Jugendlicher Schrei nach queerer Freiheit in „We The Animals”

Review by Joru

We the Animals, by Jeremiah Zagar, United States 2018

We the Animals ist ein US-Amerikanischer coming-of-age Film der 2018 den NEXT Innovator Award des Sundance Film Festival gewann. Die Geschichte basiert auf Justin Torres gleichnamigen autobiographischen Roman, der 2011 veröffentlicht worden ist. [1] Die Verfilmung versucht Andersartigkeit parallel auf mehreren queeren Ebenen filmisch zu verhandeln. Aspekte wie familiärer Zusammenhalt, Misshandlung, Geschlecht, Rassialisierung, sowie Klassierung werden bewusst in der Geschichte zusammengebracht und der Lebensvorstellung des „American Dream“ gegenübergestellt.

Bereits der Titel verweist auf ein spielerisches Gefühl der Verbundenheit, welches im ungezähmten Kollektiv der drei Brüder Joel, Manny und Jonah lokalisiert werden kann. Die instabile Beziehung der Eltern, in der die Lebenssituation der Kinder eingebettet ist, hebt ihren treuen brüderlichen Zusammenhalt hervor. Dieser wird besonders in der Szene, in der die Brüder, unter einer über die Köpfe gehaltenen Decke, die Wörter „body heat“ gemeinsam rhythmisch wiederholen, deutlich. Die unmittelbar nahen jugendlichen Körper werden in den Mittelpunkt des Films gerückt und als Einheit gegenüber den äußeren Einflüssen der unberechenbaren Wildnis und der Erwachsenenwelt gestellt.

Das zuerst etablierte Kollektivitätsgefühl wird zunehmend durch Jonahs unkonventionelle Handlungsweise unterminiert. Er reagiert ruhig und gelassen auf die Aggressoren in seiner Umwelt und wendet sich in queerer Weise gegen die vorgelebte toxische Maskulinität des Vaters und der imitierenden Brüder. Ein stabiles Gefühl von Geborgenheit findet Jonah weder bei seinen Brüdern, noch in der prekären Beziehung zu seinen Eltern. Deshalb sucht er diese außerhalb der Familie und trifft dabei auf die ersten Anzeichen seines eigenen sexuellen Bewusstseins. Die fremden Eindrücke hält Jonah in Form von Zeichnungen in einem geheimen Tagebuch fest.

Die farbkräftigen Wachsmalbilder zeigen auf metaphorische Weise, die kindlichen Gefühle von Enttäuschung und Unverständnis. Sie ergänzen nicht stattfindenden Dialog und heben den filmischen Diskurs über das Heranwachsen in bescheidenen Verhältnissen auf eine Ebene, die ein intensiveres Wahrnehmen möglich macht.

Der Film liefert einen nachvollziehbaren Eindruck von den Problemen der Opfer des Kapitalismus, von jenen die versuchen den Sog der Armut zu entkommen und auf ein besseres, sorgenfreieres Leben hoffen. Er offenbart eine kritische Perspektive auf die Vorstellung des individuellen finanziellen Aufschwungs und zeigt wie die Nachkommen mit Begleiterscheinungen des Existenzkampfs der Erwachsenen fertigwerden müssen.

[1] Justin Torres, Wir Tiere, München: Dt. Verl.-Anst. 2013 (Orig.: We the Animals, 2011).

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