„Wenn der Wind weht“: Luft holen im Kunst Haus Wien!

Von Katia Steier und Katharina Steinbüchler

Luft ist eine der Grundbedingungen allen Lebens. Luft ist eine Konstante in unserem Wandeln durch die Welt, sie umgibt uns und ist unersetzbarer Teil unseres Lebensraums. Und: Luft ist unsichtbar! Die Ausstellung Wie der Wind weht im Kunst Haus Wien untersucht die vielschichtige Bedeutung der Luft in ihren unterschiedlichen Dimensionen. Der Umstand, dass sich Luft per se nicht fotografieren lässt, erweist sich dabei als höchst bereichernd.

Luft und Körper

Das sprechende Bild des österreichischen Künstlers Werner Reiterer befasst sich mit einer zutiefst körperlichen Dimension der Luft. Es geht um den Prozess des Atmens, und wie sich dieser performativ fassen lässt.

Werner Reiterer 2015. Ausstellungsansicht.

Der auf dem Bild zu lesende Imperativ startet eine Kommunikation mit den Betrachter*innen. Sie müssen nun eine Entscheidung treffen: Werden sie zu Akteurinnen und folgen der Aufforderung, oder widersetzen sie sich und verharren in der distanzierten Rolle des Betrachtens. Luft wird hier als fassbares Objekt begriffen und dadurch aufgewertet. Die Handlung des Atmens, die man sonst nicht wahrnimmt, wird so in einen bewussten Akt umgedeutet. Luft bekommt plötzlich eine andere Dimension, oder anders gesagt: Wir machen uns ein Bild von der Luft!

Auch für eine der elementarsten Formen der Kommunikation, das Sprechen, spielt die Luft eine zentrale Rolle, der die österreichisch-slowenische Künstlerin Ana Grilc in ihrer Arbeit W()ndp()()s()() nachspürt. Ihre Audioinstallation nähert sich dem Phänomen der Luft über den Weg der Poesie: ein Lied, ein Wortkonglomerat, ein Geräuschteppich, bestehend aus verschiedenen Worten und in verschiedenen Sprachen, wobei allerdings sämtliche Vokale gestrichen wurden.

Ana Grilc, W()ndp()()s()(), Ausstellungsansicht.

Die Auslassungen, die dadurch entstehen, lassen bei der Rezitation die Luft deutlich zum Vorschein kommen. Sprache ist in ihrer phonetischen Entstehung auf Luft angewiesen, was Grilc in ihrer Arbeit sichtbar, hörbar und erfahrbar macht.

Luft und Plastik

Plastik ist aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken und hat während der letzten Jahre wiederholt für negative Schlagzeilen gesorgt. Der Plastiksack ist einer der meistproduzierten Konsumartikel der Welt – gleichzeitig ist er Hauptakteur in Eduardo Leals Fotoserie Plastic Trees. Der portugiesische Fotograf lichtet Plastiksäcke ab, die sich in Dornbüschen oder Bäumen verfangen haben. Gefunden hat er seine Motive an äußerst entlegenen Orten, an denen man sonst eher unberührte Natur vermuten würde. Der Ausstellungstitel Wenn der Wind weht, liefert die Erklärung für dieses Phänomen, das der Fotograf visuell eindrucksvoll in großformatige Fotografien überführt, die eher an Stillleben als an eine Dokumentation zum Thema Umweltverschmutzung denken lassen.

Eduardo Leal, Plastic Trees (2014), Ausstellungsansicht.

Der Begleittext klärt darüber auf, dass sich die zu Mikroplastik zerfallenden Plastiksäcke so gut wie überall befinden: am Meeresgrund, auf dem Mount Everest oder auf den Hochebenen von Südost-Peru und West-Bolivien. Wenn Plastiksäcke sich nach langer Windreise in Büschen oder Bäumen verfangen, bedeutet das für Pflanzen und Tiere nicht selten den Tod. Es geht bei diesem Thema also um weit mehr als die visuelle Dimension, die hier sofort in den Blick springt. Eduardo Leal wählt für seine Fotografien einen sehr niedrigen Blickwinkel bei Sonnenuntergang, wodurch er den halb aufgelösten Plastiksäcken eine starke visuelle Wirkung verleiht. Die Säckchen, die sonst so leicht scheinen, so klein und flatterhaft, heften sich hier schwer und bedrohlich an Büsche und Bäume. Eduardo Leal zeigt uns einen traurigen Kampf mit ungewissem Ausgang.

Luft und Klima

Für die Videoinstallation Our Fetid Rank (2015) hat Emily Parsons-Lord mehrere Reden von Politiker*innen zum Klimawandel solcherart zusammengeschnitten, dass nur noch die Momente des Luftholens zu hören und sehen sind. Es ergibt sich eine absurde Choreographie, die im Ausstellungstext wie folgt beschrieben wird: „Atem holen, Atem schöpfen, einatmen, japsen, keuchen, hauchen, Luft bekommen, Luft einziehen, Luft holen, Luft kriegen, nach Luft schnappen, schnauben, schnaufen, Luft einsaugen, immerfort“. In dem rund zehnminütigen Video werden unter anderem Margaret Thatcher, Bill Clinton, Angela Merkel, Mark Rutte, Wladimir Putin, Barack Obama et al. gezeigt.

Emily Parson-Lord, Our Fetid Rank, 2015. Ausstellungsansicht.

Das Bild ist in drei Sektionen unterteilt, die einem unklaren Rhythmus folgend bespielt werden oder frei bleiben. Auch tauchen die Sprecher*innen auf unterschiedlichen Positionen auf, was deren Austauschbarkeit unterstreicht. Gleichzeitig verleiht diese Sprunghaftigkeit der Installation selbst ein Gefühl des Luftholens. Einatmen, Video wechseln, ausatmen. Es wird schnell klar, dass hier vor allem eines produziert wird: heiße Luft!
Die kurzweilige Arbeit hat einen ernsten Kern: Wenn all diesen Reden keine Aktionen folgen, wird es bald keine Möglichkeit mehr zum Luftholen geben!

Weiterlesen: Untitled von Nadim Vardag