Rosa Binar
Austroschwarz bezeichnet sich selbst als ein essayistischer Dokumentarfilm über das Schwarz-Sein in Österreich. Mwita Mataro steht dabei als Protagonist, Buchautor und Regisseur im Mittelpunkt. Zur Seite als ebenfalls Co-Autor und Regisseur steht ihm Helmut Karner.
Mit einer Mischung aus dokumentarischen-, Tagebuch-/Vlog-, musikalischen-, animierten Comiczeichnungen und Spielfilmelementen sucht Mataro seinen Weg durch das verflochtene Thema Rassismus in Österreich. Jedes Erzählelement führt Diskussionen, Schwierigkeiten und Dilemma an und zeigt neue Aspekte von Rassismus in Österreich auf.
Ein herausstechendes Erzählelement des Filmes spielt sich in einem Studio-Set ab. In diesem befindet sich eine kleine bunte Welt aus Pappkarton und einige Requisiten. Mit denen sich Mataro und sechs Kinder auseinandersetzen. Mataro beginnt das Spiel, indem er die Kinder um die Hilfe bittet, seine Geschichte weiterzudenken. Als Spielfiguren dienen dafür angemalte Kartoffeln.
Obwohl das Setting zunächst simple erscheint, ergeben sich einigen Fragen zu seiner Symbolik. Mataro setzt den Startpunkt der Geschichte und lässt die Kinder dadurch ihre Fantasie in einem Rahmen begrenzt freien Lauf. Denn in dem sognannte „Greenland“ sind alle Kartoffeln grün, bis auf eine Familie „die Blues“. Diese passen sich der Gesellschaft an, indem sie sich jeden Morgen grün anmalen. Eines Tages vergisst jedoch „Blue Kid“ diesen Prozess. Daraufhin folgt eine ausgrenzende Erfahrung, die dazu führt, dass „Blue Kid“ das Anmalen hinterfragt und sich auf eine Reise begibt.
Der Prozess des Anmalens bietet Raum für Diskussionen. Es wird nicht klar, ob das Anmalen wörtlich gemeint ist. Können die Blues also ihre Äußerlichkeiten ändern, um das Andere an ihnen zu verbergen? Ist nicht gerade das eine große Belastung des Alltagsrassismus, die fehlende Möglichkeit, jemals angepasst genug zu sein. Da sich eine Hautfarbe gerade nicht ändern lässt.
Verbirgt sich in diesem hypothetischen Spiel vielleicht der Wunsch nach der Fähigkeit, selbst bestimmen zu können, wann sich dem alltäglichen Rassismus mit Haut und Haar gestellt und wann dem durch ein Anmalen entgangen werden kann.
Oder ist ein ganz anderes Anmalen gemeint? Ein kulturelles vielleicht. Das Gefühl, seine eigene kulturelle Prägung nicht nach außen tragen zu dürfen, da sie mit negativen Eigenschaften verbunden wird.
An dieser Stelle hätte der Film dem Publikum mehr Kontext liefern können. Gleichzeitig ist es denkbar, dass diese Irritation nur bei Zuschauenden entsteht, die selbst keine Rassismuserfahrungen gemacht haben. Der Film scheint hier bestimmte Vorerfahrungen anzusprechen, die mit dem symbolischen Bemalen des eigenen Körpers in Resonanz treten.
Auch wenn die Sequenz teils undeutlich ist, zeigt sie die tragische Genauigkeit, mit der die Kinder Strukturen dieser Welt fassen. Sie stellen heraus, dass die Blues ihre Farbe ändern müssen, um ihnen ihre Macht zunehmen. Sie betonen, dass das Anmalen zur Normalität gehört, während es diese schwierig macht. Die kindliche und doch unverfälschte Sicht lässt den Zuschauer benommen staunen.
Die Szenen zeigen einen wichtigen Einblick in die Wahrnehmungen von POC-Kindern auf Strukturen und Diskriminierung. Elemente der Kindergeschichten werden zudem in animierten Comic Sequenzen verarbeitet. Diese stellen neben ihrer liebevollen Gestaltung eine Art Verbindung zwischen den Wahrnehmungen der Kinder und Mataro’s Erzählungen dar.
Ein weiteres führendes Erzählelement des Filmes sind Mataros Tagebucheinträge in Form einzelner Vlogs. Diese sind von einem offenen und ehrlichen Mataro geprägt. Er bespricht mit dem Zuschauer die Dilemmata des Filmes. Wie das Gefühl, als Schwarzer Künstler nicht mehr darüber reden zu wollen, Schwarz zu sein und doch immer wieder das Gefühl zu haben, darüber reden zu müssen.
Schließlich meldet er sich in Videoform aus einer psychologischen Reha, in der er Abstand zum Thema des Filmes sucht. Doch auch hier wird er mit Alltagsrassismus konfrontiert. Der Film betont immer wieder die Unausweichlichkeit dieser Erfahrungen für POC in Österreich.
Die Vlogs verdeutlichen Mataro‘s engen persönlichen Bezug zu dem Film und seine Schwierigkeiten, Abstand zu dem Thema zu finden. Der fehlende Abstand ist eine Herausforderung, die Mataro selbst anspricht und die dem Zuschauer ebenfalls in anderen Elementen des Filmes deutlich wird. Denn Mataro ist in jeder Hinsicht eingebunden, so auch in den Expertengesprächen, die immer wieder in den Film integriert werden. In diesen treten verschiedenste Menschen ins Bild, die ihre Expertise über Rassismus teilen. Trotzdem und vielleicht dadurch, dass Mataro die Gespräche führt, entsteht dabei wenig Diskussion. Auch sie sind von Mataro’s Gedanken geprägt. Gleichzeitig zeigt der Film anschaulich die wichtigen Arbeiten von Menschen im Kampf gegen Rassismus in Österreich und bittet ihren Stimmen eine Bühne. Sie bringen verdrängte Themen wie die Geschichte Schwarzer Menschen in Österreich ans Licht, statt sie weiter dem Vergessen zu überlassen.
An eine Dokumentation kann der Anspruch der Objektivität gestellt und beanstanden werden, dass dieser hier nicht gegeben ist. Doch kann Austroschwarz nicht als klassischer Dokumentationsfilm gefasst werden, beinhaltet er doch viele persönliche essayistische Aspekte.
In dem Erzählelement Vlog wird klar, dass der Film nicht objektiv sein will und es somit nicht muss. Es wird offengelegt, dass es sich hierbei um subjektive Erfahrungen handelt. Gleichzeitig wird mit den Expertengesprächen und Kinderszenen auch eine Verbindung zur Allgemeingültigkeit gesucht. Hier spiegelt sich ein Element von Rassismus Erfahrungen, die einerseits strukturell und allgemeingültig sind und andererseits von vielen individuellen sozio-demografische Aspekten geprägt sind.
Um nun noch ein drittes Erzählelement von vielen des Filmes zu nennen, soll auf eine Szene mit Spielfilmcharakter eingegangen werden. In dieser steht Mataro auf einer Bühne und spricht emotional von seiner Frustration über die österreichische Gesellschaft und ihren Umgang mit Rassismus. Diese sehr emotionale Szene stellt einen Höhepunkt des Filmes dar. Sie wirkt befreiend und verzweifelt zugleich. All der Frust über den erlebten Rassismus bricht aus ihm heraus. Das sanfte Heranführen an das Thema endet. Die Wut über die Ignoranz vieler wird im Film vielleicht des aufklärerischen Willens wegen zuerst klein gehalten, aber schließlich nicht zurückgehalten. Das Spielfilmelement gibt dafür einen Rahmen, der die verzweifelte Kampfbereitschaft im Auftreten von Mataro auffängt.
Der Film Austroschwarz erzählt uns Mataro Geschichte in vielen verschiedenen Perspektiven. Diese übernehmen eigene Funktionen und eröffnen neue Blickwinkel auf ein verstricktes Thema. Dem Film gelingt es, viele wichtige Punkte von Rassismus in Österreich zu verdeutlichen und erfahrbar zu machen. Er öffnet einen Raum, der dem Zuschauer zum Weiterdenken anregt. Er legt offen, wie er selbst mit Schwierigkeiten kämpft, das Thema Rassismus in Österreich würdig zu inszenieren. Dadurch wird dem Zuschauer die Angst genommen, eigene Unverständlichkeiten zuzugeben und eine neue Offenheit und Diskurs kann entstehen.