Die Last auf dem Rücken und der Boden unter den Füßen

Review by Joru

The Ground Beneath My Feet (Der Boden unter den Füßen),
by Marie Kreutzer, Austria 2019

Lola (Valerie Pachner) befindet sich metaphorisch auf einer Gradwanderung. Sie springt zwischen verschiedenen Orten und Welten hin und her, zwischen Wien und Rostock, Familie und Karriere, Schwester und Geliebte, zwischen Wahn und Wirklichkeit.

Der Film versucht ein authentisches Bild von beruflichen Aufstieg und neoliberalen Konkurrenzkampf in Consultingfirmen herzustellen, um es anschließend aus verschiedenen Perspektiven zu problematisieren. So wird das berufliche Leben der Protagonistin mit den privaten Schwierigkeiten konfrontiert. Die exzessiven Höhenflüge und zweifelhaften Gepflogenheiten der Geschäftswelt werden der Fragilität der menschlichen Psyche gegenübergestellt und mit umstrittenen Aussagen wie, dass es sich bei Burnout doch bloß um eine Modeerscheinung handle, in Frage gestellt.

Das schnelle rastlose Leben von erfolgreichen neoliberalen Individuen wird mit der mentalen Instabilität von psychotischen Familienangehörigen kontrastiert und konterkariert. Auf diese Weise verweist der Film auf die realen Missstände in der vergänglichen Gesellschaft, denen man sich nicht entledigen kann und die unvermittelt hinter der nächsten Ecke lauern können.

So versäumt es der Film nicht auf patriarchale Strukturen sowie auf den inhärenten Sexismus in der Geschäftswelt aufmerksam zu machen und in erschreckend authentischer primitiver Form zu positionieren. Diese Szene sensibilisiert nicht nur gegenüber schlichtweg falschem zwischenmenschlichem Verhalten, sei es nun im öffentlichen Raum oder am Arbeitsplatz, sondern verweist auf die problematischen Erwartungen des „male gaze“ unter denen Frauen selbstüberwachend performen müssen, speziell wenn sie in einem männlich dominierten Kollegium agieren. [1]

Weiterhin vorherrschende strukturelle Missstände, im Bezug auf arbeitende Mütter in neoliberalen Konzernen, werden durch den Film aufgezeigt, als Lola, als Beraterin einer Firma mit ausschließlich weiblichen Angestellten, dem Firmenvorstand rät Mitarbeiterinnen abzubauen, da dies der einzige Weg sei, einer Insolvenz vorzubeugen.

Die Ausschnitte aus Lolas Leben sind auf zwei unterschiedliche Beziehungen ausgerichtet. Auf der einen Seite präsentiert der Film die familiäre Verbundenheit zu ihrer Schwester, deren Vernachlässigung, sie schwer belastet. Auf der anderen Seite steht die Liebesbeziehung zwischen Lola und Elise (Mavie Hörbiger), ihrer Vorgesetzten. Um Zweitere zu erhalten muss Lola weiterhin beste Leistungen in ihrer Arbeit erbringen. Aufbauender Druck von beiden Seiten lässt Lolas streng getrennte Welten aus den Fugen geraten, die Trennlinien scheinen zu verschwimmen und Probleme bahnen sich an.

The Ground Beneath My Feet behandelt aktuelle familiäre, gesundheitliche und geschäftliche Themen, bringt sie in ein Verhältnis und stellt sie offensichtlich in Frage. Dieser Diskurs wird in eine kurzweilige Erzählung mit gefühlvollen Höhepunkten verpackt.

[1] Vgl. Rosalind Gill, „Postfeministische Medienkultur. Elemente einer Sensibilität“, in: Gender & Medien-Reader, hrsg. v. Kathrin Peters/Andrea Seier, Zürich/Berlin: Diaphanes 2016, S. 548f.

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