„Except there is no such thing as a pregnant man.“

Review by Hedweiß Melchior

Seahorse, by Jeanie Finlay, United Kingdom 2019

Die Komplexität von Identität, die Vereinbarkeit von biologischem Geschlecht und persönlicher Zugehörigkeit, ist gegenwärtig immer mehr diskutiert, analysiert und erlangt zunehmend Akzeptanz und Bewusstsein in vielen Mitmenschen. Für Neueinsteiger in die Thematik kann es durchaus verwirrend sein, wenn Geschlechterbilder jahrhundertelanger Generationen aufgebrochen werden, besonders wenn es um die Verbindung zwischen Weiblichkeit, Maternität und Schwangerschaft geht. Mein bisheriges Selbstverständnis wurde durch Seahorse sehr ins Schwanken gebracht.

Es gibt keine offiziellen Zahlen, aber wohl hunderte andere Beispiele mit einer ähnlichen Geschichte. Keine Neuheit also, aber bisher in keinem vergleichbaren Maße dokumentiert: Filmemacherin Jeanie Finlay begleitet Freddy McConnell auf seiner Reise in die Vaterschaft. Als transgender Mann erscheint es ihm als pragmatische Entscheidung, seinen eigenen Uterus, seine Hardware zu nutzen, um dem Kinderwunsch nachzugehen.

Wir werden Zeugen seines Unwohlseins, während sein Körper sich in seine weiblichen Rundungen zurück transformiert, sobald er das Testosteron absetzt. Sein innerer Kampf gegen die Wiederkehrende Beklemmung, im falschen Körper zu stecken, die er eigentlich schon hinter sich gelassen hatte, dem er entkommen war und jetzt zurückkehren muss, um seinen Uterus wieder in einen fruchtbaren Zyklus zu bringen. Öffentlich nie in Frage gestellte Normen im Prozess einer Schwangerschaft verlieren plötzlich ihre Wahrhaftigkeit: Auf Frauen konnotierte Gesundheitsbögen, Umstandsmode. Und die Beklemmende Sicherheit, dass er auf Widerspruch in seiner Entscheidung stoßen wird. Die ständige Gewissheit und Erwartung, zurück gewiesen zu werden von Menschen in seinem unmittelbaren Umfeld.

Während sein Körper sich transformiert und schließlich auch sein Bauch wächst, steht für ihn nicht die Schwangerschaft selbst als momentanes Erlebnis im Vordergrund. Was ihm primär zu schaffen macht, ist sein Körpergefühl im Konflikt mit deiner Identität. Er beschreibt es als einen fundamentalen Verlust seines Selbst.

Über zwei Jahre wird Freddy McConnell von Jeanie Finlay begleitet, meist ohne Filmteam, nur sie selbst mit ihrer Kamera. Die Leichtigkeit und Natürlichkeit des Dokumentationsfilms verdanken wir ihrer Kunst, Freddys Aura und die Atmosphäre seiner Gegenwart mit für sich sprechenden Bildern und vielen Interviews in Zweisamkeit einzufangen. McConnell ist der Protagonist seiner Geschichte und teilt seine intimsten Momente, Gefühle, öffnet sein Inneres und durch Finlays sanfte Begleitung auf seiner paternalen Reise, wird das Publikum des Films in diesen sehr persönlichen Raum eingesogen und Teil dieses Erlebnisses.

Was bedeutet es, ein Kind zu gebären? Worin unterscheiden sich maternale und paternale Aufgaben? Grenzen zwischen Mutterschaft und Vaterschaft verschwimmen komplett, wenn man Freddys Selbstverständnis in seiner Rolle als Vater erlebt. Ein Film der anstößt, verwirrt und verwundert auf eine sanfte, sehnsuchtsvolle Weise, die uns die Natürlichkeit seines Weges nahebringt.

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