Bildbesprechung: „Le Bambole“ von Sophie Krause

Von Melanie Hofstätter

Die Videoarbeit Le Bambole (Die Puppen) von Sophie Krause thematisiert auf beeindruckend schlichte Art und Weise unangenehme Facetten weiblicher Erfahrung. Eine starre Einstellung zeigt eine junge Frau vor einem weißen, an den Rändern ins Graue verlaufenden Hintergrund. Sie wird aus einer leicht aufsichtigen Perspektive gefilmt und blickt am linken Bildrand vorbei. Stoisch sagt sie in italienischer Sprache ihren Text auf, der in der Präsentation der Ausstellung Shoot & Think links neben der Leinwand auf einem kleinen Bildschirm in englischer Übersetzung mitläuft. Die junge Frau spricht von persönlichen, durchaus intimen Erfahrungen ihrer selbst und ihrer Großmutter; über den Platz der Frau in der Welt und ihr Verhältnis zu Männern, dem Patriarchat. Sie spricht schwere, unangenehme Themen an, die zwar ein typischer Teil weiblichen Erlebens sind, denen jedoch selten diskursiver Raum gegeben wird. Sie berichtet alles ohne emotionale Regungen, legt nüchtern ihre privaten Wahrheiten des Frau-Seins dar. Dabei bleibt unklar, ob es sich bei der jungen Frau um die Künstlerin selbst oder eine Schauspielerin handelt. Genau diese Unbestimmtheit, das Nachdenken über die Authentizität der Person und die gewitzte Inszenierung, erschaffen Distanz zum Publikum und bewahren die Künstlerin vor einem Abgleiten in die Opferrolle.

Sophie Krause, „Le Bambole“, 2021. Videostill

Die Inszenierung ist so minimalistisch wie möglich: Es handelt sich um einen von der Künstlerin selbst verfassten Text, dessen Erstversion in Folge nicht abgeändert wurde. Dasselbe gilt für das Video, das weder geschnitten noch in anderer Form bearbeitet wurde. Le Bambole zeichnet sich durch eine ganz eigene Rohheit aus, die das Publikum direkt und schonungslos mit den unzensierten Gedanken der Künstlerin konfrontiert. Für die Aussagen, die Krause treffen möchte, sind weder Schnitt noch Montage notwendig. Auch Wiederholungen und Fehler, die absichtlich im filmischen Text gelassen werden, unterstreichen diesen Ansatz. All diese Irritationen stehen in deutlichem Gegensatz zu kommerziellen Fernsehformaten und deren quotenschielender Inszenierungen fragiler Weiblichkeit. Sophie Krauses mutiges Video präsentiert eine Geschichte, die weit über ein Einzelschicksal hinausreicht. Nicht von ungefähr steht der Titel der Arbeit im Plural.

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