And (then) we danced …

Review by Laura Peretzki

And Then We Danced, by Levan Akin, Georgia/Sweden/France 2019

Auch wenn die Lyrics nicht vom Film selber, sondern vom fast gleichnamigen Macklemore Song stammen, passen sie doch sehr gut zu der emotionalen Bandbreite meiner Reaktion auf den Film. „And Then We Danced“ begleitet den jungen georgischen Tänzer Merab an einem Wendepunkt in seinem Leben. Er tanzt schon seit dem zehnten Lebensjahr traditionellen georgischen Tanz. Er lebt mit seiner Großmutter, Mutter und Bruder auf engsten Raum. Doch das große Geld ist im georgischen Tanz nur bei einer großen Tanz-Company zu finden. Deshalb muss er zusätzlich noch in einem Restaurant arbeiten um seine Familie über Wasser zu halten. Sein Leben wirkt durchgetacktet, fast schon eintönig. Doch  seine Lebensstruktur wird durcheinander gebracht, als Irakli (Bachi Valishvili) auf der Bühne erscheint.

Über seine Charaktereinführung kann man nur schmunzeln. „Es gibt kein Sex im georgischen Tanz“, sagt der Tanz Trainer, der im Film als die patriarchale Instanz dargestellt wird. Auftritt Irakli! Wie ein direkter Widerspruch, kommt er selbstsicher durch die Tür.
Eigentlich müsste Merab ihn als Konkurrent sehen, da sie für die gleiche Position vortanzen wollen, doch es entwickelt sich eine tiefgehende Verbindung zwischen den beiden, die besonders in den Tanzszenen hervor blitzt. In dem Tanz können sie ihre Zuneigung zueinander endlich in einem öffentlichen Rahmen ausleben und müssen sich nicht draußen hinter einem Stein verstecken, wie es bei ihrer ersten sexuellen Begegnung.  

and we cried…

Diese Coming of Age Geschichte ist zwar nicht neu, doch der Kontext macht sie so interessant, und mich furchtbar traurig. In Georgien ist Homosexualität erst seit 2000 legal. Der Film löste bei seiner Premiere in Tiflis eine große Kontoverse aus. Es wurde eine große Gegendemo veranstaltet, bei der Menschen verhaftet und verletzt wurden. Der Hauptdarsteller (Levan Gelbakhiani) lehnte die Rolle fünfmal ab, erst nach Gesprächen mit Familie und Freunden, konnte er überzeugt werden die Rolle des Merab zu verkörpern. Manche Drehorte wurden kurzfristig abgesagt, als sie erfahren haben, worum es im Film geht. Der/die Choreograf*in wollte im Abspann anonym genannt werden aus Angst keine Jobs danach mehr zu bekommen. 

Umso mehr darüber berichtet wird, wird dem/der Zuschauer*in das politische Potenzial dieses Filmes bewusst. In dem Film geht es nicht per sé um eine Coming out Story, Merab scheint nicht an seiner Homosexualität zu zweifeln, sondern mehr um eine Wiederaneignung des Traditions- und Kulturbegriff. Denn Tradition und Kultur sind keine festen Gebilde, sondern immer in Bewegung und sich ständig am Weiterentwickeln.

Wenn georgischer Tanz auf Maskulinität basiert, wie im Trailer erwähnt wird, dass muss vielleicht ein neues Bild von Maskulinität her.
Wenn es kein Platz für Schwäche im georgischen Tanz gibt und Schwäche mit dem Stereotyp von Weiblichkeit assoziiert wird, muss ein neues Bild von Weiblichkeit her.
Wunderschön inszeniert der Regisseur (Levan Akin) das Aufbrechen dieser Gendernormen in der letzten Szene von dem Vortanzen von Merab. Auch wenn er blutet, lässt er es sich nicht nehmen, seinem Trainer und dem konservativen Rekrutierer einer großen Tanz-Company, seine eigene Interpretation des traditionellen georgischen Tanz darzubieten.
So selbstbewusst sieht man ihn sonst nur in einer anderen Tanzszene davor, in der Merab für Irakli tanzt und seine Gefühle endlich ausleben kann.

and we laughed…

Trotz des schweren Kontexts fühlt sich der Film größtenteils sehr leicht und zugänglich an. Wir schauen zu wie sich Merab das erste Mal verliebt und sich immer wieder ungeschickt anstellt. Es hat was sehr Komisches an sich, seine unbeholfenen Annäherungsversuche mitzuerleben und erinnert die Zuschauenden womöglich an deren erste Liebe. Es geht einem das Herz auf, wenn Merab in der Bahn nicht aufhören kann zu lächeln.

Auch die Lichtgebung ist sehr warmgehalten, es wurde viel mit orangem Licht gearbeitet, was den Bildern eine romantische Stimmung verleiht. Visuell erinnert der Film die Zuschauenden trotzdem immer wieder daran, dass die Beziehung zwischen Merab und Irakli vor allen Augen stattfindet. Ein wichtiges Gespräch von den beiden findet in einem Raum mit Glaswand statt, wo die ganze Hochzeitsgesellschaft hineinschauen kann. Wie auf dem Präsentierteller.

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