Sex, Drugs und die Kunst-Bubble – ASCHE

Janis Steinhöfler                                                                                                  

Filmstill Asche (Sixpackfilm)

R: Elena Wolff

At 2024

Sie sitzen hier in ASCHE – so beginnt die Anmoderation des neuen Spielfilms von Elena Wolff.1 Nicht nur saßen wir kollektiv in einem Kinosaal, in welchem, sobald das Licht ausgeht, der Film ASCHE gespielt werden würde, nein, wir saßen auch metaphorisch in Asche, so wie die Charaktere im Film.

In ihrem* neuen Film greift die Regisseurin* Elena Wolff auf selbstironische Weise die (Wiener) Kunstszene auf. Eine Künstlerin, die sich mit ihrer Kunst entfalten will, ein selbstverliebter pseudofeministischer Künstler, ein halb glückliches, halb unglückliches lesbisches Paar aus zwei Performerinnen und eine nekrophile Frau bilden hierbei die zentralen Figuren. Dabei verkörpert der Freund der Protagonistin vermutlich am besten, was man sich vorstellt, wenn man „Wiener Kunstszene“ hört. Er ist selbsternannter Feminist. Doch natürlich nicht nur, um die Beziehung zur Protagonistin, unter dem Deckmantel des „wir geben uns keinen patriarchalen Vorstellungen einer Beziehung hin“ auf seiner Seite offenzuhalten. Zudem ist er ein bekannter Fotograf, seine Lieblingsmotive natürlich kaum volljährige nackte Frauen.

Die Protagonistin sieht sich dabei in der Rolle der Muse gefangen. Sie hat weder einen Namen, noch wird sie für etwas anderes außer ihrer Rolle als Muse wahrgenommen. Ihr gegebener, künstlerischer Name „Lulu“ soll dabei die Verbindung zur Figur der Lolita unterstreichen. Dies wird auch auf einer symbolischen Ebene vermittelt, indem man unter anderem das Buch Lolita in der Wohnung der Protagonistin finden kann. Sie möchte aus dieser objektifizierenden Rolle ausbrechen. Sie möchte nicht länger ausgebeutet werden. Sie möchte selbst an die Macht. Macht, die sie am Ende auch nicht glücklich stellt. Denn sie bemerkt, dass auch das vermeintliche Umdrehen der Machtposition, nicht das eigentliche Problem beseitigt – der Geltungsdrang aller privilegierten pseudo-feministischen Künstler*innen und das gesamte System, welches sich dahinter versteckt. Alles ist schmutzig und verschmutzend wie Asche.

Auch die Optik des Films bezieht sich auf eben diese Kunstszene, welche die Regisseurin* damit überspitz darstellen möchte. Dabei erinnern Kostüm und Make-up an Drama-Serien wie Euphoria, die auf ähnliche Art die Selbstdarstellung der jüngeren Generation nachbilden. Viel Glitzer, bunte Farben, knappe Tops und lange, schrille – und vermutlich sehr teure – Nägel. Durch diesen Exzess wird aber nicht nur die vermeintliche Individualität der Charaktere ausgedrückt. Er zeigt uns zudem, ähnlich wie die großen Wohnungen mit Ausblick über ganz Wien, erneut, wie wohlhabend die Charaktere sind und unterstreicht ihre privilegierte Position.

Darüber hinaus entsteht durch Make-up und Kostüm im Zusammenhang mit der Musik eine Ebene der Künstlichkeit. Hört man Lieder, in welchen es um Drogenkonsum und coole Outfits geht, beschreiben diese das Geschehen im Film und heben dadurch eine gewisse Performativität hervor. Performer*innen und Künstler*innen, die Songs über Drogen hören, während sie selbst Drogen nehmen.

Doch diese Ebene wird nicht nur durch die Musik erzeugt, sondern auch von den Monologen und Dialogen unterstützt. Die Sprache befindet sich in einem konstanten Wechsel zwischen Aussagen, die aus Poetry-Slam Texten stammen könnten, und Unsicherheiten, die durch Wiederholungen und Füllwörter ausgedrückt werden.

Auch durch die Kamera wird eine solche Künstlichkeit konstruiert. Die Kamerafrau Nora Einwaller spielt dabei mit verschiedenen Perspektiven und verkanteten Aufnahmen. Dabei sticht vor allem die erste Szene ins Auge. Durch einen POV-Shot befindet sich die Zuschauerschaft in der Rolle der Protagonistin, die gerade von einem Ex-Liebhaber bedroht und angegriffen wird. Dies unterstreicht bereits das Thema der toxischen Männlichkeit und die Problematik von Hierarchien, welche zentrale Themen des Filmes sind. Im Gegensatz dazu, endet der Film mit einer Einstellung, in welcher wir auf die Protagonistin hinabblicken.

Durch die Selbstironie und selbstreflektierte Art der Regisseurin* und des gesamten Teams schafft es ASCHE somit auf eine künstlerische Weise, die Künstler*innen Szene zu kritisieren und die Oberflächlichkeit dieses Bereichs darzulegen.

  1. Elena Wolff benutzt die Pronomen they/them und im Deutschen sie*/ihr* ↩︎