Kinodispositiv des Mezipatra Filmfestivals. Das kollektive Schauen der Filme am sozialen Filmfestival

Review by Kristína Kočevová

„Cinema is more social or collective than we tend to be aware of.” [1] Die Kinosituation an sich ist sehr gemeinschaftlich geprägt und trägt durch die Räumlichkeiten und das Publikum zum gesamten Kinoerlebnis bei. Obwohl natürlich die Hauptaufmerksamkeit auf dem gezeigten Film liegen sollte, ist dies nur einer der Aspekte des Kinos. Insofern schlägt Hanich vor, nicht nur die Beziehung zwischen Filmschauenden und Film zu analysieren, sondern eine Dreiecksbeziehung zwischen Filmschauenden, in dem Fall mir, dem Film und dem Rest des Publikums herzustellen. [2] Diese Drei-Teilung möchte ich im nächsten Schritt auf meine Erlebnisse, vom Mezipatra Queer Film Festival, beziehen. Das diesjährige Motto lautet „Wind of Change.“

Durch diese Worte, welche von Offenheit gegenüber Neuem sprechen, sollen die Filme und somit auch das, damit verbundene, Filme Schauen begleitet werden. Dieses Aufbrechen der alten Grenzen, welches auch den Queeren Begriff prägt, möchte ich anhand der Annäherung an das Kinodispositiv, mit dem Festival in Verbindung bringen. Für mich persönlich möchte ich diese Erfahrung reflektieren und konzeptualisieren, um effizientere Erkenntnisse daraus ziehen zu können. Innerhalb von drei Tagen wurden insgesamt acht Filme, wovon vier Spielfilme (wobei ich aus Zeitgründen nur auf diese spezifisch eingehen werden) und vier Kurzfilme waren, in drei unterschiedlichen Räumlichkeiten, von mir betrachtet. Sich mit dieser Vielzahl von Informationen, in so einer kurzen Zeit, auseinander zu setzen bedeutet sich auch mit dem ins Kino Gehen vertraut zu machen. Somit auch mit den Räumlichkeiten und dem Publikum, welches in diesem Fall auch aus Kritiker/innen und Filmemacher/innen bestand. Schon beim Eingang der beiden Kinos und der Galerie wird das Publikum von lächelndem Personal begrüßt und über die darauffolgende Abstimmung aufgeklärt. Der erste Schritt in den Kinosaal wird also von einer Übergabe des Stimmzettels begleitet. Am Ende des Filmes sollte jeder Film anhand eines Schulnotensystems bewertet werden. Jedoch ist die Art der Filmbewertung, trotz dem Hinblick auf die Tatsache, dass es sich bei der Abstimmung um eine Preisverleihung handelt, mir persönlich zu kurz gegriffen. Einen Film zu bewerten bedeutet für mich viel mehr als mittels einer Schulnote, ohne weitere Begründung abzustimmen. Der fast leere Saal bei dem von mir als Erstes gesehenen Film, welcher den Namen Seahorse trägt, lies mich kurz an meiner Filmauswahl zweifeln. Der Dokumentarfilm zeigt einen Jungen Trans Mann, welcher sich entscheidet ein Kind auf die Welt zu bringen und die damit verbundenen Probleme. Der wenig besuchte Saal erwies sich gleich als positiv, als ich begriff, dass der Sound des Kinosaals sehr leise ist und der gezeigte junge Mann zudem einen starken englischen Akzent spricht. Insofern konnte in diesem Kontext die Stille als angenehm empfunden werden, wobei sie auch zur besseren Konzentration diente. In dieser Hinsicht hatte das Klatschen, am Ende des Filmes, welches ich als einen sehr respektvollen Akt gegenüber den Filmemacher/innen empfinde, in diesem Fall einen eher geringeren Effekt. Diese Behauptung kann nicht über den, als zweiten gesehenen Film, Ground Beneath My Feet getroffen werden. Denn das österreichische Drama, welches das Thema der psychischen Instabilität anspricht, wurde gut besucht. Trotz der vielen Menschen herrschte im Saal völlig angespannte Stille, welche durch wenige Lacher, welche mit einem kurzen, lauten Ausatmen verglichen werden können, unterbrochen worden ist. Das laute Klatschen am Ende des Filmes fühlte sich wie ein Aufwachen aus einem tranceartigen Zustand, welcher der Dramaturgie des Filmes zu verdanken ist, an. Im Hinblick auf diese beiden Filmerfahrungen, waren die Reaktionen des Publikums, stark mit dem Genre, beziehungsweise der Besucher/innen Zahl verbunden. Mein persönliches Erlebnis ist somit stark an diese Aspekte gebunden und schließt sich somit der allgemeinen Atmosphäre an. Das kann nicht über die weiteren zwei Filme behauptet werden. Bei dem Film, The End of the Century, welcher von der Zufälligkeit der Begegnungen und verschobenen Zeitlichkeit handelt, wurde eine Verbindung der deutschen Bevölkerung und dem Alt-Sein gemacht. Da ich diese Art der Verbindung nicht nachvollziehen konnte, aber gehört habe wie der Großteil des Publikums lacht, fiel mir die historisch und kulturell begrenzte Bedingtheit, dieses Witzes stark auf. Dass ich auf diesen Witz, bei welchem es sich offensichtlich um ein Klischee handelt, aufmerksam wurde, verdanke ich also dem Kino Dispositiv. [3] Bei dem letzten Film Soldiers Girl, welcher von der Beziehung eines amerikanischen Soldaten und einer Trans Frau handelte, trug die Stimmung des vollen und lauten Saales zu meiner eigenen sehr bei. Das Ende des Filmes, welches dieses Mal nicht durch Applaus begleitet war, spiegelte die Reaktion des Publikums, auf den Film wider. In Betracht dieser Tatsachen kann jeder einzelne Film und somit die gesamte Festivalerfahrung, durch die Reaktion des Publikums beschrieben werden. Das Motto des diesjährigen Mezipatra Festivals wurde somit in der Filmauswahl vertreten, es wurde nämlich eine Fülle an sehr verschiedenen Zugängen an das Queer Cinema vorgestellt, womit natürlich die Reaktion und die Stimmung des Publikums auch sehr variiert hat.

[1] Julian Hanich, The Audience Effect. On the Collective Cinema Experience, Edinburgh University Press 2018, S.17

[2] Ebd. , S. 7

[3] Ebd., S. 14

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