Frei Tanzen.

Review by Dorina Klose

And Then We Danced, by Levan Akin, Georgia/Sweden/France 2019

Mit And Then We Danced bringt der schwedische Regisseur und Drehbuchautor Levan Akin eine bewegende Geschichte von Selbstbehauptung auf internationale Leinwände. Ein junger Tänzer sieht sich mit der konservativ formalisierten Gesinnung seines Heimatlandes konfrontiert, als für ihn seine sexuelle Anziehung zu einem anderen Tänzer spürbar wird.
Der in Tbilisi (der Hauptstadt Georgiens) situierte queere Film prämierte im Mai diesen Jahres auf den internationalen Festspielen in Cannes und stieß seitdem auf einen enorm globalen Erfolg. In Georgien selbst jedoch spaltete sich die Rezeption der EinwohnerInnen.  

„Georgian dance is based on masculinity.“
„There is no room for weakness in Georgian dance.“[1]

Der traditionelle georgische Tanz zeigt sich als stark von Maskulinität geprägt und gibt eine klar zu erfüllende männliche Geschlechterrolle vor, in die der junge ambitionierte Tänzer Merab (Levan Gelbakhiani) einfach nicht hineinpasst. Bereits seit dem Kindesalter erlernt er im Georgian National Ensemble den traditionellen georgischen Tanz. Von seinem Lehrer wird er unablässig für seine zu soften Bewegungen kritisiert. Neben dem Perfektionsdruck seiner Tanzausbildung hat er weiterhin mit der finanziellen Unterstützung seiner Familie zu kämpfen. Als der temperamentvolle Irakli (Bachi Valishvili) zum Ensemble stößt, leitet sich für beide ein innerer Konflikt zwischen sexuellem Begehren und kulturell zu entsprechender Normen an.

Gelbakhiani (auch im echten Leben Tänzer) liefert, auch ohne bisherige schauspielerische Erfahrung, eine großartige Performance. Er schafft es, jeden Gedanken, jede Emotion, die in Merab vorgeht, so ungezwungen natürlich zu zeigen, dass man nicht anders kann, als emotional mit in das Geschehen hineingerissen zu werden. Auch Valishvili beeindruckt in seiner Rolle. Jede Szene der beiden ist unglaublich intensiv und herzerwärmend. Die Chemistry ist unschlagbar.
Neben der Beziehung der beiden Tänzer zeigt sich besonders die innere Entwicklung Merabs. Seine Figur vermittelt eine tiefgreifende Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung. Man erlebt emotional mit, wie er sich mehr und mehr von allen Einschränkungen zu befreien beginnt, wie er entscheidet sich selbst nicht mehr zurückzuhalten und seine innersten Gefühle nicht mehr herunterzuschlucken. In der finalen Tanzszene, die auch den Film in die end credits überleitet, findet diese innere Befreiung besonderen Ausdruck.

Der Film führt in eine Welt fern ab von der uns bekannten Westlichen. Eine Welt, die besonders im Mainstream-Kino nicht häufig gezeigt wird. Akin (der selbst georgische Wurzeln hat) zeigt die georgische Kultur und deren Traditionen sehr bedacht und liebevoll. Die Kamera führt in das häusliche Leben der Hauptfiguren, ihre Bilder vermitteln ein Gefühl von Heimat und familiärer Verbundenheit. Es wird vor Augen geführt welch eine bedeutende Rolle der Tanz in Georgien einnimmt und wie sehr sich verschiedenste Generationen mit diesem und über diesen mit ihrer Kultur identifizieren.

Darüber hinaus problematisiert Akin die auffallend heteronormativ bestimmten, über sowohl religiöse wie familiäre Werte festgeschriebenen Ansichten dieser Kultur. Eine, die sich vor jeglicher Abweichung von eben dieser Gesinnung grundlegend verschließt. Auch wenn Homosexualität in Georgien seit 2000 legal ist, wird sie besonders von nationalistischen Gruppierungen und der orthodoxen Kirche in großen Teilen des Landes weiterhin tabuisiert.[2]

2013 organisierte eine Gruppe von LGBTQ+ AktivistInnen die erste Pride in Tbilisi, die durch brutale Übergriffe einer aufgebrachten Menge unmittelbar gestoppt wurde.[3] Für Akin selbst markierte die Nachricht dieser Ausschreitungen den Auslöser für den Dreh dieses Filmes.[4]
Nachrichten der Vorfälle von den Abenden der Screenings Anfang November zeigen, dass auch wenn der polizeiliche Schutz gewalttätige Ausschreitungen unterbinden und die Fortsetzung der Vorführungen gewähren konnte, Homophobie in Georgien auch 6 Jahre später noch unveränderte Realität ist.[5]

Im Gespräch mit Regisseur und DarstellerInnen ergibt sich, dass der Folk Dance Choreographer zu seinem eigenen Schutz namentlich nicht erwähnt wurde.[6] In Interviews wird erläutert, dass die Storyline der Figur Zaza (ein junger Mann wird aufgrund seiner Homosexualität ins Kloster geschickt, mit der Hoffnung er würde dort „geheilt“ werden) auf den persönlichen Erfahrungen zahlreicher georgischer Jugendlicher basiert, mit denen Akin das Gespräch suchte.[7]

Auch wenn das Ende des Filmes den Gedanken ausspricht, dass es für die Hauptfigur Merab in Georgien (zumindest zu diesem Zeitpunkt) keine wirkliche Zukunft gibt, sollte er keinesfalls dazu anleiten, die georgische Kultur und deren Traditionen von Grund auf negativ zu konnotieren. Akin selbst gehe es wohl besonders darum auszudrücken, auf die eigene Kultur stolz zu sein, auch wenn von außen suggeriert wird, dass man in diese nicht hineinpasse und deshalb nicht dazugehören könne.[8]

Er schreibt: “I made this film with love and compassion. It is my love letter to Georgia and to my heritage. With this story I wanted to reclaim and redefine Georgian culture to include all not just some.” (Post auf Akins persönlichem Facebook Account, 07.11.2019)[9]

[1] And Then We Danced, R: Levan Akin, 2019.

[2] Interview mit Bachi Valishvili, 01.11.2019, Gartenbaukino Wien, Viennale 2019

[3] Vgl. Blech, Norbert, „Georgien: LGBT-Demo endet in Gewalt“ queer.de, https://www.queer.de/detail.php?article_id=19236, 27.06.2019, Zugriff am: 29.11.2019.

[4] Vgl. Q&A And Then We Danced avec Levan Akin, Levan Gelbakhiani & Bachi Valishvili, https://www.youtube.com/watch?v=bxL4rcQ67Ds, 17.05.2019, Zugriff am: 29.11.2019.

[5] Vgl. „Georgien: Ausschreitungen gegen queere Filmvorführung“, queer.de, https://www.queer.de/detail.php?article_id=34849, 08.11.2019, Zugriff am 29.11.2019.

[6] Vgl. Q&A And Then We Danced avec Levan Akin, Levan Gelbakhiani & Bachi Valishvili, https://www.youtube.com/watch?v=bxL4rcQ67Ds, 17.05.2019, Zugriff am: 29.11.2019.

[7] Vgl. Press Conference for the film „And Then We Danced“, https://www.youtube.com/watch?v=_O79EwcXLxc, 20.07.2019, Zugriff am: 29.11.2019.

[8] Vgl. Weisske, Cosima „Interview mit Regisseur Levan Akin. Wieso queere Filme für uns alle wichtig sind“, puls, https://www.br.de/puls/themen/popkultur/levan-akin-interview-queere-filme-100.html, 02.09.2019, Zugriff am: 28.11.2019.

[9] Vgl. Dalton, Ben, „And Then We Danced director responds to threat of protests in Georgia“, screendaily, https://www.screendaily.com/news/and-then-we-danced-director-responds-to-threat-of-protests-in-georgia/5144533.article, 08.11.2019, Zugriff am: 28.11.2019.

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