Zaho Zay

AT/FR/MG 2020
Farbe, 79 min., frOmeU

Regie: Georg Tiller, Maéva Ranaïvojaona
Buch: Georg Tiller, Maéva Ranaïvojaona, Raharimanana

Produzent*innen: Georg Tiller, Thomas Lambert, Maéva Ranaïvojaona
Produktion: Subobscura Films
Koproduktion: Tomsa Films (FR) Katrafay Films (MG)

Diagonale Schwerpunkt: Wettbewerb Dokumentarfilm

Spurensuche in Madagaskar

Esther Kreiner

Im Rahmen der Diagonale 2021 wurde der poetische Essayfilm „Zaho Zay“ von Maeva Ranaivojaona und Georg Tiller gezeigt. Die Regisseurin begab sich für diesen Film auf eine Spurensuche nach ihren eigenen Wurzeln. Aufgewachsen in Frankreich als Tochter eines Madagassen, beschäftigt sie sich in diesem Film mit Lebensmöglichkeiten, die sie in Madagaskar erwartet hätten, wäre sie dort groß geworden. Sie verweist dabei ganz klar auf die Perspektivlosigkeit der dortigen Gesellschaft, die viele in die Kriminalität treibt. Madagaskar gilt bis heute als eines der ärmsten Länder der Welt. Das von 1896 bis 1960 von Frankreich kolonialisierte Land erholte sich nur schwer von der einstigen Unterdrückung und Ausbeutung und kämpft bis heute mit Misswirtschaft und einer ungeeigneten politischen Vertretung.

Im Zentrum des Films steht eine junge madagassische Frau, die als Gefängniswärterin arbeitet und bei jeder Ankunft neuer Häftlinge versucht, ihren kriminellen Vater unter ihnen ausfindig zu machen. Es handelt sich also um ein Vater-Tochter-Drama mit starken dokumentarischen Zügen. Per Voice-Over begleitet uns die Stimme der Tochter, der Erzählerin, den gesamten Film über und spricht in poetischer Weise zu uns über ihre Vorstellungen, Sehnsüchte und auch ihre Wut auf ihren Vater und das Land Madagaskar. Geschrieben wurde der gesprochene Text von einem bekannten madagassischen Poeten, Jean-Luc Raharimanana, der sich selbst mit der Lebensrealität der Hauptfigur identifizieren kann. Die Vaterfigur – verkörpert vom Onkel der Regisseurin – wird dabei als wandelnder Mythos inszeniert, der mit drei über Leben oder Tod entscheidenden Würfeln umherzieht.

Des Weiteren gewährt der Film authentische Einblicke in das Leben auf Madagaskar. Staunend bewundern wir madagassische Naturspektakel wie die riesigen Affenbrotbäume (Baobabbäume) und einen endlosen Wasserfall, der sich durch eine Felsschlucht zieht. Weitere Eindrücke vermittelt der Film auf dokumentarische Weise in den Szenen im Bergdorf, bei den Seidenweberinnen oder bei der Katrafay-Öl Gewinnung. Besonders die Szene der belebten und aufgeweckten Begräbniszeremonie mit Tanz und Musik lässt einen unsere westlichen, distanzierten Umgangsformen in Frage stellen.

Der Hauptschauplatz des Films ist jedoch das Gefängnis, zum Großteil ein madagassisches Vorzeigegefängnis für Männer, mit kurzem Exkurs in den von Frauen belegten Teil. Wir beobachten die dortigen routinierten Abläufe wie die Aufzählung der Gefangenen mit den titelgebenden „Zaho Zay“ („Das bin ich“) Rufen zur Bestätigung ihrer Anwesenheit. Außerdem werden die Essensausgabe und die primitive Kopfrasur mit Rasierklinge gezeigt. Es stellt sich die Frage, ob es dort tatsächlich so friedlich zu geht. Fragwürdig scheint auch der Moment als im Frauentrakt bei der abendlichen Routine Kinder zu sehen sind. Wo kommen sie her? Wurden sie dort geboren? Wie wachsen sie dort auf?

„Zaho Zay“ gelingt es durch seinen persönlichen und intimen Zugang, Madagaskar dem Publikum näher zu bringen und trotzdem stetig Fragen aufzuwerfen. Es bleibt offen, inwiefern wir Europäer mit dem Leid der Madagassen in Verbindung stehen.