Existentiell und kritisch – ASCHE ohne loderndes Feuer

Anja Linhart

Wie weit darf Kunst gehen und wer behält in dieser Frage die Oberhand – die Muse oder doch der Künstler? Was passiert, wenn dieses Verhältnis zu bröckeln beginnt und der Drang nach Selbstverwirklichung plötzlich über Allem steht? Es ist ein breites Spannungsfeld zwischen Privileg und Fetischisierung, Kritik und Selbstinszenierung, in das die österreichische Regisseurin Elena Wolff mit ihrem zweiten, queer-feministischen Langspielfilm Asche eintaucht.

Episodisch erzählt Asche von drei unterschiedlichen Paaren, die allesamt Teil der Linzer Kunstszene sind, und von einem Außenseiter, der nicht in diese poppig erstrahlende Welt hineinzupassen scheint. Simeon (Thomas Schubert) verkörpert das klassische Bild eines narzisstischen Alpha-Manns und ist außerdem Künstler. Seine deplatzierten Tattoos und fragwürdigen Outfits sowie seine Art und Weise sich in Szene zu setzen, unterstreichen die Überspitzung, von der Asche lebt. SIE (Elena Wolff), deren richtiger Name niemand wirklich kennt, steht in einer überaus körperlich-konzentrierten Beziehung zu Simeon, ist seine künstlerische Muse, seine Inspiration, seine Lulu. Als Model und eher semi-erfolgreiche Künstlerin steht sie in der Hierarchie unter ihm, und das gibt er ihr deutlich zu spüren. Dieser offenen und vor allem toxischen Beziehung stehen zwei weitere Paare gegenüber, die sich durch ihr monogames Leben und einer sinnlich-liebevollen Dynamik zumindest zu Beginn davon unterscheiden. Es ist vor allem der Drang nach Selbstverwirklichung, der krampfhafte Druck das eigene Ego zu pushen und konsequenzlos einen Berg aus Schutt und Asche zurückzulassen, der die verschiedenen Protagonist*innen vereint.

Wolff kreiert mit Asche eine durch und durch künstliche Welt, die bunt, schrill und laut ist. Eine solche Künstlichkeit spiegelt sich zum einen in den einzelnen Charakteren wieder, deren extravagante Kostüme und das mit Strasssteinen verzierte Make-Up stark an eine Ästhetik à la Euphoria erinnern. Mit Bibizas Worten „Ich spür nix, aber hab ein gutes Outfit“ wird auch auf der Tonebene nochmal auf die Statushaftigkeit des äußerlichen Erscheinungsbildes hingewiesen. Auf der anderen Seite heben vor allem aber die Farbgestaltung und das Framing noch einmal deutlich den Aspekt der Künstlichkeit hervor.

Es ist außerdem das klassische Bild einer privilegierten Wohlstandsgesellschaft, das Wolff in ihrem Film präsentiert – Leben im Überfluss, ohne jegliche Konsequenzen. Durch die Überspitzung seiner Charaktere und einer Menge Selbstironie versucht Asche eben dieses System zu kritisieren und nimmt Themen wie das Patriarchat, Genderstereotype und Klischees in den Blick. Auch Fragen nach der Figuration von Männlichkeit oder dem Wert von Kunst schwingen in der Story mit. Genau hierin liegt jedoch leider auch die Krux: Asche erzählt seine vermeintlichen Leitthemen nur mit, konzentriert sich inhaltlich vielmehr auf seine exzessiven Drogenrauschs und Szenen der Körperlichkeit. Die für den Film wichtigen, tieferreichenden Gespräche über Klasse oder patriarchale Strukturen werden, sobald sie begonnen wurden, im nächsten Augenblick auch schon wieder durch Szenen des Rauschs, des Exzesses oder körperlicher Lust überschattet. Hinzu kommt, dass die Absurdität einiger Szenen den Film etwas ziellos scheinen lässt und gleichzeitig eine Art Fetischisierung vorgenommen wird – Stichwort Nekrophilie (an dieser Stelle lässt es sich nicht vermeiden die schauspielerische Leistung von Selina Graf als Anna positiv hervorzuheben, die sich ihrer Rolle als Nekrophile mit einer regelrechten Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit nähert). Das Ende des Films lässt abschließend ein Fragezeichen zurück – man weiß dieses Vampir-Gelage nicht so recht einzuordnen, es fügt sich nicht wirklich dem Rest des Films. Wenn man privilegiert ist kann man tun und lassen, was man will, jemanden umbringen und sich dafür auf einer öffentlichen Kunstausstellung feiern lassen, ganz nach dem Motto: „kein Problem, das System steht hinter dir“. Mit diesem Eindruck entlässt Asche sein Publikum schließlich aus dem Kino. Die lautstarke Kritik an der Privilegiertheit, welche die Satire verspricht kommt leider zu kurz, wird überschattet von blutiger Perfomancekunst, Koks und Sex mit einer Leiche.