„There is no sex in Georgian dance“

Review by Lisa Detzel-Varouxis

And Then We Danced, by Levan Akin, Georgia/Sweden/France 2019

Im Geheimen gedreht, erzählt And Then We Danced die Liebesgeschichte zwischen Irakli und Merab, Tänzer des Nationalen Ensembles Georgien, ein Land in dem Homophobie wütet. Die Produktion sah wie sich sämtliche Türen von Choreographen schlossen, und wie das Ensemble, von dem der Film sich inspiriert, seine Unterstützung verweigerte. Die Geschichte zieht uns aus den üblichen heterosexuellen Romanzen, voll von Qual, Betrug und Rachegelüsten: hier lieben sich Merab und seine Tanzpartnerin Miriam mit einer komplizenhaften und zarten Freundschaft, und die Liebe zwischen Männern, ob leidenschaftlich oder brüderlich, noch immer so selten gezeigt, rückt in den Fokus der Handlung. Der Film ist aus Gefühlen wie Kristall gemacht, pur und ganz, außerhalb den von anderen LGBTQI+ Filmen eingefahrenen Bahnen. Die Handlung bricht keine Glasdecke, aber da der einzige georgische Pride Versuch (2016) von der Orthodoxen Kirche niedergeschlagen wurde,[1] ist es manchmal gut, daran zu erinnern, dass Fortschritt nicht überall lange Beine hat.Merab trainiert jeden Tag unter dem strengen Blick des Professors des Ensembles. Kellner bis spät in die Nacht, muss er jeden Morgen seinen Bruder aus einem bewusstlosen Schlaf wach schütteln. Das Glück und die Beharrlichkeit von Merab überraschen immer wieder, so sehr diese Freude, in dem harten Georgien blühend, ein Unkraut zu sein scheint. In den Hinterköpfen irrt die Sekundärgeschichte von Zaza umher, die mit einem Jungen erwischt und dafür in ein Kloster geschickt wurde. Merab tanzt, seit er laufen kann, entspricht aber den Erwartungen, die wie Steinmauern in den unerbittlichen Augen des Professors stehen, nicht. Er ist zarter als die anderen, seine Bewegungen sind weniger niedergeschlagen als diejenigen des neuen Wunderkinds Irakli, das aufrecht wie ein Baum und doch in eine charmante Nonchalance gewickelt ist. Das Casting für eine Ersttänzer Position nähert sich und es gibt keinen Platz für zwei. Unsere uninformierten Augen gegenüber der Situation des fast nicht mediatisierten Landes sehen sich die Karte eines nationalistischen Georgiens entfalten, Umkleideräume von Jungs, wo Pläne ins Bordell zu gehen und vulgäre Witze sich überlappen. „There is no sex in Georgian dance“, „no room for weakness“ erwidert der Tanzprofessor, und unter den heimlich geworfenen Blicken zwischen Merab und Irakli liegend, hören wir, dass es um sie geht, dass es für sie keinen Platz gibt.

And Then We Danced fängt die Romanze von zwei Körpern. Eine Goldkette rinnt Merabs Hals hinunter bis in das Wellental seiner Wirbelsäule. Sein nackter Rücken ist jede Nacht, wenn er schlafen geht, entblößt und von den orangen Lichtwellen, die von der Straße aus in sein Zimmer strahlen, durchflutet; Aura seiner menschlichen Wärme, die sich auf seinem Gesicht liest. An Marys Geburtstagsfest funkeln Merabs grüne Augen in einer neuen Sicherheit. Die Farben beben gegen eine Begehren brennende Palette: die in seinem Zimmer angetippte goldene Erle wird glühendes Feuer, die Leinwand schimmert. Die ungeschickte Suche nach dem anderen, wenn alle schlafen; sich an jedem Möbelstück in den Parkett entlang geworfenen Schattenschlitzen anstoßend, lässt universale Gefühle wieder aufleben. Das feine Filmkorn und die schrillen Farben lassen die Haut der beiden Männer schillern, zwischen den Bäumen des Waldes versteckt. Sie begegnen sich zuerst durch den Kampf, ihr eigenes Fleisch als Echos des schrecklich machistischen Landes, und finden endlich ihren Weg zu dem anderen: seine runden Schultern, seine Haut, bis zwischen seine Beine. Sie lieben sich mit ihrem ganzen Körper, von einem Dringlichkeitsgefühl zusammengedrängt. Das Verbot erhöht das Fieber, wir zittern vor ihrem Begehren und der Gefahr, die dieses verkörpert. Sie leben von unausgesprochenen Wörtern in einem unwillkürlichen Widerstand, von der Ehrlichkeit der Gefühle ausgelöst, so viele Widersprüche er nerventötend enthält, zwischen Liebe und Unterdrückung. Die Wahrheit, die sich geschickt versteckte, fängt uns in einer schwindelerregenden Geschwindigkeit ein, und kneift uns in den Arm. Während der Hochzeit des großen Bruders wirbelt die Braut ruhelos in ihrem langen weißen Kleid, von ihren begeisterten Gästen umkreist. „Adam is a man and Eve is a woman„. Alle berauschen sich, und weit entfernt von den vorherigen Szenen, die uns Merab von den Fingerspitzen anrühren ließ, kommt er uns jetzt winzig klein vor, verloren und isoliert inmitten breiter Aufnahmen, die ihn in der Aufregung ertränken. Liebe hat nicht immer Flügel, manche ersticken unterirdisch.

Der Bruder, die Ehre Merabs, der als „faggot“ beschimpft wurde, verteidigen gegangen, kehrt mit einem verletzen Gesicht zurück, und lässt sich einmal mehr neben dem jüngsten zusammensinken. Ihre beiden Gesichter, das eine blau von Schlägen, das zweite blass von einer traurigen Müdigkeit, sind Atemzüge voneinander entfernt. Der älteste reicht die Hand gegen Merabs Hals, nicht aber um ihn zu packen, sondern um ihn zu streicheln. Die Wichtigkeit dieser Szene, Hoffnungswelle, greift weit hinaus: es geht um einen Alliierten, von dem wir nie dachten, dass er Merab beistehen würde. Man reicht ihm eine Hand, aus dem was wie die Feindesfront aussieht. Eine Bresche öffnet sich.

Am Casting ist Merab ultimativ mit seinem Professor konfrontiert, der ihn im Namen Georgiens beurteilt. Merab sticht in sein übliches Tanzprogramm und landet auf seinem schon verstauchten Knöchel, der unter dem Verband rot wird. Unangreifbar macht er weiter. Der Direktor verlässt den Raum, der Professor brüllt ihm zu, aufzuhören. Von einem Stock drüber schaut Mary, zu Tränen berührt, auf Merab. Die Trommel ist mit ihm, und bläst sich von seinem Stolz, seiner Ehrlichkeit auf; es ist nicht der „Geist der Nation“ der tanzt, sondern Merab. Seine Goldkette, die sich nur im Geheimnis seines Zimmers und unter den Fingern von Irakli zeigte, fliegt aus seinem Kostüm heraus, grandioses coming-out. Um Zustimmung bittet er nicht mehr. Es ging nie darum, der beste Tänzer zu sein, sondern einen Schrei freizulassen, der seit Jahren in dem Hals steckt, ein Herzensschrei. Georgischer Tanz verweigert Schwäche, und Merab wird nicht nur diese Erwartung erfüllt haben, aber sie ruhelos überschreiten. Zu Ende katzbuckelt er, seine Tunika mit beiden Händen gehalten, das Kinn hochgehoben.

[1]  Allociné/Webedia, „Et puis nous danserons. Anecdotes, potins, actus, voire secrets inavouables autour de „Et puis nous danserons“ et de son tournage!“, Allociné, http://www.allocine.fr/film/fichefilm-273671/secrets-tournage/, 29.11.2019.

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