Fight for Love

Review by Paula Rehwald

And Then We Danced, by Levan Akin, Georgia/Sweden/France 2019

Offiziell ist Homosexualität im Jahr 2000 in Georgien legalisiert worden. [1] Doch die politische Realität des Landes ist eine andere: 2013 ist eine friedliche Demonstration zum Internationalen Tag gegen Homophobie gewaltsam von mehreren tausend GegendemonstrantInnen niedergeschlagen worden. Die Polizei konnte die LGBTQ-Community nicht schützen. Zu einflussreich ist die orthodoxe Kirche des Landes, die gegen jene hetzt, die von der deklarierten Norm der Heterosexualität abweichen. [2]

Dieser Vorfall war Anlass für den schwedischen Regisseur Levan Akin, der selbst georgische Wurzeln hat, einen Film zu machen. Man könnte erwarten, dass aus dieser Motivation heraus eine Kampferklärung entsteht – gegen die konservativen Kräfte des Landes, die in Homosexualität die Bedrohung ihrer christlichen Werte- und Moralvorstellungen sehen wollen. Stattdessen ist der Film eine Liebeserklärung an Georgien, seine Menschen und seine Kultur geworden. Ohne dabei die Homophobie des Landes zu verleugnen.

Mittelpunkt der Erzählung ist Merab (Levan Gelbakhiani). Er ist tief verwurzelt in die Traditionen Georgiens.  Er tanzt im nationalen Tanzensemble. Das tägliche Training ist sein Lebensmittelpunkt und eine Karriere als Tänzer sein Traum. Der Tanzausbildung, die Merab mit anderen jungen Männern und Frauen absolviert, fungiert als eine Art Mikrokosmos. In ihm bündeln sich Konservatismus, Homophobie und vermeintliche Vaterlandsliebe ebenso wie Gemeinschaft, Kultur und Tradition.

Merab bekommt die politische Dimension besonders deutlich zu spüren, nachdem ein Neuer im Tanzensemble aufgetaucht ist. Der junge Irakli weckt sein Verlangen. Zum ersten Mal macht Merab Erfahrungen des Hasses, der Ausgrenzung, aber viel deutlicher des Sich-Fremdfühlens, der Identitätskrise. Die Tanzschule als staatliche Institution zeigt nur zu deutlich die homophobe, rückwärtsgewandte Politik des Landes. Aufnahmen von reich gedeckten Tafeln visualisieren diesen Zwiespalt. Zum einen erkennen wir die Gastfreundschaft, die Gemeinschaft, die trotz der thematisierten Armut fortbesteht. Zum anderen drängt sich eine christliche Symbolik des letzten Abendmahls, des Verrates und der Schuld auf.

Levan Gelbakhianis Tanz und Schauspiel nehmen uns mit, sind körperlich und intensiv. Lassen uns die Spannung zwischen Tradition und Individualität nicht nur erkennen, sondern fühlen. Dann läuft plötzlich ABBA, später Techno. Immer wird getanzt. Levan Akin antwortet vor allem mit Liebe und vielen Momenten der Leichtigkeit auf eine gesellschaftliche Lage, die es der Choreographin oder dem Choreographen der traditionellen Tanzszenen zu gefährlich macht im Abspann eines schwulen georgischen Films namentlich genannt zu werden.

Und so verläuft auch die Premiere von „And Then We Danced“ in Georgien nicht ohne Widerstand, während der Film auf vielen Festivals international bereits gefeiert wird. Er premierte in fünf Kinos des Landes, die unter Polizeischutz standen. NationalistInnen protestierten gegen den Film. Alle Vorführungen in Georgien waren im Vorfeld ausverkauft gewesen.[3] Akins Film schreibt sich selbst in den Diskurs des Landes ein und wird Gegenstand des Kampfes gegen Homophobie. Es ist eine bedachte Kampfansage, die fragt: Kann es für Merab eine Zukunft in Georgien geben?

[1] Ottosson, Daniel, „State-sponsored Homophobia. A world survey of laws prohibiting same sex activity between consenting adults“, ILGA 2010, online: https://web.archive.org/web/20110726172836/http://old.ilga.org/Statehomophobia/ILGA_State_Sponsored_Homophobia_2010.pdf, zuletzt geöffnet 27.11.2019, S.44.

[2] Blech, Norbert, „Georgien: LGBT-Demo endet in Gewalt“, queer.de, https://www.queer.de/detail.php?article_id=19236 17.05.2013, zuletzt geöffnet 27.11.2019.

[3] S.n., „27 Festnahmen bei Protesten gegen Ballettfilm“, in: ZEIT ONLINE, https://www.zeit.de/kultur/film/2019-11/georgien-and-then-we-danced-film-proteste-homophobie (10.11.2019), zuletzt geöffnet 27.11.2019.

Return