„Ohne Bon gehen wir nicht in den Salon!“

Sophia Mitterhofer

Valie Exports Film Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut ist eine grelle, satirische Auseinandersetzung mit den Mechanismen des Spätkapitalismus. Ursprünglich als Teil des Omnibusfilms Seven Women – Seven Sins entstanden, stellt der Film die Frage, wie sich moralische Konzepte in einer von Konsum und Werbung geprägten Gesellschaft neu definieren. In einer dystopischen Welt, in der der menschliche Körper zur Werbefläche wird, verschwimmen die Grenzen zwischen Erotik, Selbstoptimierung und Kapitalismus.

Die sieben Todsünden, die von den Sieben Filmemacherinnen in Seven Women – Seven Sins behandelt werden, sind: Stolz (Ulrike Öttinger), Völlerei (Helke Sander), Trägheit (Chantal Akerman), Geiz (Bette Gordon), Zorn (Maxi Cohen), Neid (Laurence Gavron) und Wollust/Unzucht (Valie Export). Diese Todsünden haben sich im Laufe der Zeit von ihrem ursprünglich christlichen Ursprung gelöst, indem sie in Malerei, Architektur und Literatur – wie etwa Dantes Divina Commedia – Eingang gefunden haben: Sie sind aus der Zeit gefallen und doch immer noch aktuell. Es stellt sich die Frage, wie sich ihre Bedeutung verändert hat. Was ist heute eine Todsünde?

In den 80er Jahren wird die neue Moral nicht mehr von der Religion, sondern von der Wirtschaft bestimmt: „Die Unzucht wechselt ihre Haut“, so Valie Export – hier Value Export.

Früher galt der Verkauf nackter Haut als unkeusch – als neue Obszönität sieht Value Export den (nackten) Körper als Werbefläche, als Markenträger. Nicht mehr die Religion diktiert, sondern die Ökonomie.

In der Bar, dem Schauplatz dieser dystopischen Kapitalismussatire, begegnen sich Susanne Widl („Nelly“) und Alfred Neugebauer. Eine Frau, die sich für Geld anfassen lässt, ein Mann, der Bodybuilder und Werbefläche zugleich ist. Nackte Haut oder mit Werbung bedeckt – was verkauft sich besser?

Nellys Figur erinnert stark an Valie Exports TAPP und TASTKINO, doch hier berührt man nicht blind durch eine Stoffwand hindurch, sondern erkauft sich gegen Gutscheine den direkten Zugang zum Körper: „POPO küssen“, „ACHSELN RIECHEN“.

Auf dem Hocker neben ihr an der Bar zieht eine Frau Rauch aus mehreren Zigarettenspitzen. Ein Politiker betritt die Bar mit einem Megaphon. Die Kellnerin bietet ‚Fortschritt‘ an, er schüttelt den Kopf, sie bietet ‚Korruption‘ an, ja, das nimmt er an. Aus ihren Achselhöhlen fliegen uns die Buchstaben entgegen.

Eine Symphonie der Vulgarität, ein dystopisches Spiegelbild in grellen Farben und schrillen Bildern. Was gestern Sünde war, ist heute Geschäft. Wer heute noch sein Getränk selbst bezahlt und lachend in die Höhe reckt, muss wissen, dass sie gratis Werbung macht. „Nur mehr dumme Menschen zahlen was sie trinken“, sagt Neugebauer. Seine Zunge hat die Farbe von Geld, bei jedem Händedruck klingelt es in der Kasse.

Aggressive grafische Animationseffekte fliegen einem wie Werbeslogans entgegen und wirbeln über die Oberflächen. Zoom-ins und Zoom-outs, verstärken die Künstlichkeit der Szenerie. Während die Stimmung an ein New-Wave-Musikvideo erinnert, ist die Musik eklektisch (Marylin Monroe, ein Jodler der Sängerknaben und Klaus Nomi). Die Kostüme von Perdita Chan, Ashley Hans Scheirl und Ursula Pürrer sind exzessiv, futuristisch, erinnern an Science Fiction oder Comicfiguren.

Dieser Kurzfilm lief beim Filmfestival Diagonale 2025 im Programm “Filmgeschichte Österreich – Eine Satire” vor Margareta Heinrichs Durch dick und dünn (1986), der sich ebenfalls – allerdings weniger satirisch-provokant, dafür einfühlsamer – mit normierten Frauenkörper und Selbstoptimierung auseinandersetzt. Im selben Programm waren auch Filme der beiden letztgenannten Kostümbildner*innen dieses Kurzfilms zu sehen: Ashley Hans Scheirl und Ursula Pürrer, bekannt vor allem durch Rote Ohren fetzen durch Asche (1991), einen Klassiker des deutschsprachigen New Queer Cinema der 90er Jahre.

Valie Exports Selbstoptimierungs-Liebesgeschichte in ihrem dystopischen Umfeld ist so plakativ-satirisch, dass sie wie pure Übertreibung wirkt. Betrachtet man jedoch den heutigen Zustand der Kosmetikindustrie, die auf der Abhängigkeit von Schönheitsidealen aufbaut, oder den Markenwahn, der im Influencer-Dasein gipfelt, so zeigen sich erschreckende Parallelen zur heutigen Konsumgesellschaft.

So intelligent sich die neuen anthropomorphen Werbeflächen auch fühlen mögen, stellt sich die Frage, wer denn am meisten davon profitiert. In einer Welt, die aus den Fugen gerät und unüberschaubar erscheint, ist der Weg zur Selbstoptimierung verführerisch kurz. Fitnessstudio, Kryptowährung, Investitionen, Produktivitätssteigerung, ein unpolitisches Refugium, das in seinem Ausmaß durchaus politisch wird.


[1] Pier Paolo Pasolini, „Linguistische Analyse eines Werbeslogans“, Freibeuterschriften. Die Zerstörung der

Kultur des Einzelnen durch die Konsumgesellschaft (Orig: Scritti corsari), Berlin: Wagenbach 20215, S. 28.