And Then We Danced: Der Kampf mit der Selbstverleugnung

Review by Alex Baur

And Then We Danced, by Levan Akin, Georgia/Sweden/France 2019

Levan Akin erzählt mit „And Then We Danced“ die Geschichte eines jungen Georgiers, der es in die Hauptbesetzung des Nationalballetts schaffen möchte und sich dabei in seinen größten Konkurrenten verliebt.

Der junge Tänzer Merab scheint in seiner Heimat einfach seinen Platz nicht finden zu können: Er trainiert zwar jeden Tag im georgischen Staatsballett und verdient sein Geld nachts nach dem Training in einem Restaurant, doch trotz seiner Routine wirkt er unsicher. Mit Merab hat der Regisseur Levan Akin einen Protagonisten entworfen, der hart für seine Zukunft und noch härter gegen sich selbst arbeitet: Denn in dem traditionell, von orthodoxen Kirchen geprägten Land gibt es keinen Raum für Merabs Homosexualität.

Und so ist es vor allem die innere Zerrissenheit des Protagonisten, die den Film in seiner ersten Halbzeit prägt: Levan Gelbakhiani, der in „And then We Danced“ seine erste große Rolle gelandet hat, spielt Merab als verbissenen Jugendlichen, der alles daran setzt, sich selbst zu verweigern. Dieses Scheinbild gerät allerdings in Wanken, als er seinen größten Tanz-Konkurrenten Irakli kennenlernt – und beginnt, Gefühle für ihn zu entwickeln.

Mit Irakli hat der schwedische Regisseur einen Charakter geschaffen, der perfekt als Gegenstück zu Merabs verkrampften Selbstverleugnung funktioniert: Immer wieder lockt er den jungen Tänzer aus der Reserve, nutzt die Risse in der Oberfläche, um an den „echten“ Merab zu gelangen. Dass Merab dabei langsam lernt, sich selbst zu akzeptieren, zeichnet der Film in seiner zweiten Halbzeit nicht nur durch die schauspielerische Leistung Gelbakhianis, sondern auch durch das Zusammenspiel beider Charaktere nachvollziehbar und gefühlvoll nach. Fast ist es so, als würde man sich als Zuschauer*in selbst wieder zum ersten Mal verlieben, und so fällt es nicht schwer, emotional mit Merab und Irakli mit zu fiebern.

Doch wo die verliebte Leichtigkeit der Protagonisten einlullt, hängt das Verbotene von Iraklis und Merabs Beziehung wie ein Damoklesschwert über den beiden. Dass Regisseur Akin damit kein überzeichnetes Bild der Gefahren eines queeren Lebens in Tiflis darstellt, machten die Reaktionen der Gesellschaft Georgiens bei der nationalen Premiere des 113-minüters deutlich: Nur in einigen ausgewählten Kinos lief der Film, die Polizei musste die Screenings schützen, da gewalttätige Demonstrant*innen gegen das öffentliche Vorführen des Films Stimmung machten. [1]

Mit diesem Wissen bekommt die Beziehung der beiden vielleicht genau wegen ihrer Nachfühlbarkeit einen bitteren Beigeschmack, der das Publikum womöglich noch länger beschäftigt. Dann auch, wenn man sich erstaunlich gut mit den Figuren und ihren Gefühlen identifizieren kann, wird hier eben doch eine Geschichte fernab der deutschen Realität erzählt.

Und so gelingt es Levan Akin, seinem Publikum ein Thema nahe zu bringen, an das es vielleicht sonst keinen müden Gedanken verschwendet hätte: Während man vor „And Then We Danced“ vermutlich keine Ahnung über georgischen Volkstanz und das Leben queerer Minderheiten im traditionell geprägten Land hatte, lässt einen Merabs Schicksal auch nach dem Abspann einfach nicht los.

[1] „27 Festnahmen bei Protesten gegen Ballettfilm“, Zeit Online, https://www.zeit.de/kultur/film/2019-11/georgien-and-then-we-danced-film-proteste-homophobie 10.11.2019, Zugriff: 28.11.2019.

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