Review by Stella Jarisch
Provence, by Kato De Boeck, Belgium/France 2018
Im Rahmen ihres Abschlusses an der RITCS Filmschule in Brüssel verfilmt Kato De Boeck ein autobiografisches Erlebnis das sie mit ihrem Bruder teilt. Ihr gelingt mit dem Coming of Age Kurzfilm „Provence“ ein warmherziges Angebot für Akzeptanz. Sie zeigt wie es sein könnte, ohne zu implizieren wie es sein sollte.
Wir begleiten eine belgische Familie, aus Perspektive der elfjährigen Camille, auf ihrem Sommerurlaub in der Provence. Bis auf ein Paar Sandalen oder Hände sieht mensch von den Erwachsenen kaum etwas, die drei Geschwister gestalten ihren Tagesablauf selbstständig. Es herrscht Aufbruchsstimmung, der Sommer neigt sich dem Ende zu, doch das Trio versucht noch das Meiste aus der verbleibenden Zeit herauszuholen. Sonne tanken, raufen und im Pool spielen. Alles untermalt mit dem nie endenden Zirpen der Zikaden. Als sich zwei Mädchen am Beckenrand niederlassen um Sonne zu tanken, ändert sich die Stimmung. Auf die Aufforderung Camilles, übrigens hervorragend von Liame De Paep verkörpert, ins Pool zu kommen gehen sie nicht ein. Von da an stehen sie unter ständiger Beobachtung des Mädchens. Fasziniert verfolgt sie jede Bewegung, die Art wie sie ihre Haare schwingen und sich eincremen. Wir sehen ein Mädchen das scheinbar zum ersten Mal mit weiblichen* Teenagern konfrontiert ist. Als Tuur, Camilles älterer Bruder, beginnt mehr Zeit mit den zwei Niederländerinnen zu verbringen, stößt er bei seiner Schwester auf Unverständnis. Sie ist eifersüchtig. Zuerst wirkt es als hätte sie sich in eines der Mädchen verliebt. Bald wird jedoch klar, dass ihr die mangelnde Aufmerksamkeit ihres Bruders zu Schaffen macht. Meine Hoffnung auf eine lesbische Coming of Age Story wird zerschlagen. De Boeck macht es jedoch wieder gut indem sie es schafft, Camille als unterstützende Schwester in den Mittelpunkt zu stellen. Denn nicht für Camille, sondern Tuur markiert dieser Sommer einen Wendepunkt. Als sie die letzte Nacht zu zweit wach im Zelt liegen erzählt er ihr von seinem Schwarm Alexander. Das gemeinsame Geheimnis bringt die beiden wieder näher zusammen.
Betrachtet mensch die Repräsentation von Frauen* in den ausgewählten Filmen des Mezipatra Festivals, schneidet dieses nicht viel besser ab als der Mainstream. In den neun Filmen, die ich mir am Mezipatra angeschaut habe, ist „Provence“ einer von drei Filmen in denen Frauen* eine tragende Rolle zugeschrieben wird. Zwischen 2007 und 2016 untersuchte die Annenberg Foundation neunhundert Filme auf Diversität im Cast. Nur 34% wiesen einen Lead oder Co-Lead vor. Elizabeth Prommer und Chrisitine Linke kamen bei ihrer Untersuchung des deutschen Fernsehens auf ähnliche Ergebnisse: betrachtet mensch alle Programme, kommt auf zwei männliche Darsteller nur eine weibliche Darstellerin. [1]
In den letzen Jahren hat sich zwar einiges getan, ausreichend vertreten sind Frauen* und POC jedoch noch lange nicht. Kato De Boeck bietet in ihrem Film „Provence“ immerhin einem jungen unbändigen Mädchen eine Projektionsfläche und somit den Raum sich in ihrer Akzeptanz zu beweisen. Mich hat der Film mit einem Lächeln und der Erinnerung an mein kindlich wildes Ich zurückgelassen.
[1] Spanbauer, Vanessa/Theißl, Brigitte, „Goldene Zeiten“, in: An.schläge 2019, VIII, S. 15.