die Grenzen zwischen Erotik, Selbstoptimierung und Kapitalismus.

Die sieben Todsünden, die von den Sieben Filmemacherinnen in Seven Women – Seven Sins behandelt werden, sind: Stolz (Ulrike Öttinger), Völlerei (Helke Sander), Trägheit (Chantal Akerman), Geiz (Bette Gordon), Zorn (Maxi Cohen), Neid (Laurence Gavron) und Wollust/Unzucht (Valie Export). Diese Todsünden haben sich im Laufe der Zeit von ihrem ursprünglich christlichen Ursprung gelöst, indem sie in Malerei, Architektur und Literatur – wie etwa Dantes Divina Commedia – Eingang gefunden haben: Sie sind aus der Zeit gefallen und doch immer noch aktuell. Es stellt sich die Frage, wie sich ihre Bedeutung verändert hat. Was ist heute eine Todsünde?

In den 80er Jahren wird die neue Moral nicht mehr von der Religion, sondern von der Wirtschaft bestimmt: „Die Unzucht wechselt ihre Haut“, so Valie Export – hier Value Export.

Früher galt der Verkauf nackter Haut als unkeusch – als neue Obszönität sieht Value Export den (nackten) Körper als Werbefläche, als Markenträger. Nicht mehr die Religion diktiert, sondern die Ökonomie.

In der Bar, dem Schauplatz dieser dystopischen Kapitalismussatire, begegnen sich Susanne Widl („Nelly“) und Alfred Neugebauer. Eine Frau, die sich für Geld anfassen lässt, ein Mann, der Bodybuilder und Werbefläche zugleich ist. Nackte Haut oder mit Werbung bedeckt – was verkauft sich besser?

Nellys Figur erinnert stark an Valie Exports TAPP und TASTKINO, doch hier berührt man nicht blind durch eine Stoffwand hindurch, sondern erkauft sich gegen Gutscheine den direkten Zugang zum Körper: „POPO küssen“, „ACHSELN RIECHEN“.

Auf dem Hocker neben ihr an der Bar zieht eine Frau Rauch aus mehreren Zigarettenspitzen. Ein Politiker betritt die Bar mit einem Megaphon. Die Kellnerin bietet ‚Fortschritt‘ an, er schüttelt den Kopf, sie bietet ‚Korruption‘ an, ja, das nimmt er an. Aus ihren Achselhöhlen fliegen uns die Buchstaben entgegen.

Eine Symphonie der Vulgarität, ein dystopisches Spiegelbild in grellen Farben und schrillen Bildern. Was gestern Sünde war, ist heute Geschäft. Wer heute noch sein Getränk selbst bezahlt und lachend in die Höhe reckt, muss wissen, dass sie gratis Werbung macht. „Nur mehr dumme Menschen zahlen was sie trinken“, sagt Neugebauer. Seine Zunge hat die Farbe von Geld, bei jedem Händedruck klingelt es in der Kasse.

Aggressive grafische Animationseffekte fliegen einem wie Werbeslogans entgegen und wirbeln über die Oberflächen. Zoom-ins und Zoom-outs, verstärken die Künstlichkeit der Szenerie. Während die Stimmung an ein New-Wave-Musikvideo erinnert, ist die Musik eklektisch (Marylin Monroe, ein Jodler der Sängerknaben und Klaus Nomi). Die Kostüme von Perdita Chan, Ashley Hans Scheirl und Ursula Pürrer sind exzessiv, futuristisch, erinnern an Science Fiction oder Comicfiguren.

Dieser Kurzfilm lief beim Filmfestival Diagonale 2025 im Programm “Filmgeschichte Österreich – Eine Satire” vor Margareta Heinrichs Durch dick und dünn (1986), der sich ebenfalls – allerdings weniger satirisch-provokant, dafür einfühlsamer – mit normierten Frauenkörper und Selbstoptimierung auseinandersetzt. Im selben Programm waren auch Filme der beiden letztgenannten Kostümbildner*innen dieses Kurzfilms zu sehen: Ashley Hans Scheirl und Ursula Pürrer, bekannt vor allem durch Rote Ohren fetzen durch Asche (1991), einen Klassiker des deutschsprachigen New Queer Cinema der 90er Jahre.

Valie Exports Selbstoptimierungs-Liebesgeschichte in ihrem dystopischen Umfeld ist so plakativ-satirisch, dass sie wie pure Übertreibung wirkt. Betrachtet man jedoch den heutigen Zustand der Kosmetikindustrie, die auf der Abhängigkeit von Schönheitsidealen aufbaut, oder den Markenwahn, der im Influencer-Dasein gipfelt, so zeigen sich erschreckende Parallelen zur heutigen Konsumgesellschaft.

So intelligent sich die neuen anthropomorphen Werbeflächen auch fühlen mögen, stellt sich die Frage, wer denn am meisten davon profitiert. In einer Welt, die aus den Fugen gerät und unüberschaubar erscheint, ist der Weg zur Selbstoptimierung verführerisch kurz. Fitnessstudio, Kryptowährung, Investitionen, Produktivitätssteigerung, ein unpolitisches Refugium, das in seinem Ausmaß durchaus politisch wird.


[1] Pier Paolo Pasolini, „Linguistische Analyse eines Werbeslogans“, Freibeuterschriften. Die Zerstörung der

Kultur des Einzelnen durch die Konsumgesellschaft (Orig: Scritti corsari), Berlin: Wagenbach 20215, S. 28.

Über Austroschwarz, das Zaubern und die Unterdrückung, die den Weg zum Brunnen verwuchert 

Lien May Lucas

 „Produktiv und schön wäre es, wenn sich Zuschauer*innen unseres Filmes auf eine Weise inspiriert fühlen und auch die Grenzen der Fantasie abtasten wollen, indem sie in ihrer und aus ihrer eigenen Realität Etwas erschaffen – sei es aus Zuneigung oder Ablehnung unseres Werks.“ Diese oder ähnliche Worte fielen im Nachgespräch zur Projektion von Austroschwarz und begleiten mich seither, denn genau da beginnt meine Reflexion über diesen Film. So folgt nun eine persönliche Anekdote. 

Schon als Kind war sie sich sicher: sie kann zaubern. Nicht so wie im Märchen, sondern existenziell. Magie als das, was kommt, wenn es keinen anderen Ausweg gibt – als Kraft, die auftaucht in der Aussichtslosigkeit und etwas Lebensveränderndes tut. Vielleicht ist es genau das, was Austroschwarz sichtbar macht. Eine Zauberei, die sich, im Fall von Mwitas Realität, inmitten einer Welt aus Ausschlüssen, Rassismus, Trauma und Unsichtbarkeit als Möglichkeit zur Sichtbarwerdung, zur Selbstermächtigung behauptet. Als Zauberei, die vielleicht nur das innere Kind spüren kann, dem Kind entspringt – das Kind, das auf einem Seil balanciert, rückwärts gehend, Erinnerungen sortierend. Und genau so fühlt sich auch der Film an: wie ein Seilakt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Realität und Imagination. 

Der Debütfilm Austroschwarz, von Mwita Mataro und Helmut Karner nimmt uns mit in eine Welt, die auf mehreren Ebenen funktioniert. In Greenland, einem imaginierten Ort, lebt Blue Kid, eine blaue Kartoffel, die sich in einen grünen Farbtopf tauchen muss, um sich grün zu färben, um nicht ausgegrenzt zu werden. Diese Geschichte von Blue Kid ist poetisch erzählt und ist, trotz ihres fantasiereichen Ursprungs, keine Spielerei. Viel eher verschafft sie der Realität von Mwita – eine weitere Ebene des Films – eine Dringlichkeit, diese Welt außerhalb ihrer Mündungen in der Realität zu erforschen. Ihre Möglichkeiten und Einengungen gilt es zu ertasten. Belassen wir es erstmal bei der Zusammenführung der animierten und der dokumentarischen Ebene, denn sie ist das Vehikel einer filmischen Form des Films, die sich weigert, sich entscheiden zu müssen: Dokumentarfilm oder Animation? Biografie oder Allegorie? Erinnerung oder Vision? Wie machen wir uns das Leben erfahrbar und unser eigenes Narrativ sichtbar? 

Ich greife nun auf etwas voraus, was uns im letzten Drittel des Filmes auf visueller sowie narrativer und persönlicher Ebene begegnen würde: „Die gerade Linie ist gottlos“, heißt es im Film und auch bei Hundertwasser – und genauso wird auch erzählt: nicht linear, sondern verwoben, versponnen, verknüpft. Und dennoch zieht sich ein roter Faden durch die fast 100 Minuten Filmlänge. Die animierten Sequenzen und dokumentarischen Aufnahmen sprechen miteinander, weben sich ineinander, hinterlassen Spuren im jeweils anderen. Ein prägnantes Beispiel aus dem Film ist eine mehrfach wiederkehrende Sequenz, in der Blue Kid und seine Eltern auf der Couch sitzen und die Nachrichten schauen. In den Nachrichten wird Bericht über den rassistischen Mord an Marcus Omofuma mit visuellem Archivmaterial erstattet. Dieser ist, wie uns der Protagonist und Ko-Regisseur Mwita Mataro durch die Kamera mitteilt, einer der Gründe und Motivationen für die Entstehung des Films. Während die Welt der Blues und Greens sonst in einem Farbenmeer schwimmt, breitet sich hier die schwarz/weiße Finsternis des Fernsehers wie ein Virus aus und raubt dem Wohnzimmer all ihre strahlende Kraft. Die Familie sitzt erstarrt und verängstigt da – die Fantasie ist von der Realität infiziert – doch nicht aussichtslos. Wenn Fantasie etwas ist, dass unserer Erfahrung der Realität als notwendige Praxis entspringt, so muss sie auf die eine oder andere Weise auch in der fantastischen Welt konfrontiert werden. 

Mwita Mataro und die drei Kinder, die kollaborativ der Welt der Blues und Greens Leben einhauchen, ersuchen sich mittels der Fiktion mit dem Leben vertraut zu machen. Nicht die Logik rechtfertigt die Verschmelzung der beiden Sphären, sondern das Bedürfnis des Protagonisten, eine Inszenierung zu gestalten, die es ihm ermöglicht, sich die Wirklichkeit, die ihn umgibt, zu erklären. Oder eher noch keine Erklärung, sondern eine Anleitung für ein Leben unter fremdbestimmten Umständen in sich zu finden. 

Die Form des Films entblößt sich immer mehr als Inhalt und mit ihr die darin liegende politische Praxis. Sichtbarkeit entsteht hier nicht durch bloße Repräsentation, sondern durch figürliche Umcodierung – durch das Erfinden von neuen Bildern in bekannten Rahmenbedingungen, die ihren Zusammenhang nicht verstecken, sondern ihn ausstellen. Die Ablehnung der Geradlinigkeit macht dies unter anderem möglich. Gleichzeitig liegt in der Nennung des Hundertwasser-Zitats auch eine Kritik an der Geradlinigkeit, die der Fortschritt mit sich bringt. Und ein latenter Appell, Mittel gegen diese mitreißende Geradlinigkeit zu finden, um zu entdecken, was zwischen 

der Illusion, hinter den Kurven zu finden ist. In Austroschwarz könnte man sagen, dieses Mittel sei mit dem Fabulieren gefunden, ein Fabulieren wie wir es aus der postkolonialen Theorie Saidiya Hartmanns unter dem Begriff der kritischen Fabulation kennen. Eine Strategie, um aus den gewaltvollen Lücken des Archivs, aus dem Schweigen der Geschichte, neue Narrative zu spinnen. Austroschwarz praktiziert diese Fabulation filmisch. 

Die Geschichte im Greenland wird sich unter anderem an realen Erfahrungen von Mwita entlanghangeln, von ihnen Inspiration schöpfen, in alten Mustern neue Möglichkeiten einer eigenen, aber immer kollektiv gedachten, Befreiungsreise finden. Wovon sich zu befreien ist, gilt es für Zuschauende und Mitwirkende des Films herauszufinden. So wird Blue Kid im Kino bedrohlich diskriminiert, weil er, gestresst davon, pünktlich zum Film zu erscheinen, sich dazu entscheidet, nicht in den grünen Farbtopf zu steigen. Während wir Blue Kids Erfahrung auf der Soundebene des Films erzählt bekommen, sehen wir eine Reinszenierung von Mwitas rassistischer Diskriminierungserfahrung im Filmcasino Wien, in welchem er sitzt und eine händische Pistole gegen sich gerichtet bekommt. Blue Kid, motiviert von dieser Interaktion, begibt sich auf eine Mission mit dem Ziel, die Geschichten der Blues zu sammeln und sie in einem noch leeren Notizbuch zu sammeln. Die Zusammenführung animierter und dokumentarischer Sequenzen erinnern auch hier an die Technik des Webens, sie beinhaltet die Textur, die nur dem Zusammenhang entspringt, findet sich in der Montage und in der Kuration des Filmmaterials und erschafft einen Rahmen auf formaler Ebene. Dieser Rahmen verlangt auf unausweichliche Weise, die gezeigten Inhalte miteinander zu verweben, Züge der persönlichen Reportagen in der Welt des Blue Kid und andersrum zu sehen. 

Diese Momente sind nicht nur Rückgriffe auf das Biografische – sie sind Übersetzungen. Traumata, Schmerz und Erinnerung werden in andere Formen gegossen und durch Fantasie bearbeitbar gemacht. Gerade weil der Film sich nicht an eine „realistische“ Logik hält, sondern sich seinem eigenen Rhythmus, seinem eigenen Gefüge überlässt, gelingt es ihm, kollektive Erfahrung spürbar zu machen. Wie ein Gewebe, das sich bei jeder Bewegung verändert – zieht man an einem Faden, bewegt sich alles. Die Reise geht auch in der dokumentarischen Sphäre weiter. Parallel zur Mission von Blue Kid reist Mwita durch die Welt der Erfahrungen Schwarzer Menschen in Österreich, sammelt sie in Form von Dialogen und hält sie 

dokumentarisch in Form dieses Films fest. Hierzu passt das Bild des Brunnens, der nie überläuft, aber in seiner Tiefe kein Ende kennt. Blue Kid springt auf dieser Reise in den Brunnen der Erinnerung, den Mwita Geschichte für Geschichte, Gespräch für Gespräch befüllt. Bald kann man weiter aus ihm Wissen und Kraft ziehen, doch der Film übermittelt klar und deutlich, dass die weiße Mehrheitsgesellschaft diese Praktik des Sammelns und Schöpfen schwarzer Geschichte nicht vorsieht und die Arbeit von Betroffenen selbst verrichtet werden muss. So ist auch die negative Reaktion des Oberhaupts der Greens nicht zu umgehen, als Blue Kid am Ende seiner Reise die Macht, die in den neu gewonnen, wiederentdeckten, endlich erzählten Geschichten der Blues liegt, ausüben will und die Greens stürzen möchte, sodass keiner hinter einer performativen Farbe sein selbst verstecken muss. Walter Benjamin schreibt: 

Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein. Und wie es selbst nicht frei ist von Barbarei, so ist es auch der Prozeß der Überlieferung nicht, in der es von dem einen an den anderen gefallen ist. Der historische Materialist rückt daher nach Maßgabe des Möglichen von ihr ab. Er betrachtet es als seine Aufgabe, die Geschichte gegen den Strich zu bürsten. 

Die Barbarei als Kultur getarnt entpuppt sich in der Unterdrückung der Repräsentation und Geschichte schwarzer Menschen und bemächtigt sich an dem Wissen einer Geschichte der Sieger. Und ein Film wie Austroschwarz gilt es als eine notwendige Maßnahme und gelungene Art der Gegenerzählung, gleichzeitig auch Produkt, dass sich den Strukturen dieser Barbarei nicht entziehen kann, diese aber herausstellt, zu begreifen. 

Somit ist es kein Zufall, dass Austroschwarz in der österreichischen Filmgeschichte als singuläres Zeitdokument steht. Es geht hier nicht nur um die Sichtbarkeit Schwarzer Erfahrung in Österreich, sondern um die Frage, wie erzählt werden kann, wenn das, was erzählt werden soll, eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Der Film bietet keine Antwort und im Sinne des großen Ganzen kein Happy End. Aber er gibt uns ein Werkzeug in die Hand: das Notizbuch. Die Erlaubnis zu fabulieren. Die Einladung, selbst zu zaubern und einen eigenen Weg der Heilung, des Lebbarmachens in einer unlebbaren Welt zu erkunden. 

Denn fliegen wird sie vielleicht nie. Doch manchmal fühlt sich Leben an wie fliegen – und das nur, weil sie zaubern kann. 

„An was erinnerst du dich? Frag ich meine Mutter und ihre Schwestern.“

Lara Sönser

Zwei Mädchen auf einem Fahrrad. Die Größere der beiden tritt in die Pedale, die Kleinere sitzt hinten auf dem Gepäckträger. In einem Innenhof werfen sie Tennisbälle in Tonnen. Die beiden malen mit Kreide bunte Kästen auf den Asphalt. Im Schatten der Bäume spielen die Mädchen Himmel und Hölle. Die kleinen Schuhe klackern über den Betonboden. Lachend springen sie von Feld zu Feld. Daneben der marschierende Gleichschritt eines Soldaten. 

Eine Stimme aus dem Off erläutert, dass die Großmutter zwanzig Jahre lang eine Militärkantine leitete. Die Erzherzog – Johann – Kaserne im Süden der Steiermark. „Wie war es damals, hier aufzuwachsen?“ fragt Katharina Copony in diesem Dokumentarfilm ihre Mutter und deren Schwestern, die als Kinder schon mitten im Geschehen der Kaserne aufwuchsen. Die ganze Welt schien sich nur über das Gebäude und den Hof zu erstrecken, auf dem täglich Soldaten marschierten. Coponys Mutter spricht über frühkindliche Erfahrungen – zwischen einer dauerbeschäftigten Mutter, einem katholischen Vater und der eingeschränkten Welt der Kaserne. 

Ein Wechsel der Stimme aus dem Off: Nun spricht nicht mehr Copony selbst, wie zu Beginn des Films. Zuvor wurden die weiblichen Familienmitglieder nach ihren Erfahrungen des Aufwachsens befragt, doch nun ist es die Stimme ihrer Mutter. Während Coponys Mutter ihr Aufwachsen in der Kaserne rekonstruiert und sich zurückerinnert, kommt es auf visueller Ebene zu einer Form des Reenactments. Die Erinnerungen der Mutter werden mit Schauspieler*innen am Ort des Erlebten verknüpft. Alle Aufnahmen werden von den jungen Darsteller*innen in der damaligen Kaserne reinszeniert. Die Grenze zwischen dem Dokumentarischen und Erlebten scheinen zu verschwimmen mit der Reinszenierung der kindlichen Erinnerungen. Während die Mutter erzählt, sind zwei Kinder zu sehen, die über die Risse im Boden schreiten. Ein Schnitt zu den Soldaten. Die Stiefel der Männer heben und senken sich im Takt. Es entsteht eine hybride, filmische Welt, die sich zwischen Spielfilm und Dokumentation bewegt. 

Die Aufnahmen der Soldaten zeichnen ein Bild von Gehorsam und Disziplin. Zu sehen sind Kinder, die sich durch Korridore und Gänge der Kaserne bewegen. Selbstbewusst nehmen sie Abzweigung nach Abzweigung – zielstrebig und nachahmend, im Gleichschritt, wie bei den Soldaten. Die Mutter von Katharina beschreibt das Aufwachsen mit der Großmutter. Als die Kinder in der Kantine ankommen, ist die Mutter nur schemenhaft zu erkennen. Alles wird auf Augenhöhe der Kinder gefilmt. Die Perspektive ihrer persönlichen Erfahrung steht im Vordergrund. Es habe nie einen persönlichen Moment mit der Mutter gegeben, da diese so sehr in ihre Arbeit eingebunden war. Auch dies wird durch die Bildsprache verdeutlicht: Nie bekommen wir die Großmutter von Copony wirklich zu sehen. Die Kinder befinden sich in ihrer eigenen Welt, die durch die Grenzen der Kaserne strikt geregelt erscheint. Während sich die Zuschauer*innen in der visuellen Welt der Kindheit befinden, erzählt Coponys Mutter von späteren Begegnungen mit der Großmutter im Erwachsenenalter. Währenddessen sind die Mädchen weiterhin in der Kaserne zu sehen. Die Zeitstränge beginnen sich zu verweben. Erinnerungen an Kindheit, Jugend, Vergangenheit und Gegenwart scheinen im Prozess der Rekonstruktion zu verschmelzen. 

Ein Bruch entsteht. Die Kindheit schwindet, die Jugend beginnt. Sie erzählt von übergriffigen Kommentaren der Soldaten – die Großmutter von Copony blendete diese aus. Verwoben in die pubertäre Entwicklung entstehen existenzielle Fragen. Sie beginnt den Katholizismus zu hinterfragen.  So erzählt die Mutter, dass sich jedes Gewitter wie der Zorn Gottes über die Kaserne legte. Der jugendliche Widerstand bewegte sie dazu, die religiöse Erziehung infrage zu stellen. Der Vater, streng katholisch, und eine Mutter, die sich der Religion ebenso unterordnete. Eine innere Spannung gegenüber familiären Idealen entsteht. Eine Wandlung tradierter Glaubenssätze findet statt. Nur mit ihrer Schwester konnte sie darüber sprechen. Die Verbundenheit zu ihren Geschwistern wird immer wieder betont – eine tiefgehende Beziehung scheint sich durch ihr gemeinsames Aufwachsen zu ziehen. Copony betont in ihrem Film durch die Nacherzählung der Mutter immer wieder das weibliche Kollektiv innerhalb der Familie und arbeitet besonders deren persönliche Geschichte heraus.

Nicht nur die persönliche Historie, sondern auch die österreichische Geschichte wird aufgearbeitet, in Verknüpfung mit der eigenen Familiengeschichte. Die Mutter arbeitete am Feld, der Vater, der sich gegen das NS – Regime richtete, wurde eingezogen. Ein Jahr war nicht klar, ob der Vater noch lebte. Trotz der offenen Ablehnung gegenüber dem Regime, kam es zu einem klaren Schweigen über die Erlebnisse im Krieg. Diese Schweigekultur fand sich nicht nur in der eigenen Familie wieder, sondern erstreckte sich auch auf den Schulunterricht. In diesem wurde lediglich über den ersten Weltkrieg gesprochen. Die Traumata der eigenen Familie blieben unverarbeitet, erst die Kinder der Großmutter setzten sich damit auseinander. Neben dem Tabu des Erinnerns kommt es zu einer visuellen Auseinandersetzung mit Bildern des Heeres, in denen die österreichische Flagge gehisst wird. Es kommt zu einer Hinterfragung der österreichischen Historie, des Patriotismus, der Erinnerungskultur und des Umgangs mit den Geschehnissen des zweiten Weltkriegs. Themen die nicht nur innerhalb der eigenen Familienhistorie von Relevanz sind.

Die Grenzen der Kaserne werden zu eng. Mit dem Besuch des Gymnasiums entwickelt die Mutter von Copony eigene Ideale und Vorstellungen der Welt. Es kommt zum Streit in der Kaserne. Das Gymnasium würde die Kinder verderben, so der Vater. Die Mutter von Copony spricht aus dem Off: „Es kommt zu einem Bruch. Etwas neues beginnt.“ Eine Entfernung gegenüber der Kaserne setzt ein. Die Mutter von Copony und ihre Geschwister führen ein Leben, das nicht mehr von der Kaserne eingenommen ist. Die Lebensrealität hat sich erweitert, der Weg führt in die Großstadt. Es wird erzählt, dass alle eine unterschiedliche Wahrnehmung vom Aufwachsen in der Kaserne und von den Eltern haben. Auch hier betont die Filmemacher*in, wie individuell Erinnerung funktioniert. Wie sie möglicherweise verfremdet und dennoch sind alle durch deren Aufwachsen verbunden. 

Auch die Enkelkinder spielen im Hof der Kaserne. Eine neue Generation ist zu sehen. Nun wird über die Großmutter in der Kantine gesprochen. Die Enkelkinder (aus Coponys Perspektive) werfen einen erneuten Blick auf die Frau in der Militärkantine. Eine neue Beschreibung der Großeltern, eine veränderte Perspektive auf Familie entsteht. Ende der 70er – Jahre wird die Kantine vom Bundesheer übernommen, das Kantinenleben schwindet. Die Erinnerungen bleiben. „Was trägt sich durch die Generationen, trotz aller Veränderungen? Was wirkt auf uns ein?“, fragt die Filmemacher*in. 

Copony widmet sich in diesem Werk der kollektiven Familienhistorie und wirft dabei die Frage auf, in welcher Weise sie selbst und all ihre Vorfahr*innen miteinander verknüpft sind. Es kommt zu einer Analyse der eigenen Herkunft und der Frage, wie uns ein Ort prägt, selbst wenn wir an diesem nicht aufwachsen. Durch die besondere Verschmelzung von autobiografischen Elementen und der Reinszenierung am Ort des Geschehens entsteht eine eindrückliche Perspektive auf die eigene Familie und inwiefern wir mit dieser in Verbindung stehen. Copony kehrt in die Kaserne zurück, als einen Ort des kollektiven Erinnerns, der sie und all die Frauen in ihrer Familie miteinander verbindet. Ein möglicher Annäherungsversuch an das eigene Sein, auf der Suche nach Erinnerungen und familiären Verknüpfungen. Die Geschichte der Großmutter, der Mutter, der Schwestern – der Frauen in ihrer Familie – aufzuarbeiten, bedeutet auch, die eigene Herkunft und Identität zu verarbeiten. Sich möglicherweise wiederzufinden, aber auch darin zu verlieren, um sich selbst einen Raum in dieser familiären Verknüpfung zu schaffen. 

Phänomene eines Stars, Phantome eines Landes

Péter Rácz

Als Alexander Horwath, der Filmhistoriker und langjähriger Kurator des österreichischen Filmmuseums sich 2017  entschieden hat, diese Position nicht mehr zu erfüllen, sagte die Filmproduzentin Irene Höfer nur einen Satz zu ihm „Dann musst du selbst einen Film machen. Zu dem Namen seines letzten kurierten Programmes Henry Fonda for President meinte sie „Das ist der Titel“. Drei Jahre später hat der jetzt-Regisseur zusammen mit Höfer als Produzentin und Michael Palm als Cutter und Kinematograph begonnen, die Biographie, Filmographie des oben genannten Filmstars und periphere Historien der USA von 1651, die Ankunft der Ahnen Fondas, bis 1982, das Jahr seines Todes, zu erkunden. Wie Archäolog*innen hat das kleine Team das Vermächtnis des besonderen Stars ausgegraben. Sie haben diese neben der Fossilien der Strukturen und Sentimentalitäten der Geschichte Nordamerikas und ihre Kinoindustrie und Kunst. Das Resultat ist ein mitreißender Reisefilm, der das Fiktive mit dem Realen, das Vergangene mit dem Gegenwärtigen in Kommunikation stellt. Der Film sucht Wege durch die Widersprüchlichkeiten der USA entlang der spezifischen filmischen und historischen Präsenzen von Henry Fondas realen und gespielten Charakteren und umgekehrt.

„… du sitzt da, und denkst an diesen erstaunlichen Dingen zu sagen, und entscheidest dich, diese nicht auszusprechen.“ erklärt Sir Michael Caine im Rahmen einer BBC-Sendung aus 1987, was Filmschauspieler*innen eigentlich vor der Kamera machen. Von diesem besonderen Talent erzählt Horwath als Narrator und das letzte Interview von Henry Fonda in Zusammenwirkung mit Abschnitten aus den entsprechenden Filmen. Das Star hat was anderes als seine kontemporäre männliche Hauptdarsteller geleistet, er hatte nicht die extrovertierte  unermüdliche Passion Jimmy Stewarts oder die spielerische Parade von Cary Grant. Fonda hat seinen Zorn und Ozean von Gefühlen von seinem Gang, zu den angespannten Händen und schließlich von seinen Augen hinaus in die Einstellung gegossen. Diese besondere Photogenität hat seine Karriere in den Hauptrollen von Verfilmungen historischer Ereignisse und sozial-realistische Dramen und Adaptionen solcher Literatur vorgeschrieben. Dieses psychologisierende Spiel gilt derzeit als ungewöhnlich neu, denn erst später agieren in der Zeit von New Hollywood ab den späten 60er Jahren die neuen Stars, wie Robert De Niro, Fondas eigene Kinder Jane und Peter und im britischen Kino Michael Caine selbst, mit einem ähnlich reichen Innenleben der Figuren, wonach das Subjekt dieses Films gestrebt hat. Nach und während der Beschäftigung mit der filmischen Präsenz des Stars geht der Essayfilm ins Biographische.

Rückgabe der Fackel: New Hollywood Star Robert Redford gibt Fonda 1981 seinen Ehrenoscar (Oscars 2009: https://www.youtube.com/watch?v=YZZQqr2RFCs&t=183s)

Hier präsentiert der Film einen Mann, der im kleinstädtischen Milieu aufgewachsen ist, und seine Karriere unter wachsenden Rolle von Stars führte in einer Gesellschaft, die unter der Depression der 1930er das Image hedonistischer Berühmtheiten als Ablenkung von sozialer Realitäten im Kino bekommen haben. Die Persönlichkeit Fondas bekommt damit neue Spannungen, indem der introvertierter und sich selbst nicht liebender Schauspieler im tumultuösen Privatleben seiner Kontemporär*en, wie es seine fünf Ehen zeigen, auf der eigenen konsolidierten Weise, unter Erleben geringerer Publizität, einen Platz in Hollywood gefunden hat. Nach dem Aufschwung seiner Nachfrage in den 1930ern und die Revitalisierung in der Nachkriegszeit erzählt der Film nicht mehr ins Detail eingehend, sondern zur Überlegung angeboten von anderen Aspekten des Lebens von Henry Fonda. Bei so einer langen Beschäftigung mit einem Subjekt durch einen nicht ausdrücklich kritisierenden Blick taucht die Frage der Idealisierung auf. Das inhärente Paradox mit Henry Fonda for President unterstreichen die Leerstellen in seiner Geschichtsschreibung bezüglich des Stars. Da Horwath sich explizit mit dem Zeitraum 1651-1982 und filmgeschichtliche Perspektiven beschäftigt, bekommen die möglich dunkleren Seiten Fondas Legacy und die Arbeiten seiner Kinder Jane und Peter nicht wirklich das Spotlight. Dieses führt ein Segment aus, das sich mit der Krankheit und Selbstmord von Frances Seymour Fonda, Mutter der oben genannten Fondas, beschäftigt. Der Essayfilm erklärt die Verarbeitungen und die Wirkungen auf das Familienleben in einer emotional nur andeutenden Tiefe, indem er eine überblickhafte Position in der allgemeinen Analyse der Behandlung von psychischer Erkrankungen in Frauen in den 1950ern nimmt. Drückt das die Verdrängung als Traumareaktion der Männergeneration von Henry Fonda aus? Welche Rolle würde die durchgehende Erwähnung dieser Ereignisse für die Überlegungen des Films spielen? Auf jeden Fall agiert dieses Werk nicht mit der Tabloid-artige Behandlung eines unbegreiflichen Privatlebens, er liegt diese Tragödie in Sicherheit auf der obskuren Seite. In Bezug auf sein individuelles Subjekt behandelt Henry Fonda for President überwiegend filmische Präsenz und Rollenbiographie, was das Faszinierende an Film und allgemein Aufnahmen veranschaulicht. Denn durch das Schauen von Filmen erlebt das Publikum Abschnitte von Leben mit, es taucht in vergangenen Minuten von Personen ein, die sie vor der Kamera verbracht haben. Diese Intimität, die bei toten Schauspieler*innen zeitgleich unheimlich und nostalgisch wirkt, wird mit realen, vergangenen Momenten von zwar simulierten, aber wahren Erlebnissen aufgeladen. Auf diese Wirkung stützt sich der filmhistorische Aspekt dieser Reise. Der Titel selbst markiert die Verschmelzung von Darsteller einer Fiktion, die Henry Fonda oft die Rolle des Präsidenten eingeschrieben hat, und die außerfilmische Ideologie einer berühmten Person.

Henry Fonda in der TV-Serie „Maude“, in den Folgen Maude’s Mood Part 1, 2, in denen die Protagonistin ihn als idealen Präsident vorstellt (CBS, 1975) Bild: [https://www.nytimes.com/2025/04/03/movies/henry-fonda-for-president-review.html]

Politisch hat sich der Schauspieler für einen konsolidierten Progressivismus durch vernünftige, angemessene staatliche Tätigkeit eingesetzt, die ein*e demokratische Präsident*in in den Strukturen der USA für Verbesserung sozialer Zustände ausnutzen könnte. Doch welche Strukturen das sind, wird im Film, wie die meisten Institutionen der im historischen Kontext ganz jungen Vereinigten Staaten, als ewig angenommen. Selbst die in Henry Fonda for President nicht hinterfragte Existenz dieses Amtes schreibt die, zwar demokratisch zu wählende, mächtigste Person der Welt vor. Henry Fondas wahre und gespielte Persönlichkeit als Präsident kann nur das verkörpern, was diese Hegemonie des*r Eine*n fähig ist,  durch Macht zu verändern. Was in diesem Essayfilm nicht zur Verarbeitung kommt, ist die Überlegung einer der Regierungsform. Wäre das in einer 50-staatigen Weltmacht mit ganz gesteuerter Ideologien heute vorstellbar? Worauf der Film aber deutlich aufmerksam macht, sind die Idealen, die diese hohe Position für die zwei große Parteien verkörpern soll. Henry Fonda for President erkennt, dass genau diese von Gerechtigkeitsgefühl durchgeflossene Persönlichkeit einen idealen US-Präsident ausmache, zumindest für die demokratische Partei und ihre Wähler*innen. Was der Film ebenfalls nicht ausdrücklich thematisiert, sondern der Überlegung des Publikums gibt, dass diese Art von Kandidat nur als im Nachhinein perfekt-gedachter Gegenpol zu den zunehmend populistischen Strategien der gegnerischen Partei, deren ersten modernen Höhepunkt die Präsidentschaft von Ronald Reagan markierte. Ein angemessener aber den Status quo-erhaltender Leader kann nur als ernüchternder, aber nicht Versprechen-erfüllender Gegenentwurf zwischen zwei Perioden einer Reagan-artigen Zerstörung sozialstaatlichen Strukturen existieren. Denn mit den simplen Slogans zur Verminderung staatlicher Eingriffe entlang als religiös verkaufte Ideologie ist die Mehrheit des Landes anzusprechen. Genau durch die Landschaften dieser Mehrheit, die von Elitismus geprägter Politik übersehen ist, führt die geografische Reise des Films von Horwath und Co.

Die Kameraarbeit von Michael Palm präsentiert die Region, die in den USA als „Flyover-Country“ bezeichnet werden, d.h. die Landschaften zwischen den Großstädten der beiden Küsten und Grenzen. Die von Infrastruktur und demokratischer Kampagnen des letzten Jahrhunderts kaum berührten Leerstellen lassen die Gespenster der Vergangenheit und mögliche Abweichungen von der Entwicklungen des Landes freilaufen. Nicht nur werden diese Örtlichkeiten durch ihre Rollen in Fonda-Filmen erkundet, wie Früchte des Zorns (Ford, 1940), eine Suche nach alternativer Strukturen, der Essayfilm veranschaulicht zusätzlich die moderne Lage dieser Regionen und stellt diese in Kontrast mit den Realitäten von US-Hegemonie abweichenden Einordnungen, nämlich die der indigenen Bevölkerung des nordamerikanischen Kontinents. Aufgrund des Hauptthemas des Films, oft peripher und teils nicht ausführlich enthält der Film Historien von Native Americans, die mit ihren eigenen Stimme die Hierarchien verschiedener Stämmen und die systematische und gewaltsame Ausbeutungen dieser Gruppen von der Ankunft der weißen Siedler*innen bis heute erklären. Henry Fonda for President repräsentiert hier diese anderen Systeme im Kontext des Verlorenen, nicht als vorhandene oder zukünftig mögliche Abweichungen, Subversionen. Außer einer Instanz von modernen, von Matriarchinnen durchgeführten Wahl einer offiziellen Position wird den gegenwärtigen Lebensumständen Indigener Personen und ihren historischen filmischen Repräsentation in diesem 184-minütigen dokumentarischen Epos kein Platz gegeben. Ob das Erzählen und dabei Schreiben dieser Geschichten und Darstellungen überhaupt unter die Aufgaben, Perspektive und Fähigkeiten eines österreichischen Filmteams gehört, bleibt in diesem Film unklar. Die Beziehungen zwischen gespielten Rollen und historischen Personen zusammengeschnitten mit der zwischen Drehorten und geographischen Landschaften erzählt Horwath erfolgreicher und ausführlicher durch seine Erfahrung als Historiker und Reisender.

Die wichtigste Leistungen des Films reichen über die Laufzeit weiter hinaus, indem er die Jahren nach dem Endpunkt 1982 die USA und ihre Kinokunst vor New Hollywood neuinterpretieren lässt. Erstens bekommen die Filme und Schauspielstile des alten Studiosystems mit und ohne Henry Fonda einen neuen Blickwinkel, indem die Innerlichkeit der Performances durch die Restriktionen der Produktionsregelung „Hayes-Code“ durchscheinen. Gleichzeitig setzen zweitens Horwath und Team durch erklärende Segmente über die historischen Hintergründen von Filme wie Taxi Driver (Scorsese, 1976) das Aufkommen von Radikalisierung durch Medien und populistischen Ansprüche, die oft in Gewalt ausbrechen etwa drei Jahrzehnten vor der ersten Kampagne Donald Trumps. Die ästhetische Erfahrung dieses Essayfilms liegt im Querschnitt von Final Cut: Ladies and Gentlemen (Pálfi, 2012), der eine Liebesgeschichte ausschließlich durch die Montage von Einstellungen aus vorhandenen Filmen erzählt, und Sans Soleil (Marker, 1983), der durch den ausländischen Perspektive die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Japans durch die Biographie eines Reisenden erkundet. Was das Marketingmaterial und eine frühe Szene begreift steht thesenartig über den Film und regt zum Überlegen an. Dieses einführende Segment folgt einen Street Performer am Times Square mit einer Trump-Maske, der die charakteristischen Geste des Präsidenten zur Geldgewinnung nachahmt. Was zeigen diese Spielereien? Hat der Fanatismus provozierender Figuren die Nachfrage für aktiven Politiker*innen ersetzt? Ist das Image der mächtigsten Position der Welt nur durch Karikatur sinnvoll zu interpretieren? War das früher schon auch so? Inwiefern hat Medienverbreitung den Image-Aufbau hoher Institutionen dekonstruiert und verzerrt?

Performer als Donald Trump in Henry Fonda for President (Horwath, 2024) Bild: [https://www.diagonale.at/en/filme-a-z/?ftopic=finfo&fid=12750]

Henry Fonda for President lässt mit seiner Ästhetik und Methode der Geschichtsschreibung nicht nur die Filmkunst und das Privatleben eines klassischen Stars zu bewundern, er vermittelt Gespenster der Gründung, Entwicklung und nicht wahrgewordene Alternativen aus einem fernen, faszinierenden Land und lässt sie auf der Leinwand und jenseits davon lange nach der Laufzeit verweilen.

Endnoten

Michael Caine Teaches Acting in Film (BBC, 1987)

Online [https://youtu.be/bZPLVDwEr7Y?si=GhEhsE5SeAN_0YiQ] (FilmKunst, 2013)

The Many Ways to Avert One’s Eyes

Vincent Moeller

In ihrem Essayfilm The Many Ways to Avert One‘s Eyes begibt sich die Filmemacherin Eszter Katalin auf eine kriminologische Spurensuche. Das Verbrechen: ein gescheitertes Interview mit ihrer Großmutter. Der Versuch einer verletzten Person durch den unerbittlichen Blick der Kamera weitere Schmerzen zuzufügen. Und eine Akte unzähliger filmischer Übergriffe, die sich durch die Geschichte des Mediums ziehen, vor allem männlicher, privilegierter Regisseure, die aus ihrer Machtposition heraus die Körper marginalisierter Personen nach Belieben ausstellen. Es sind drei zentrale Spuren, denen Katalin in ihrem Film folgt: Erstens das Interview mit ihrer Großmutter, ihre Erzählungen über die Arbeit in der Fabrik. Zweitens: Die Nachstellung, das Reenactment von Filmszenen, wobei Katalin einen weiten Bogen von Louis Feuillades Les vampires (FR 1915) bis Claire Denis Beau Travail (FR/IT/RU 2000) schlägt. Und drittens: Die minutiös abgefilmten Schritte der Analogfilmentwicklung des mit einer Super 8-Kamera aufgenommenen Filmmaterials. Durch die Mehrsprachigkeit, den autobiografischen Bezug und die Selbstinszenierung Katalins in den Filmzitaten gewinnt der Film eine persönliche Tiefe und erreicht eine genuin essayistische Qualität. Bemerkenswert ist auch Katalins Montagetechnik: Mal werden auditive Ausschnitte aus dem Interview mit ihrer Großmutter über Filmbilder des Belichtungsvorgangs bei der Analogfilmentwicklung gelegt, an anderer Stelle stehen Aufnahmen einer ungarischen Dorflandschaft Seite and Seite mit nachgestellten Szenen aus Godards Le petit soldat (FR 1963). Dennoch zieht sich ein roter Faden durch den Film: Überall werden Spuren der Gewalt sichtbar, nicht körperlicher, sondern struktureller Gewalt. Und immer wieder tritt das Motiv des Abwendens oder Öffnens des Blicks in den Vordergrund.

Selbstinzenierung vor der Kamera als subversive Methode [https://www.sixpackfilm.com/media/images/werke/EszterKatalin_TheManyWaystoAvertOnesEyes_Courtesysixpackfilm_5.large.jpg]

Im Jahr 2016 drehte die Filmemacherin Eszter Katalin ein Interview mit ihrer Großmutter. Diese hat von 1951 bis 1962 in einer Fabrik gearbeitet, in der Bauteile, die teils in der Waffenfabrikation zum Einsatz kamen, mit Nickel beschichtet wurden — eine Arbeit bei der ihre Hände irreparabel beschädigt wurden. Im Rahmen des Interviews wollte Katalin die Kamera ausschließlich auf die Hände ihrer Großmutter richten und somit den Fokus auf die Verletzungen lenken. Diese versteckte ihre Hände aber sofort unter dem Tisch, sodass Katalin ihr filmisches Vorhaben nicht umsetzen konnte. Es entstand ein Interview, in dem Katalins Großmutter von ihren Jahren in der Fabrik berichtet, ihre Hände sind dabei allerdings nur für wenige Sekunden sichtbar. Das Ereignis stellte Katalin vor grundlegende Fragen in Bezug auf Blickpolitiken und das Verhältnis von Kamera, filmender und gefilmter Person: Inwiefern hatte sie ihrer Großmutter ein Form der Repräsentation aufzwingen wollen, die diese selbst ablehnte? Kann der Zwang, den die Filmkamera auf die gefilmte Person ausübt, als gewaltsamer Übergriff verstanden werden? Die Kamera als Waffe? Und welche Möglichkeiten gibt es, das Medium Film ohne Übergriff, ohne Zwang zu nutzen? Das Interview mit der Großmutter bildet zum einen das initiale Ereignis filmischer Gewalt, das die Untersuchung auslöst. Zum anderen offenbaren ihre Schilderungen zur Fabrikarbeit im Verlauf des Films erstaunliche Parallelen zu Aspekten der Filmproduktion. Eines der zentralen Werke, auf das Katalin in ihren Filmzitaten Bezug nimmt, ist Harun Farockis Essayfilm Nicht löschbares Feuer. Farocki reflektiert darin über die Darstellbarkeit von Gewalt im Film, konkret über den Einsatz von Napalm durch die US-Armee im Vietnamkrieg und über die Grenzen der filmischen Darstellung dieser Grauen. Er kommt zu dem Schluss, dass nicht etwa das Zeigen der durch Napalm verursachten Verletzungen eine nachhaltige Wirkung auf das Publikum entfaltet, sondern vielmehr die Offenlegung des Produktionsprozesses von Napalm. Dieser gleiche einer Black Box: Selbst die beteiligten Wissenschaftler*innen wüssten aufgrund der weit fortgeschrittenen Fragmentierung des Prozesses oft nicht mehr, wozu die einzelnen Teilprodukte eigentlich dienen. In ganz ähnlicher Weise beschreibt auch Katalins Großmutter ihre Rolle bei der Herstellung von Waffenteilen. Und auch der Film selbst gleicht in seiner industriellen Warenförmigkeit und seinem Black-Box-Charakter einem Produkt, dessen innere Funktionsweise sich nur schwer durchdringen lässt. Phasen von Verdunkelung und Enthüllung konstituieren die analoge Filmproduktion. Freilegen und Verdecken, Hinsehen und Wegsehen, Abwenden und Öffnen des Blicks entwickelt Katalin zu zentralen Denkfiguren.

Katalin folgert: Wenn also die durch den Einsatz von Napalm verursachten Schrecken nur durch die Darstellung des Produktionsprozesses von Napalm aufgezeigt werden können, kann auch die dem Film eingeschriebene Gewalt durch eine Abbildung des Produktionsprozesses sichtbar gemacht werden. In der zweiten filmischen Ebene folgen wir Katalin bei der Entwicklung eines mit einer Super 8-Kamera aufgenommenen Analogfilms. Vom Prozess des Filmdrehs über die Zweitbelichtung der Filmbilder bis hin zur abschließenden Projektion wird der gesamte Prozess offengelegt, zumindest soweit dies möglich ist. Auch hier begegnet uns das Motiv des Enthüllens und Verdeckens: Die chemische Behandlung des Filmstreifens geschieht in völliger Dunkelheit. Ein treffendes Bild für jene unsichtbaren Kräfte, die an der Entstehung eines Films beteiligt sind. Gewalt scheint sich irgendwo im Produktionsprozess einzuschreiben. Beispiele lassen sich dafür viele finden, etwa struktureller Sexismus, der sich schon bei der Stoffentwicklung, im Casting, beim Dreh und im Schnitt manifestieren kann. Bemerkenswert ist Katalins Betonung der Materialität von Film: Dieser wird nicht nur durch gesellschaftliche Verhältnisse korrumpiert, sondern trägt die Gewalt bereits in seiner physischen Beschaffenheit, in der Art, wie Bilder sich in das Filmmaterial einbrennen, wie Chemikalien es angreifen. Film „verführe“ aufgrund seiner essenziellen Beschaffenheit zur Gewalt.

Analogfilmproduktion als undurchsichtiger Vorgang [https://www.sixpackfilm.com/media/images/werke/EszterKatalin_TheManyWaystoAvertOnesEyes_Courtesysixpackfilm_2.large.jpg]

Daraus ergibt sich die Frage: Wie lässt sich mit einem korrumpierten Medium arbeiten, wie Protest formulieren, mit und gegen das Medium Film? Dieser Frage widmet sich Katalin unter anderem in der dritten Ebene ihres Films, in der sie Filmszenen aus 100 Jahren Filmgeschichte nachstellt. Sie filmt sich zum Beispiel wie Harun Farocki in Nicht löschbares Feuer an einem Tisch sitzend und ein Skript lesend oder wie Michel Subor in Le petit soldat, wie er vor dem Spiegel die Augen mit der Hand verdeckt. Während das Filmzitat ein geläufiges ästhetisches Mittel auch im Mainstream-Film ist, kommt das gezielte Reenactment von Szenen deutlich seltene vor. Verbreiteter hingegen ist es in der Performancekunst und damit ein zentraler Gegenstand der Theaterwissenschaft. Erika Fischer-Lichte beschreibt Reenactments in ihrem Aufsatz Die Wiederholung als Ereignis als Performances, die „ein spezifisches Verhältnis zur Vergangenheit herstellen und damit zugleich ein je besonderes Verständnis von Geschichte implizieren“. Dies lässt sich auf Katalins filmische Reenactments übertragen, denn sie stellen einerseits durch Wiederholung einen Bezug zur Vergangenheit her, vermitteln zugleich aber auch eine bestimmte Vorstellung von Geschichte, in diesem Fall von Filmgeschichte als einer Geschichte von Gewalt. Das Nachspielen wird so zu einem empathischen Akt, trägt aber auch ein subversives Potenzial in sich. Die Neukontextualisierung und Bedeutungsverschiebung der Filmszenen eröffnet Möglichkeiten der Kritik, deren Tragweite Katalins Film nur andeuten kann.

Öffnen und Schließen des Blicks in der Nachstellung einer Szene aus Godards Le Petit Soldat [https://www.sixpackfilm.com/media/images/werke/EszterKatalin_TheManyWaystoAvertOnesEyes_Courtesysixpackfilm_1.large.jpg]

Wo also führt Katalins Spurensuche letztlich hin? Siegfried Kracauer bezeichnet Film in seinem Werk Theorie des Films als „Athenes blanke[n] Schild“. Nur auf der Filmleinwand, so Kracauer, könne man die Reflexionen realer Ereignisse abbilden, die uns im echten Leben „versteinern“ lassen würden. Dieser Feststellung muss man, Katalins Argumentation folgend, wohl widersprechen, denn Kracauer unterschlägt, die aggressive, übergriffige Natur des Films. Häufig schützt Film eben nicht, sondern enthüllt, stellt bloß und verletzt. Zutreffend erscheint Kracauers Denkfigur des Schildes hingegen, rufen wir uns den von Katalin angeführten Aspekt der „Verführung zur Gewalt“ in Erinnerung. Der Schild mag zwar als Defensivmechanismus konzipiert sein, er fordert aber auch eben jene Gewalt heraus, die er bekämpfen möchte. Ohne Gewalt verliert der Schild seine Funktion. Ob es sich beim Film ganz ähnlich verhält, ob Film eben nur durch die Enthüllung, die Grenzüberschreitung funktioniert, ist eine Frage, auf die Katalin zumindest zwei Antworten bereithält: Einerseits kann ein subversiver Ansatz darin liegen, die Prozesse der Filmproduktion sichtbar zu machen, andererseits ist das Reenactment eine aus der Performance-Kunst entlehnte Methode, die die Wiederaneignung und Neukontextualisierung filmischen Materials möglich macht. Katalin stellt in ihrem Film eine beeindruckende Synthese aus Theorie und Praxis her und findet eine filmische Form, die sich selbst und ihre eigene Medialität ständig hinterfragt und auf den Prüfstand stellt.

Austroschwarz, ein filmisches Geflecht über das Schwarz-Sein in Österreich

Rosa Binar

Austroschwarz bezeichnet sich selbst als ein essayistischer Dokumentarfilm über das Schwarz-Sein in Österreich. Mwita Mataro steht dabei als Protagonist, Buchautor und Regisseur im Mittelpunkt. Zur Seite als ebenfalls Co-Autor und Regisseur steht ihm Helmut Karner. 

Mit einer Mischung aus dokumentarischen-, Tagebuch-/Vlog-, musikalischen-, animierten Comiczeichnungen und Spielfilmelementen sucht Mataro seinen Weg durch das verflochtene Thema Rassismus in Österreich. Jedes Erzählelement führt Diskussionen, Schwierigkeiten und Dilemma an und zeigt neue Aspekte von Rassismus in Österreich auf. 

Ein herausstechendes Erzählelement des Filmes spielt sich in einem Studio-Set ab. In diesem befindet sich eine kleine bunte Welt aus Pappkarton und einige Requisiten. Mit denen sich Mataro und sechs Kinder auseinandersetzen. Mataro beginnt das Spiel, indem er die Kinder um die Hilfe bittet, seine Geschichte weiterzudenken. Als Spielfiguren dienen dafür angemalte Kartoffeln. 

Obwohl das Setting zunächst simple erscheint, ergeben sich einigen Fragen zu seiner Symbolik. Mataro setzt den Startpunkt der Geschichte und lässt die Kinder dadurch ihre Fantasie in einem Rahmen begrenzt freien Lauf. Denn in dem sognannte „Greenland“ sind alle Kartoffeln grün, bis auf eine Familie „die Blues“. Diese passen sich der Gesellschaft an, indem sie sich jeden Morgen grün anmalen. Eines Tages vergisst jedoch „Blue Kid“ diesen Prozess. Daraufhin folgt eine ausgrenzende Erfahrung, die dazu führt, dass „Blue Kid“ das Anmalen hinterfragt und sich auf eine Reise begibt. 

Der Prozess des Anmalens bietet Raum für Diskussionen. Es wird nicht klar, ob das Anmalen wörtlich gemeint ist. Können die Blues also ihre Äußerlichkeiten ändern, um das Andere an ihnen zu verbergen? Ist nicht gerade das eine große Belastung des Alltagsrassismus, die fehlende Möglichkeit, jemals angepasst genug zu sein. Da sich eine Hautfarbe gerade nicht ändern lässt. 

Verbirgt sich in diesem hypothetischen Spiel vielleicht der Wunsch nach der Fähigkeit, selbst bestimmen zu können, wann sich dem alltäglichen Rassismus mit Haut und Haar gestellt und wann dem durch ein Anmalen entgangen werden kann. 

Oder ist ein ganz anderes Anmalen gemeint? Ein kulturelles vielleicht. Das Gefühl, seine eigene kulturelle Prägung nicht nach außen tragen zu dürfen, da sie mit negativen Eigenschaften verbunden wird. 

An dieser Stelle hätte der Film dem Publikum mehr Kontext liefern können. Gleichzeitig ist es denkbar, dass diese Irritation nur bei Zuschauenden entsteht, die selbst keine Rassismuserfahrungen gemacht haben. Der Film scheint hier bestimmte Vorerfahrungen anzusprechen, die mit dem symbolischen Bemalen des eigenen Körpers in Resonanz treten.

Auch wenn die Sequenz teils undeutlich ist, zeigt sie die tragische Genauigkeit, mit der die Kinder Strukturen dieser Welt fassen. Sie stellen heraus, dass die Blues ihre Farbe ändern müssen, um ihnen ihre Macht zunehmen. Sie betonen, dass das Anmalen zur Normalität gehört, während es diese schwierig macht. Die kindliche und doch unverfälschte Sicht lässt den Zuschauer benommen staunen. 

Die Szenen zeigen einen wichtigen Einblick in die Wahrnehmungen von POC-Kindern auf Strukturen und Diskriminierung. Elemente der Kindergeschichten werden zudem in animierten Comic Sequenzen verarbeitet. Diese stellen neben ihrer liebevollen Gestaltung eine Art Verbindung zwischen den Wahrnehmungen der Kinder und Mataro’s Erzählungen dar. 

Ein weiteres führendes Erzählelement des Filmes sind Mataros Tagebucheinträge in Form einzelner Vlogs. Diese sind von einem offenen und ehrlichen Mataro geprägt. Er bespricht mit dem Zuschauer die Dilemmata des Filmes. Wie das Gefühl, als Schwarzer Künstler nicht mehr darüber reden zu wollen, Schwarz zu sein und doch immer wieder das Gefühl zu haben, darüber reden zu müssen. 

Schließlich meldet er sich in Videoform aus einer psychologischen Reha, in der er Abstand zum Thema des Filmes sucht. Doch auch hier wird er mit Alltagsrassismus konfrontiert. Der Film betont immer wieder die Unausweichlichkeit dieser Erfahrungen für POC in Österreich.  

Die Vlogs verdeutlichen Mataro‘s engen persönlichen Bezug zu dem Film und seine Schwierigkeiten, Abstand zu dem Thema zu finden. Der fehlende Abstand ist eine Herausforderung, die Mataro selbst anspricht und die dem Zuschauer ebenfalls in anderen Elementen des Filmes deutlich wird. Denn Mataro ist in jeder Hinsicht eingebunden, so auch in den Expertengesprächen, die immer wieder in den Film integriert werden. In diesen treten verschiedenste Menschen ins Bild, die ihre Expertise über Rassismus teilen. Trotzdem und vielleicht dadurch, dass Mataro die Gespräche führt, entsteht dabei wenig Diskussion. Auch sie sind von Mataro’s Gedanken geprägt. Gleichzeitig zeigt der Film anschaulich die wichtigen Arbeiten von Menschen im Kampf gegen Rassismus in Österreich und bittet ihren Stimmen eine Bühne. Sie bringen verdrängte Themen wie die Geschichte Schwarzer Menschen in Österreich ans Licht, statt sie weiter dem Vergessen zu überlassen.

An eine Dokumentation kann der Anspruch der Objektivität gestellt und beanstanden werden, dass dieser hier nicht gegeben ist. Doch kann Austroschwarz nicht als klassischer Dokumentationsfilm gefasst werden, beinhaltet er doch viele persönliche essayistische Aspekte. 

In dem Erzählelement Vlog wird klar, dass der Film nicht objektiv sein will und es somit nicht muss. Es wird offengelegt, dass es sich hierbei um subjektive Erfahrungen handelt. Gleichzeitig wird mit den Expertengesprächen und Kinderszenen auch eine Verbindung zur Allgemeingültigkeit gesucht. Hier spiegelt sich ein Element von Rassismus Erfahrungen, die einerseits strukturell und allgemeingültig sind und andererseits von vielen individuellen sozio-demografische Aspekten geprägt sind. 

Um nun noch ein drittes Erzählelement von vielen des Filmes zu nennen, soll auf eine Szene mit Spielfilmcharakter eingegangen werden. In dieser steht Mataro auf einer Bühne und spricht emotional von seiner Frustration über die österreichische Gesellschaft und ihren Umgang mit Rassismus. Diese sehr emotionale Szene stellt einen Höhepunkt des Filmes dar. Sie wirkt befreiend und verzweifelt zugleich. All der Frust über den erlebten Rassismus bricht aus ihm heraus. Das sanfte Heranführen an das Thema endet. Die Wut über die Ignoranz vieler wird im Film vielleicht des aufklärerischen Willens wegen zuerst klein gehalten, aber schließlich nicht zurückgehalten. Das Spielfilmelement gibt dafür einen Rahmen, der die verzweifelte Kampfbereitschaft im Auftreten von Mataro auffängt. 

Der Film Austroschwarz erzählt uns Mataro Geschichte in vielen verschiedenen Perspektiven. Diese übernehmen eigene Funktionen und eröffnen neue Blickwinkel auf ein verstricktes Thema. Dem Film gelingt es, viele wichtige Punkte von Rassismus in Österreich zu verdeutlichen und erfahrbar zu machen. Er öffnet einen Raum, der dem Zuschauer zum Weiterdenken anregt. Er legt offen, wie er selbst mit Schwierigkeiten kämpft, das Thema Rassismus in Österreich würdig zu inszenieren. Dadurch wird dem Zuschauer die Angst genommen, eigene Unverständlichkeiten zuzugeben und eine neue Offenheit und Diskurs kann entstehen.  

Ein Tutorial für das Leben nach der Entlassung

Nadescha Jakobowski

Mit einer einzigartigen Mischung aus Drama, Coming-of-Age und Monsterfilm erschafft der 102-minütige Spielfilm How to Be Normal and the Oddness of the Other World (Originaltitel: Wie man normal ist und die Merkwürdigkeiten der anderen Welt) aus dem Jahr 2025 eine vielschichtige Welt, die durch eine unterschwellige humoristische Note aufgelockert wird. Diese genreübergreifende Erzählweise spiegelt die fragmentierte Wahrnehmung der psychisch labilen Hauptfigur, Pia, wider und zieht das Publikum in ihre ungewöhnliche Realität hinein. Regisseur Florian Pochlatko spielt mit den Ebenen der Realität und versetzt so die Zuschauenden in einen ähnlich verwirrten Zustand, in dem sich die Protagonistin Pia (gespielt von Luisa-Céline Gaffron) befindet. Beim Anschauen des Films stellt sich oft die Frage, was nun Realität und was Einbildung Pias ist. Diese unklare Zuordnung wird anhand von Montage und Voice-Overs verursacht. Und genau diese Seherfahrung macht Pochlatkos Werk so besonders. Das Publikum erhält Einblicke in Pias Welt aus der „normalen“, nüchternen Perspektive vermischt mit Pias psychotischer Wahrnehmung und ihren schwankenden Grenzen der Realität.

Die 26-jährige Wienerin Pia kehrt nach einem weiteren Aufenthalt in der Psychiatrie zurück in ihr Elternhaus. Doch das vertraute Umfeld bietet kaum Halt – im Zusammenleben mit ihren Eltern wird ihr bewusst, dass nicht nur ihr eigenes Leben aus den Fugen gerät. Ihr Vater Klaus (gespielt von Cornelius Obonya) und ihre Mutter Elfie (gespielt von Elke Winkens) ringen gleichermaßen damit, sich in einer Welt zurechtzufinden, die sich unaufhaltsam verändert. Neben ihren psychischen Erkrankungen wie Depression, Psychose und Schizophrenie wird Pia zusätzlich von der Vergangenheit eingeholt. Ihr Ex-Freund Joni (gespielt von Felix Pöchhacker) sehnt sich nach der „alten Pia“, ist jedoch bereits in einer neuen Beziehung. Diese emotionale Zerrissenheit wird für das Publikum deutlich spürbar, da es Pias und Jonis Telefonate sowie ihre ambivalenten Gespräche hautnah miterlebt. Um sich von Joni und der Vergangenheit abzulenken, stürzt sich Pia in eine neue Bekanntschaft – doch loslassen kann und will sie nicht. Auch beruflich kämpft sie mit Herausforderungen. Ihr Vater verschafft ihr einen Aushilfsjob in seiner Druckereifirma; doch der monotone Arbeitsalltag wird schnell zur Belastungsprobe. Zwischen Schreibtisch und Kopierer beginnt Pia zu halluzinieren, fühlt sich verfolgt und zunehmend entfremdet von einer „normalen“ Welt, in die sie nicht hineinzupassen scheint. Um Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen, setzt Pia alles daran, sich selbst zu optimieren: Sie macht Yoga, folgt online Beauty-Tutorials und geht zur Therapie. Doch ihre Bemühungen scheinen ins Leere zu laufen. Nicht, weil sie scheitert, sondern weil ihr Umfeld sie weiterhin als krank definiert. Ihre Mutter ersetzt Keramikgeschirr durch Plastik, ihr Vater entfernt spitze Gegenstände aus der Firmenküche, und ihre Mitmenschen begegnen ihr mit vorsichtiger, aber unsensibler Distanz. In ihrer Wahrnehmung verwandelt sie sich in ein gigantisches Monster. Ein Monster mit einer Gouda-Scheibe im Gesicht, als Symbol dafür, dass sie ihr wahres Gesicht verloren hat. Doch was bedeutet überhaupt „normal“? Ist Pia das Monster oder ist sie vielleicht die Einzige, die in einer Welt voller Monster authentisch bleibt?

Pochlatko verwebt in How to Be Normal gekonnt mehrere Handlungsstränge zu einem vielschichtigen Porträt menschlicher Krisen und Alltäglichkeiten. Neben Pias eigenem Weg erhalten wir auch Einblicke in das Leben ihrer Eltern, die verzweifelt versuchen, ein „normales“ Dasein zu führen. Die überforderte Elternschaft, geprägt von den Herausforderungen im Umgang mit ihrer psychisch leidenden erwachsenen Tochter, steht dabei ebenso im Fokus wie Klaus’ monotoner und repetitiver Arbeitsalltag. Elfie, die verzweifelt darum kämpft, ihre Tochter wieder in die Gesellschaft zu integrieren, droht dabei selbst an den persönlichen Belastungen zu zerbrechen. Schließlich sucht sie in einer Psychotherapiesitzung den erhofften Halt. Jedoch wird sie enttäuscht und muss die Sitzung vorzeitig abbrechen, weil sie sich nicht ernstgenommen fühlt. Diese vielschichtigen Schicksale verdeutlichen eindrucksvoll, dass jeder seine eigenen Lasten trägt und die individuellen Krisen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, letztlich universelle menschliche Erfahrungen darstellen.

Der Film erzählt Pias Geschichte größtenteils aus ihrer Perspektive, doch durch geschickte Montagetechniken verschwimmen die Grenzen der Wahrnehmung: Szenen, die das Publikum zunächst als Pias Sicht interpretiert, entpuppen sich unerwartet als die Realität anderer. Besonders stark eingesetzt wurde diese Montagekunst in der Szene, in der Pia nachts ungehemmt in Jonis Wohnung stürmt. Zunächst ist das ehemalige Pärchen in Jonis Bett nebeneinander liegend zu sehen. Sie unterhalten sich ruhig und wirken vertraut. Im nächsten Moment klopft es erst einmal, dann ein weiteres Mal immer energischer gegen die Wohnungstür. Das Publikum sieht, wie Joni aus dem Bett aufsteht und Pia liegen bleibt. Mit einer Kamerafahrt begleiten wir Joni zur Tür. Er öffnet diese und Pia stürmt hinein. Sie ist zunächst apathisch und fährt danach ruhig mit ihren Fingern über einen an der Wand hängenden Bilderrahmen und flüstert dabei, dass Pia überall sei. Von jetzt auf gleich kippt ihre ruhige Stimmung und Pia greift Joni an. Dabei hält sie ihm die Spitze eines Regenschirmes an den Hals. Die Kamera schwankt leicht zur Seite und Jonis neue Freundin erscheint im Türrahmen stehend im Nachthemd gekleidet. Durch diese kurze Einstellung wird deutlich, dass sie diejenige war, die tatsächlich mit Joni in dessen Bett gelegen hat und nicht Pia. Durch diese Szene wird nicht nur Pias fragmentierte Wahrnehmung spürbar, sondern auch die Frage aufgeworfen, wie subjektiv Normalität tatsächlich ist. Der Frage nach Normalität geht der Film intensiv auf den Grund. Ist es normal, morgens etliche Pillen einzuschmeißen, um den Tag ohne Panikattacken, depressiven Schüben und Fressattacken zu überstehen? Ist es normal, nicht mit einer längst beendeten Beziehung abschließen zu können? Ist es normal, dass ein Kleinkind die einzige Person ist, die einen zu verstehen scheint? Und ist es normal, mit 26 auf die Hilfe und Unterstützung der Eltern angewiesen zu sein?

Neben den persönlichen Krisen der Charaktere spielt der Klimawandel eine weitere Rolle im Film. Fernseh- und Radiosender berichten eindringlich über verheerende Naturkatastrophen, was zu einer ambivalenten Deutung führt: Während die Welt der Protagonistin ins Wanken gerät, scheint auch die scheinbar „normale“ Gesellschaft ihre Stabilität zu verlieren. Diese Perspektive wird zusätzlich durch die parallelen Lebensstränge der Eltern untermauert. Alternativ könnte man argumentieren, dass die dargestellten Umweltkrisen metaphorisch das innere Ungleichgewicht in Pias eigener Welt widerspiegeln. Ebenfalls zu beleuchten ist hierbei, dass Pia mit den Naturkatastrophen gleichgesetzt wird. Sie wird als Monster der Stadt, mit Käse im Gesicht, im Fernseher inszeniert, vor dem sich die Menschen fürchten und zu fliehen versuchen. Diese Metapher unterstreicht die zweite Deutung der Klimakrisen. Pia bringt die „normale“ Welt durcheinander und stellt das Unheimliche und das Gefährlichste in der Welt dar. Gar das Unnormale.

Außerdem beeindruckt der Film durch eine vielschichtige visuelle und inhaltliche Gestaltung, die die Zuschauenden unmittelbar in die Welt der Protagonistin eintauchen lässt. So werden beispielsweise Szenen, in denen Pia auf Partys ist, in einem hektischen Rhythmus und mit verschwommenen Bildern inszeniert. Dadurch entsteht ein Gefühl der Überwältigung und des Mitfeierns. Ebenso wirkungsvoll ist die dynamische Montage der Fress-Attacken, nachdem Pia ihre Pillen abgesetzt hat. Die Fress-Attacken werden in schnellen Schnitten hintereinander geschnitten und verstärken so die Intensität der dargestellten Emotionen. Auch spiegeln die schnellen Schnitte die Hektik einer Fress-Attacke wider. Neben der Montagearbeit wurde viel Wert auf das Colour Grading gelegt. Gezielt eingesetzte Farbfilter unterstreichen die verschiedenen Stimmungen, die die Darstellenden durchlaufen. Der nahezu deprimierende Büroalltag in der farblosen, tristen Firma wird mit dunklen und gräulichen Farbfiltern inszeniert. Gesättigte und kräftige Farbtöne sind hingegen in dem Setting und dem Colour Grading von Szenen zu finden, in denen es Pia den Umständen entsprechend gut geht. So wie beispielsweise in der Szene, in der sie mit Joni auf der Wiese im Wiener Augarten liegt und die beiden sich unterhalten. Auch die Szenen, in denen Pia Yoga macht und währenddessen mit ihrem Nachbarsjungen Lenni spricht, spiegeln ihr Wohlbefinden wider. Dieser visuelle Unterschied repräsentiert die Lebendigkeit der Szenen ziemlich angemessen. Auch wird dadurch deutlich gemacht, dass ein monotoner 9-to-5-Job nicht viel dazu beiträgt, eine labile Person glücklich zu machen.

Um den ernsten Themen des Films eine gewisse Leichtigkeit zu verleihen, integriert Pochlatko gekonnt humorvolle Elemente in seine Inszenierung. Bei einem Gespräch mit einem Arzt versucht Pia diesem aufgebracht zu vermitteln, dass sie verzweifelt ist und die Medikamente bei ihren Wahnvorstellungen nicht gegenwirken. Dieser hält ihr daraufhin unbeeindruckt einen Tischkalender mit einem Zitat hoch: „Glaub‘ nicht alles, was du denkst“. Ein weiteres kleines amüsante Detail ist die Tasse, aus der die Protagonistin trinkt. Auf dieser steht „Britney survived 2007. You can handle today“. Diese Motivationssprüche wirken fast schon ironisch, wenn man bedenkt, wie schwerwiegend Pias Erkrankungen eigentlich sind. Auch die Zwischensequenzen im Mittelteil des Films, in denen Pia am Smartphone durch Beauty-Videos scrollt und sich albern überzogene Gesichtsmasken aufträgt, verleihen dem Geschehen eine gewisse Leichtigkeit und schaffen kurze Momente der Alltagsflucht. Sie schaut sich zudem ein kurzes YouTube Video an, welches drei Anzeichen von ADHS erklärt…die drei Anzeichen sind jedoch banale Dinge, die nahezu auf jede Person zutreffen und somit keinen seriösen Eigentest gewähren.

How to Be Normal ist kein klassisches Tutorial, das Schritt für Schritt erklärt, wie man nach einem Klinikaufenthalt wieder „funktioniert“. Vielmehr führt uns der Film vor Augen, wie brüchig und individuell jede Rückkehr ins vermeintlich normale Leben sein kann und wie sehr gesellschaftliche Erwartungen oft im Widerspruch zu den realen Bedürfnissen der Betroffenen stehen. Pias Suche nach Stabilität und Zugehörigkeit ist kein lineares Lernprogramm, sondern ein ständiges Aushandeln von Identität, Grenzen und Selbstwahrnehmung.

Gerade durch die kreative Kombination aus Humor, visueller Überforderung und feinfühligem Drama gelingt es Regisseur Florian Pochlatko, die Vielschichtigkeit psychischer Erkrankungen greifbar zu machen. Doch so eindrucksvoll und wichtig diese filmische Auseinandersetzung auch ist, How to Be Normal ist kein Film, den man leicht konsumiert. Für Zuschauende, die selbst mit psychischen Erkrankungen kämpfen, können bestimmte Szenen emotional belastend oder triggernd wirken. Der Film verlangt viel an Aufmerksamkeit, an Einfühlungsvermögen und an psychischer Stabilität. Deshalb ist er besonders jenen zu empfehlen, die bereit sind, sich mit der Thematik mit einer gewissen emotionalen Distanz auseinanderzusetzen und sich gleichzeitig darauf einlassen möchten, dass „normal“ ein Begriff ist, der in all seiner Unsicherheit neu gedacht werden muss. Doch ist das Streben nach Normalität vielleicht selbst schon das Unnormalste von allem?

„Ich glaub ich hab mein Gesicht verloren. Ich glaub ich hab mich einfach ur arg verlaufen.“ 

Lochte Helene Elise

Der österreichische Spielfilm How to Be Normal and the Oddness of the Other World (2025) von Florian Pochlatko zeichnet das Leben einer Person, die sich zwischen aufgedrückten Diagnosen und Medikamenten, Arbeitsalltag, Partyleben und Herzschmerz verliert. Pia (Luisa-Céline Gaffron) ist wütend und verzweifelt. Pia hat Angst, ist mutig, voller Energie, hat Panikattacken und Wahnvorstellungen. Sie verläuft sich in einer Welt aus bunten Splittern. 

Pia lebt in Wirklichkeiten, während die Welt aus den Fugen gerät: Hochwasser, Erdbeben, Waldbrände. Klimakatastrophen. Bei Pia bebt der Kopf. Sie ist Mitte 20 und zieht nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie wieder bei ihren Eltern ein. Mutter und Vater sorgen sich immens, Exfreund Joni vermisst die „alte“ Pia. Doch wer ist die „alte“ Pia? Ihre Umgebung scheint sie nicht mehr als „normal“ zu erkennen. Ihr Exfreund Joni und ihre beste Freundin Julia sind überfordert und Pias Eltern schrecklich verzweifelt, doch in einem scheinen sich alle einig zu sein: Pia ist eine „Naturgewalt“. Dabei sehnt sich Pia einfach nur nach Ruhe und sucht Halt. Der Nachbarsjunge Lenni ist ihr Partner in Crime. Sie treffen sich im Garten und spielen. Sie wappnen sich gegen die „grauen Männer“ – Figuren aus dem Roman Momo (1973) von Michael Ende – und sammeln ihre Superkräfte. Sie dürfen keine Zeit verlieren. Denn die „grauen Männer“ stehlen die Zeit. Doch was für Lenni lediglich ein Spiel ist, ist für Pia Wirklichkeit. Pia flüchtet in einen Wald. Sie fühlt sich bedroht. Lenni begleitet sie und merkt, dass Pia bedrückt ist, dass es für Pia mehr als nur ein Spiel ist. Pia bricht zusammen und erzählt Lenni: „Ich glaub ich hab mein Gesicht verloren. Ich glaub ich hab mich einfach ur arg verlaufen.“ Lenni malt ihr Gesicht nach: „Da ist es doch!“. 

Pia hat eine Psychose und als Zusehende nehmen wir an einer ästhetischen Reise teil, an Pias Fantasien und Wahnvorstellungen im Schnelldurchlauf. Der Film operiert mit vielen Schnitten, Bildformatwechseln und einer großen Portion Humor. Während die Mutter unter Tränen im Radio den Katastrophen der Welt lauscht und als Synchronsprecherin einer Nachrichtenagentur verheißungsvoll über Zombie-Schnecken berichtet, soll Pia wieder einen ganz „normalen“ Alltag leben. Ihr Vater nimmt sie mit in seine Firma – eine Druckerei. Pia geht dort einem öden, klassischen Bürojob nach. Scannen, Kopieren, Einheften. Sie erledigt ihre Aufgaben, dennoch ist es ihr kaum möglich in der „Realität“ anzukommen. Pia fühlt sich durch die Medikamente, die sie nehmen muss, ganz aufgeweicht – wie ein Käse. Pochlatko inszeniert die Figur Pia mit einer Scheibe Käse im Gesicht, mal mit Post-Its im Gesicht, mal mit DIN-A4-Papierzetteln. Es wird symbolisch unterstrichen, dass Pia ihr Gesicht verloren hat. Absurde Bilder für ein schreckliches Gefühl. Pia hat sich selbst verloren. Sie weiß nicht mehr wo oben und wo unten ist, was Realität und was Einbildung ist. Auch als Zusehende fällt es schwer zu verstehen, was „wirklich“ passiert und was nicht. Was ist Pias Wahn geschuldet und was nicht? Was ist überhaupt die Wirklichkeit, wenn die Konsequenzen der eingebildeten Welt tatsächliche Folgen haben? 

Ein Roadmovie für verlorene Seelen

Sarah Barth

Callas, Darling ist das Langfilmdebüt von Julia Windischbauer, die Regie geführt, den Film produziert und die Hauptrolle gespielt hat. Es handelt sich um eine Low-Budget-Produktion, die über mehrere Wochen in Österreich und im Südosten Europas gedreht wurde. Das Publikum wird in dem Roadmovie auf die Reise mitgenommen, die in einem Dorf in Albanien ihr Ende findet. Sie beginnt jedoch in Österreich: Marie/Karo/Karle bleibt nach einer wilden Fahrt bei einer Tankstelle stehen, ist sichtlich aufgelöst und im Voice-over wird impliziert, dass sie plant, sich das Leben zu nehmen. Just in diesem Moment steht Gerlinde vor ihrem Auto und will mitfahren. Dass sie damit Maries Leben rettet, scheint ihr bewusst zu sein. Diese Impression, dass die beiden füreinander eine neue Chance darstellen, durchzieht den Film. Auf der Reise von Österreich nach Albanien und vor allem während des Aufenthalts dort verändern sich die Hauptfiguren, was klassisch für ein Roadmovie ist. Auch die Dynamik zwischen ihnen entwickelt sich, bis eine besondere, wenngleich ambivalente Beziehung entsteht.

Neben der transformativen Reise ist auch die Flucht ein genretypisches Element von Roadmovies. Dieses macht Callas, Darling mit Thelma and Louise vergleichbar. In diesem Film lassen die Protagonistinnen eine Welt zurück, in der sie aufgrund von Konventionen nicht so leben können, wie sie wollen. Zudem fliehen sie vor dem Gesetz, weil Louise einen Mann erschießt, der Thelma vergewaltigen wollte. Auch Marie ist auf der Flucht, sie wiederum lässt ein Leben zurück, das von Krankheit und dem Tod ihrer Mutter geprägt ist. Sie flieht vor der Art von Behandlung, die sie als Frau mit psychischen Problemen erfährt. Andere Menschen gehen nämlich mit ihr um, als hätte sie abseits ihrer Krankheit keine eigene Identität mehr. Sie wünscht sich also einen Neuanfang, wie Thelma und Louise, die es deshalb bis nach Mexiko schaffen wollen, bevor sie von der Polizei erwischt werden. Eine weitere Parallele der beiden Filme sind die Figuren von Brad Pitt und Lea Drinda, die beide vorübergehend als Passagiere im Auto mitfahren. Er betrügt jedoch seine Chauffeurinnen, indem er ihnen Geld stiehlt und sich davonmacht, während Siri mit Gerlinde und Marie eine relativ schöne Fahrt genießt und sich wieder absetzen lässt, bevor die anderen Richtung Albanien weiterdüsen. Beide Figuren markieren jedoch durch ihr Auftauchen und Verschwinden die vordergründige Tragweite der Beziehung zwischen den Protagonistinnen. Bei erster Betrachtung ist die Notwendigkeit von Lea Drindas Rolle nicht genau erkennbar. Siris Signifikanz offenbart sich jedoch bei der Beschäftigung mit Thelma and Louise.

Während der Reise verändert sich die Persönlichkeit der Hauptfigur mehrmals, wobei sie während jeder Entwicklungsstufe einen anderen Namen trägt. Zu Beginn des Filmes nennt sie sich Marie. Sie wollte eigentlich mit dem Leben abschließen, sie war ,,bereit zu gehen‘‘, wie sie im voice-over sagt. Gerlinde hält sie auf, indem sie sich zu ihr ins Auto einlädt. Marie wurde also unerwartet ein neuer Start ins Leben ermöglicht. Neben Gerlinde erfindet sie sich neu, weil sie nicht mehr auf ihre Krankheit reduziert wird. Karo, wie sie ihr Bruder Leon nennt, ist der Teil ihrer Identität, der eigentlich in Österreich und in der Vergangenheit begraben werden sollte. Als Leon sie in Albanien findet und ihr vorwirft, einfach verschwunden zu sein, ohne Bescheid zu geben, wird Marie auch für die anderen Figuren zu Karo, wodurch ihre fragile neue Persona zerfällt. Sie wird von ihrer Vergangenheit eingeholt und muss sich damit auseinandersetzen. Gerlinde akzeptiert sie jedoch trotzdem, wodurch sich Karo als Karle entfalten kann. Es handelt sich hierbei um eine weibliche Form des Namens Karl, der ,,freier Mann‘‘ bedeutet. Karle ist also endlich frei von den Fesseln ihrer Vergangenheit, zugleich hat sie auch ihr Verdrängungsbedürfnis überwunden. Sie ist nun bereit für einen richtigen Neuanfang. In den drei Namen, die sie während der Handlung des Filmes trägt, spiegelt sich demnach ihre persönliche Entwicklung wider.

Albanien ist die Endstation der Reise. Untypisch für ein Roadmovie verbringen die Hauptfiguren hier sehr viel Zeit, wodurch es so wirkt, als seien sie an ihrem Ziel angekommen. Dies ist jedoch für Karle nicht der Fall. Sie findet zwar an diesem Ort und bei Gerlinde Zuflucht, weil sie hier abgeschottet von Österreich und damit ihrer Vergangenheit existieren kann. Jedoch hält sie sich in einer Art zeitlosem Raum auf, indem sie von ihren bisherigen Umständen zwar unberührt bleibt, wo ihr Leben aber dadurch wie erstarrt ist. Es geht weder nach vorne noch nach hinten, es ist eingefroren. Hier kommt wieder Gerlinde ins Spiel, die Karle die Perspektive aufzeigt, die sie braucht, um aus diesem Vakuum herauszukommen. Nach und nach stellt sich heraus, dass die Entwicklungsstränge der beiden Frauen auseinander gehen. Karle dachte, sie sei angekommen, dabei beginnt in Albanien erst die wirkliche Reise, bei der es sich um den Rest ihres Lebens handelt. Den hätte sie ohne Gerlinde verpasst. Diese hingegen hat im Geburtsort ihrer verstorbenen Frau tatsächlich die Endstation ihrer (Lebens-)Reise erreicht. Sie besucht die Gräber der Eltern ihrer Geliebten, zündet in einer Kirche eine Kerze für sie an, verbringt eine schöne Zeit, und doch: Sie ist angekommen. Ihr rastloses Herumirren findet hier in Albanien ein Ende, weil sie endlich abschließen kann. Dies bedeutet aber (was nur suggeriert, nicht explizit ausgesprochen wird) für sie auch den Abschluss mit ihrem Leben, welches sie nun beenden will. Karles Bruder Leon erkennt dies und appelliert an sie, sich wenigstens von Karle zu verabschieden, da ihr diese Möglichkeit im Fall der Mutter bereits genommen worden war. Gerlinde verschwindet daraufhin und wird in einer dramatischen Schlussszene von Karle gefunden. Ihr bisher ambivalentes Verhältnis, das sowohl Elemente einer Mutter-Tochter-, als auch einer Liebesbeziehung innehat, wird in einem letzten Gespräch von Karle verbalisiert.

Um auf Thelma and Louise zurückzukommen und einen weiteren Vergleich zu ziehen, sind die jeweiligen Schlussszenen der beiden Filme gegenüberzustellen. Die von Susan Sarandon und Geena Davis verkörperten Figuren fahren am Ende von Thelma and Louise mit ihrem Ford Thunderbird von einer Klippe in den Grand Canyon und werden mit einem freeze frame in der Luft angehalten, womit die Handlung durch ein endgültiges, befreiendes wenngleich tragisches Moment beendet wird. Callas, Darling schließt für keine der beiden Hauptfiguren auf ganz so kathartische Weise, weil das Ende offen bleibt. Karle sucht nach Gerlinde, extradiegetisch singt Maria Callas ,,L’amour est un oiseau rebelle‘‘ (Carmen von Bizet). In dem Stück geht es um die Liebe als Vogel, der sich nicht einfangen lässt, weil er seine Freiheit nicht aufgeben will. Diese Lyrics in Kombination mit dem plötzlich in schwarz-weiß gehaltenen Bild untermalen die Szene, in der Karle ihre Liebe zu Gerlinde offenbart. Metaphorisch könnte man sagen, sie lässt ihre Gefühle davonfliegen, weil sie erkannt hat, dass sie sie ohnehin nicht festhalten kann. In einem emotionalen Monolog gesteht sie Gerlinde, dass ihr Leben durch ihr Treffen einen drastischen Einschnitt erhalten hat – wie die Welt durch Maria Callas. Gerlinde hat Karle gerettet und ihr eine mögliche Zukunft offenbart. Die Gefühle, die dabei zwischen den beiden entstanden sind, lassen sich kaum mit Worten beschreiben, sie sind also, wie von Callas besungen, nicht festzuhalten.

Was uns bindet – ein Geflecht aus Schmerz und Komik

Alexandra Metzger

„Ehrlich – berührend – brutal“ … mit diesen drei Begriffen beschreibt Ivette Löcker ihren tragikomischen Dokumentarfilm mit den Mitgliedern der Familie Löcker als Protagonistinnen und Protagonisten. Die in Berlin lebende Salzburgerin löst mit der Frage „Was verbindet euch?“ eine regelrechte Lawine an Gefühlen bei ihrer Familie aus. Mutter und Vater leben getrennt, aber doch zusammen. Sie teilen sich ein Haus im Lungau, Salzburg, was laut Ivettes Mutter einer der beiden ausschlaggebenden Teile der Verbindung zwischen ihr und ihrem Ehe-Gatten ist. Der zweite Aspekt sind die Kinder. Das „Paar“ hat miteinander drei Kinder Ivette, Simone und Marlies. Außerdem teilen sie sich einen Hund „Daisy“, wobei dieser wohl größere Überlebenschancen bei Ivettes Mutter hat – zumindest ihr zufolge. Sie leben seit 18 Jahren in einer unabhängigen Abhängigkeit voneinander, wobei Frau Löcker ihren Ex-Partner bemuttert und Herr Löcker seine Ex-Partnerin auf Trab hält. Ivettes Mutter spricht davon, nie allein zu sein, im Guten, wie im schlechten Sinn. Ob es die Angst ist allein zu sein oder emotionale Abhängigkeit ist, dass die beiden davon abhält sich voneinander scheiden zu lassen, sei dahingestellt.

Für den Großteil der Zuschauenden ist diese Familie ein Wrack, andere sehen die eigenen Eltern auf der Leinwand. Der Film regt dazu an, eine Reflexion der eigenen Familie vorzunehmen und Gemeinsamkeit, sowie Unterschiede zu Familie Löcker zu erkennen. Die Regisseurin selbst empfindet das Zusammenleben ihrer Eltern als außergewöhnlich und als ein „komisches Arrangement“. Im Gespräch bei der Diagonale 2025 bestätigt sie das, indem sie einräumt, nicht von der Reichweite solcher Familienkonstellationen geahnt zu haben. Der Baumeister bringt die Geschichte der Eltern Löcker auf den Punkt: „Das Halbherzige ist das Schlimmste überhaupt … eine halbherzige Partnerschaft ist nichts …“ Werner und seine Frau haben sich auf ein Arrangement geeinigt, woran sie halbherzig Anteil nehmen. Mit dieser Lebensweise ist es offensichtlich nicht einfach, sich glücklich schätzen zu können. Beide sind dazu verdammt miteinander in einer Hass-Liebe zu bestehen. Diese Verbindung spiegelt sich im Hase-Hund-Motiv wider, das sich im Laufe des Films immer wieder aufrollt. Der Hase repräsentiert die Mutter der drei Schwestern und der Hund den Vater. Die Inszenierung der. Tiere, mit dem Hasen als Gejagter und dem Hund als Jäger, stellt die Konstellation zwischen Herrn und Frau Löcker dar. Mit einem Jump-Scare zeigt Ivette Löcker dem Publikum eine Szene, worin Daisy (der Hund der Löckers) beinahe einen Hasen erwischt, mit dem Gedanken an die Folgen, die kurz zuvor von ihrer Mutter berichtet wurden. In Minute 1:29:48 der Dokumentation ruht die Kamera auf einem seltenen Bild: Hund und Hase sind eingesperrt in Hasenkäfigen.

„Der Film soll anfangen wie Blue Velvet, das war von Beginn an klar.“ Darüber ist sich das Filmteam einig. Verschiedene Aufnahmen des Hauses und Gartens aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Löcker-Mama wässert ihren Garten und kurze Einstellungen des Alltags der Eltern werden gezeigt. Darauffolgend setzt das Gespräch zwischen Kamera und Eltern der drei Schwestern, die in gemeinsamer Verlegenheit und Unbehagen nebeneinander der Kamera gegenübersitzen, an. Ivette stellt als Figur aus dem Off verschiedene Fragen, die von beiden zu beantworten sind. In den ersten Minuten der Dokumentation über Familie Löcker werden die charakterlichen Eigenschaften von Mutter und Vater dem Publikum am Silber-Tablet serviert. Eine einfühlsame und zurückhaltende „Schwammerlsucherin“ trifft auf einen impulsiven und unverblümten „Realisten“. Auf die Frage, warum sich die beiden nie scheiden lassen haben, finden sie in der Gewöhnung aneinander und der gemeinsamen Vergangenheit eine gemeinsame Antwort.

Der Titel des Dokumentarfilms Was uns bindet ist nicht nur auf die elterliche Beziehung bezogen, sondern auch auf das frisch vererbte Bauernhaus, das die beiden Schwester Ivette und Simone an deren Kindheitsort zurückführt und daran wohl binden soll. Mit sich selbst in der Doppelrolle als Schauspielerin und Regisseurin, gibt sie nicht nur Einblicke in das Leben ihrer Familienmitglieder, sondern auch in das eigene. Die Beziehung zu ihrer Familie ist schwierig. Eine gewisse Szene im Film bestätigt diese Annahme: über Skype telefoniert sie mit ihrer Schwester Marlies und erzählt dieser unter Tränen von den Worten ihres Vaters. Er ist seit langer Zeit offen für eine neue romantische Beziehung und ist wohl unter anderem der Kinder zu Liebe bei deren Mutter geblieben. Ihrer jüngsten Schwester entlockt sie, dass deren Verbindung zu den Eltern mit Kind schwieriger geworden ist, aber für sich selbst war die Trennung der Eltern kein Leichtes. Nach vielen Streitgesprächen zwischen Herrn und Frau Löcker zieht die jüngste Schwester Marlies in den Keller, um dieser Zerrissenheit zu entkommen. „Manchmal muss man lachen, um nicht zu weinen.“ Die Mutter der drei Schwestern lebt wohl nach diesem Motto, vor allem, wenn sie Zeit mit Werner (Vater von Ivette, Simone und Marlies) verbringt. Ihr belächelndes Verhalten ihm gegenüber erinnert an den Versuch ihrem Gatten humoristisch entgegenzuwirken.

Die Entstehung des Projektes Was uns bindet (2017) fußt auf der Zustimmung und Teilnahme der Familie Löcker mit all ihren Mitgliedern. Ivette Löcker beschreibt im Gespräch bei der Diagonale 2025 die Reaktionen der einzelnen Angehörigen. Der Zustimmungswille passierte in Abstufungen, die mit dem extrovertierten Vater Werner Löcker beginnt. Laut Ivette war er sofort dabei, wohingegen ihre Mutter ihrer Überredenskünste unterworfen werden musste. Bei den beiden Schwestern spielte sich das Gespräch wohl ähnlich ab, da die mittlere der drei, Simone, das Projekt „nicht in Frage gestellt hat“. Wohingegen die jüngste Schwester Marlies nur einverstanden war, wenn sie über Skype teilhaben konnte. Letztendlich stand dem Dreh des Films nichts mehr im Weg. Der Kameramann, Frank Amann, folgte der Familie durch den Alltag, ob im salzburgischen Lungau oder dem Kindheitsort der Mutter in Slowenien namens Markovci, am Berg oder im Tal, die Kamera war immer dabei. Durch diese begleitende Rolle war es dem Team möglich unter anderem landschaftliche Aufnahmen zu ergattern, die immer wieder als Rahmenhandlungen zwischen Dialoge montiert wurden. Mittels Groß- und Nahaufnahmen wird der dokumentarische Charakter des Films deutlich und die Nähe zu den Charakteren reduziert. Essayistische Elemente im Film: subjektive Reflexion ihrer Familienmitglieder und des eigenen Erbes, sowie die Konfrontation mit der Vergangenheit. Löcker stellt hauptsächlich ihren Eltern philosophische Fragen und reflektiert dabei auf deren Sicht. Des Weiteren bringt der dokumentarische Filmstil eine gewisse Authentizität hervor, die durch die Charaktereigenschaften und intimen familiären Beziehungen untereinander schöpfen. Alle Emotionen der psychischen Weite werden vor laufender Kamera gezeigt. Nichts bleibt im Verborgenen. Löcker verwendet poetische Bilder und eine offene narrative Struktur, um die Komplexität ihrer Familiengeschichte zu erfassen. Dies ermöglicht dem Zuschauer, eigene Interpretationen zu entwickeln.