Wolf and Dog

Eine Kurzkritik von Luca Kraemer zu Lobo e Cão (Cláudia Varejão, P 2022)

Die portugiesische Filmemacherin Cláudia Varejão hat in ihrem Film Wolf and Dog (Lobo e Cão) aus ihrem vollen Repertoire geschöpft. Die Film- und Fotografie studierte Regisseurin nutzt ihre (Menschen)Kenntnisse für eine bewegende Kinoerfahrung auf der auditiven und visuellen Ebene. Besonders an ihrem Film ist, dass die Filmemacherin mit Laienschauspieler*innen arbeitet. Sie lässt einen eintauchen in das Leben der Protagonist*innen indem sie nicht nur an der Oberfläche der Emotionen der Charaktere bleibt, sondern eintaucht in einen Ozean voller neuer Erfahrungen, Sichtweisen und Lebensgefühle.

Der auf den Azoren spielende Film setzt sich mit den Geschichten einer Generation auseinander, die keinen wirklich Platz auf der Insel zu finden scheinen. Geprägt von religiösen und traditionellen Verhältnissen probieren die jungen, teils queeren Menschen sich anzupassen. Bei allen scheint der Gedanke, die Insel zu verlassen, ein beständiges Thema. Varejão skizzierte die unterschiedlichen Charaktere, die alle mit ihrer Individualität als Symbolbild dieser Generation des Insellebens zu stehen scheinen. Die jungen Menschen, die Cláudia Varejãov porträtiert, haben eine Verbindung und Stärke, die trotz ihrer Angreifbarkeit kaum zu beschreiben ist. Diese Verbindung ist nicht nur gespielt, die Schauspielenden haben sich monatelang wöchentlich getroffen und sind zusammengewachsen. Die queere Gruppe wirkt so selbstsicher und offen, trotz ihrer täglich zunehmenden Hürden. Cláudia Varejãov erzeugt auf der visuellen Ebene eindringliche Bilder, die einem so nahe treten, dass man sie kaum vergessen kann. Die Atmosphäre lässt einen tief in die Welt der Protagonistinnen eintauchen.

Ebenso verfolgt einen die Audioebene, durch immer wiederkehrenden Walgeräusche. Der Ozean ist ein Leitmotiv des Films auf beiden Ebenen. Der Film beginnt auf einem Boot, mit der Auskunft, dass die Tradition auf den Azoren der Walfang war. Wale, die eine unerklärliche Migrationsform haben und unter anderem deswegen heute im Raum der Azoren unter Naturschutz stehen. Der Film endet auch wieder auf einem Boot, diesmal jedoch als Weg für die Protagonistin, ihr (Aus)weg von der Insel. Auch der Abspann lässt das Motiv nicht los. Die Farbe der Schrift verändert sich stetig in ozeanischen Farben, untermalt von Walgeräuschen. Es vermittelt den Zuschauenden das Gefühl vom Ozean, der Film will einen nicht loslassen. Das Leitmotiv des Ozeans und der Wale findet sich in der Protagonistin wieder – sowie allgemein in den jungen Bewohner*innen der Insel. Zwar wollen sie weiterhin ein Teil der religiös geprägten Kultur der Insel bleiben, gleichzeitig runter, weg von der Insel. Doch so groß das Fernweh auch ist, ist die Insel dennoch ihre Heimat. Es scheint ein Thema, dass fast die ganze jüngere Generation beschäftigt. Der Ausgleich zwischen sexuellen Erfahrungen und Selbst-Entdeckung in diesem Film ist eines der Leitmotive, die den unterschiedlichen Adoleszenzgeschichten ihre Individualität verleihen. Auch wenn dem Film teils etwas an Dialogen zur Erklärung mancher Situationen fehlt, findet der*die Zuschauende die Antwort häufig in den visuellen Motiven des Filmes.

Die Körper der queeren Darsteller*innen sind mit einer Bedachtheit und Zärtlichkeit skizziert, wie es selten in Filmen zu sehen ist. Man erkennt das Feingefühl der Filmemacherin, sie scheint genau zu wissen, wie sie welche Emotionen in den Amateurschauspieler*innen erwecken und mit der Kamera einfangen kann. Der Film nimmt einen mit auf eine emotionale Reise, welche berührt und kaum loslässt.