Una imagen interior

Regie: El Conde de Torrefiel, Halle G im MuseumsQuartier, 21. Mai 2022

Una imagen interior © Vacio estudio
Plastik, grelles Licht und Lärm – ein moderner (Alb-)Traum (A.H.)

 Nach La Plaza im Jahre 2018 ist das spanische Theaterkollektiv El Conde de Torrefiel mit Una Images Interior nun schon das zweite Mal zu Gast bei den Wiener Festwochen.

El Conde de Torrefiel – das sind die Regisseurin Tanya Beyeler und der Autor Pablo Gisbert – nehmen in ihrer neuen Inszenierung die Gesellschaft des 21. Jahrhundert kritisch ins Visier. Das wird einerseits durch die Verwendung von Plastik als vorherrschendes Material deutlich: riesige bunte Plastikplanen bilden den Hintergrund und bedecken den Boden der Bühne. So wirkt es, als wären die Performer*innen von Plastik geradezu umgeben. Anderseits wird es durch die Erzählung aus der Ich- Perspektive deutlich, die auf Deutsch und auf Englisch auf einen Screen oberhalb der Bühne projiziert wird und von philosophischen Themen wie Realität, Imagination, Fiktion, Tod, Zukunft und Vergangenheit handelt. Große Themen, die allerdings nicht viel mit dem Geschehen auf der Bühne zu tun haben.

Das Stück besteht aus verschiedenen Sketchen, die Szenen im Naturhistorischen Museum Wiens, Personen im Supermarkt beim Einkaufen und Homo Sapiens in einer Art moderner “Höhle” zeigen, sowie einer Szene, in der die Performer*innen gemeinsam ein Kunstwerk erschaffen. Das Ganze wird durch grelle Beleuchtung und ohrenbetäubende Musik untermalt. Der Text des Ich-Erzählers wird immer wieder durch eine schnelle Abfolge von Wörtern, die entweder die Personen oder Szene auf der Bühne beschreiben oder in Verbindung mit der Erzählung stehen, unterbrochen.

Das Bühnenbild ist äußerst minimalistisch. Zu Beginn ist eine große weiße Plane – natürlich aus Plastik – die mit Neonfarben bespritzt ist, zu sehen. Die grellen Farben des Bildes und der Plastikplanen werden durch das Licht verstärkt und schaffen ein schrilles Bühnenbild. Die Musik ist teilweise unangenehm laut und dröhnt in den Ohren. Diese Effekte schaffen eine unruhige und unbehagliche Atmosphäre. Es wird nicht gesprochen, lediglich Text projiziert. Die Performer*innen bewegen sich währenddessen in Zeitlupe. Hin und wieder interagieren sie miteinander, jedoch immer ohne Worte. Obwohl sie sich teilweise kennen, wortlos miteinander unterhalten oder sogar umarmen, kommt kein Gefühl der Wärme auf. Das Weglassen von Stimmen und Dialog, der Minimalismus, das viele Plastik, die laute, unangenehme Soundkulisse und das grelle Licht lassen das Bühnenbild kalt sowie ungemütlich wirken und erzielen so den Eindruck einer unnatürlichen und emotionslosen modernen Gesellschaft. Die Szenen wirken surreal, wie aus einem Traum oder einem Science-Fiction Film. Realität und Fiktion verschmelzen. In einer Szene wird das Publikum plötzlich mit einem Scheinwerfer geblendet, was diesen Effekt noch verstärkt, da sich die Zuschauer*innen nun nicht mehr auf ihre Sehkraft verlassen können. Statt den Darsteller*innen sehen sie für die nächsten Minuten bloß bunte Farbflecken auf der Bühne.

Durch die langsamen Bewegungen, den fehlenden Dialog und die unangenehme Licht- sowie Sounduntermalung wirkt das Stück sehr langatmig. Eins steht jedoch fest: wie man das Stück auch beurteilen mag, es bleibt auf jeden Fall eine ganze Weile im Gedächtnis.


Una Imagen Interior – Ein Abend, der nachwirkt (JayJay)

Beim Eingang zu diesem Stück im Museumsquartier hängte eine, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, berechtigte Warnung, dass während der Vorstellung Stroboskope eingesetzt werden und stellenweise „sehr laute Passagen“ vorkommen. Als jemand, der auf visuelle und auditive Reize empfindlich und schreckhaft reagiert, war ich sehr froh über diesen Hinweis. Glücklicherweise konnte man sich, so stand auf den A4-Blättern geschrieben, Ohrstöpsel an der Garderobe holen. Diese hatte ich demnach schon zu Beginn der Vorstellung in den Ohren. Insgesamt empfand ich den Level an sensorischen Reizen gerade noch als erträglich, merkte aber stellenweise, dass mein Puls plötzlich hochgeht und das Potenzial für eine Panikattacke da ist, sollten die schnell flackernden Lichter und die immer lauter werdenden Geräusche nicht durch eine ruhige Passage abgelöst werden. Das Stück war, was die sensorischen Reize angeht, definitiv intensiv und ist eventuell tatsächlich nicht für Menschen, die empfindlich auf Reizüberflutung reagieren, geeignet.
Aber nun zum Inhaltlichen.

Gesprochen wurde in dem Stück kein Wort. Worte wurden, wenn überhaupt, nur ganz leise eingespielt. Das Agieren der Akteur*innen bezog sich kaum auf die auf einem kleinen, rechteckigen Bildschirm gezeigte schriftliche Ebene bzw. man könnte die beiden Ebenen getrost einzeln konsumieren – also einerseits das von den Akteur*innen Präsentierte und andererseits die auf der Leinwand abgebildeten Inhalte. Die besagte Leinwand ist übrigens üblicherweise eine solche, die dazu gedacht ist, „Untertitel“ bzw. Übersetzungen für das Publikum anzuzeigen. In diesem Stück gab sie Konversationen, aber vor allem Gedanken und Eindrücke, wieder. Jene wurden aus der Ich-Perspektive dargeboten, allerdings war zu keinem Zeitpunkt ganz klar, wer genau von wo im Raum erzählt. Und eigentlich ist mir bis jetzt nicht klar, in welchem Zustand die erzählende Person gewesen sein soll. Anfangs wurde der Eindruck vermittelt, als wäre die Person in einem Museum und alle darauffolgenden Szenen und Gedankengänge ergaben sich als Reaktion auf das Betrachten eines steinzeitlichen Bildes. Doch gegen Ende ließ mich das Stück daran zweifeln, dass die beschreibende Instanz überhaupt noch lebt. Denn plötzlich begann sie zu beschreiben, wie sie von oben sieht, dass ihr Körper verbrannt wird und schließlich nichts mehr von ihr übrig bleibt. Mit dieser Grenze zwischen Realität und Traum wird in Una Imagen Interiorandauernd gespielt und eine klare Antwort wird zu keinem Zeitpunkt gegeben.

Einige Stellen im Stück wirkten durchaus befremdlich sowie unbegreiflich auf mich und ich wusste nicht, wie ich sie einordnen soll. So zum Beispiel die seltsamen, ca. 30-40cm hohen Kreaturen, die völlig unerwartet aus den Bühnenwänden hervorkrochen. Diese „Dinger“ bewegten sich langsam in verschiedene Richtungen fort und sahen aus meiner Perspektive in der vorletzten Reihe so aus, als wären sie ein Haufen langsam fahrendes Fleisch oder Organe. Lustigerweise bewegten sich auch die Akteur*innen im gleichen Tempo fort wie die „Dinger“. Überhaupt war das Tempo des Stücks durch das langsame Gehen der Akteur*innen bestimmt. Tatsächlich waren alle ihre Bewegungen wie durch eine Zeitlupe verlangsamt und erschienen dadurch auf mich beobachtbarer und intensiver bzw. so, als wäre die Intention dahinter gewesen, genau diesen alltäglichen Handlungen und Bewegungen Aufmerksamkeit zu schenken. 
Ich finde, das Stück hat uns vor allem ästhetisch einiges geboten. Es gab keine Handlung im engeren Sinn und auch keinen richtigen Spannungsbogen. Nur der Beginn und das Ende wurden zusammengehalten, nämlich durch das Zeigen eines großen Gemäldes, welches aus Farbspritzern und Farbklecksen bestand. In Erinnerung wird wird mir zwar auch das bühnenraumfüllende Gemälde zu Beginn bleiben, das unmerklich langsam Richtung Zuschauerraum bewegt wurde und mit seinen Neonfarben beeindruckte. Auch mit diesem Trick wurde anscheinend versucht, uns die Realität anzweifeln zu lassen, denn zunächst war ich mir nicht sicher, ob das Bild sich wirklich zu uns bewegt oder alles nur eine optische Illusion oder Einbildung ist. Nachdenken werde ich in den nächsten Tagen bestimmt auch über die interessanten philosophischen Gedankenschnipsel, die uns auf der kleinen Leinwand in schriftlicher Form präsentiert wurden. Dazu gehören die Überlegungen zur Unnatürlichkeit der geometrischen Formen Viereck und Quadrat. Dass diese in der Natur nicht vorkommen und stets menschengeschaffen sind, war mir davor nicht bewusst. Sowohl die Tatsache, dass wir durch quadratische Bauten einerseits eingeschränkt, aber andererseits auch beschützt werden, als auch die Tatsache, dass die meisten wichtigen Dokumente unserer Zeit viereckig sind, wird mir ab jetzt bestimmt öfter auffallen. Auch die Fragen danach, wodurch Realität definierbar ist und inwiefern sie sich von Visionen und Träumen unterscheidet, werden mir noch länger in Erinnerung bleiben. Denn vieles, das letztlich in das umgesetzt wurde, was wir als Realität begreifen, hat mit Träumen oder „Eingebungen“ begonnen, wie etwa diverse Theorien von Wissenschaftler*innen und Werke von Künstler*innen. Somit wird dem Surrealen, vermeintlich  Irrationalen, Traumhaften (etc.) viel Wert zugeschrieben, was ich schön finde und aus dem heutigen Alltag und den davon geprägten Menschen nicht gewohnt bin. Ich glaube, wir vergessen oft gerne, was in unserer Realität alles einmal „nur“ ein spontaner Gedanke, eine Vision, ein Traum, ein „Gehirngespinst“ war…

Una Imagen Interior ist für mich jedenfalls ein Stück, das nachwirkt. Auch wenn es im ersten Moment zum Verlassen des Saals animiert, weil es so schwer verdaulich und willkürlich wirkt, bin ich nun froh, nicht gegangen zu sein. Denn ich habe das Gefühl, dass mich das Stück noch Tage und vielleicht Wochen später zum Nachdenken anregen wird, selbst wenn ich gar nicht so recht weiß, was ich eigentlich gesehen habe.


Schwebende Realität (K.K.)

Warum gehen wir eigentlich immer davon aus, dass ein Theaterbesuch angenehm sein muss?

Die spanische Theatergruppe El Conde de Torrefiel beweist mit ihrem Stück das Gegenteil und überfordert ihr Publikum mit dröhnenden Klängen und blendenden Scheinwerfern. Tanya Beyeler und Pablo Gisbert sind bekannt dafür, das Publikum in das Zentrum eines Konflikts zu stellen oder direkt zum Zentrum zu machen. Man wird jedoch zuvor gewarnt – zumindest vor den lauten Tönen – und hat auch die Möglichkeit, sich Ohrstöpsel zu holen. Großzügig! Anschließend wird man auf eine unangenehme, 90-minütige Gedankenreise geschickt, wo man sich damit abfinden muss, dass die eigene Existenz zum Großteil Fiktion ist, und wenn man am Ende stirbt, sich auch nichts verändert. Das soll jedoch absolut nicht bedeuten, dass man am Ende nicht mit dem Gefühl rausgeht, dass man gerade eine großartige Produktion gesehen hat.

Das Thema Realität mag jetzt tatsächlich kein innovatives Konzept sein, um im Theater behandelt zu werden. Dennoch hat man so etwas wie Una Imagen Interior vorher noch nicht gesehen. Die Handlung startet im Naturhistorischen Museum in Wien, wo ein/eine Ich-Erzähler*in vor einer Höhlenmalerei steht, diese betrachtet und dabei in eine, heute würden wir es als Existenzkrise bezeichnen, fällt. Auf der Bühne sieht man jedoch keine Höhlenmalerei, vielmehr ein übergroßes, farbenfrohes Gemälde, das zunächst zur Interpretation einlädt. Nach und nach gesellen sich auch Museumsbesucher*innen auf die Bühne und die Vorstellung beginnt. Die Performance der Akteur*innen strahlt durch das Stück hindurch absolute Ruhe aus. Wer nach Emotionen sucht, sucht vergeblich. Die Choreographie besteht ausschließlich aus gemächlichen Bewegungen und minimaler Interaktion. Ein weiteres dominierendes Merkmal des Bühnenbildes ist Plastik. Der Boden und die Wände sind mit Plastik ausgelegt, Plastik dient als Leinwand und selbst die Performance beinhaltet Plastik. Plastik dominiert das Bühnenbild. Man könnte auch sagen, Plastik dominiert unsere Welt.

Es herrscht oft ein unmerkbarer Wechsel zwischen den Zeiten: Einmal befindet man sich im Supermarkt und im nächsten Moment vor dem Lagerfeuer, tausende Jahre vor unserer Zeit. Unterstützt und beeinflusst werden diese Szenen durch Texte, die immer wieder über ihren Köpfen erscheinen. Dabei merkt man, wie leicht ein Bild manipulierbar ist, wenn einige wenige Wörter die eigene Wahrnehmung komplett verändern können.

Es scheint eine simple Performance zu sein, ohne viel Spielraum für Interpretation zu lassen. Aber selbst mit vorgegebenen Texten und einer eindeutigen Richtung, gibt es dennoch immer die Möglichkeit, diese Gedanken weiterzuspinnen. „Denken ist auch nur eine Form der Ablenkung“. Und nach diesem Theaterbesuch, ist auf jeden Fall für genügend Ablenkung gesorgt, denn man wird definitiv noch lange Zeit über dieses Stück grübeln und versuchen, eine Message darin zu finden. Gibt es eine Message? Oder ist es einfach nur eine Möglichkeit, wie man über unser Sein philosophieren kann?


„Keine“ Nachtkritik (Roman Schneeberger)

Ich kann über Una imagen interior  von dem Künstler*innenduo El Conde de Torrefiel leider keine Nachtkritik schreiben, da es mir zu gut gefallen hat. Eine Kritik sollte, so ganz nebenbei und ohne zu viel zu spoilern, beschreiben, wie dem Publikum im Stück – ausgehend von einem während der vorangegangenen Vorstellung entstandenen Pollock-haften Action Painting – eine kürzlich entdeckte Höhlenmalerei imaginiert wird und es damit Ebene um Ebene den Realitätsbegriff in Frage stellt.

Ich kann das aber leider nicht so neutral bringen, weil sich bei mir so viele Türen aufgemacht haben: Angefangen bei Platons Höhlengleichnis über die reine Tatsache, dass es diese prähistorischen Kunstwerke gar nicht gibt, sie aber als ebenso real präsentiert werden wie die Venus von Willendorf und dem Publikum, ja sogar den Mitwirkenden, lange eine Unsicherheit hinsichtlich dieses Faktors bescherten, bis hin zu den philosophischen Ansätzen, die spätestens seit der Matrix-Filmreihe Teil der Popkultur sind – so viele Türen, dass ich das nicht nur einfach so lapidar erwähnen kann. Gespoilert ist damit auch schon ein erklecklicher Teil, und das war erst der Anfang!

Danach beginnt man zu verstehen, was Tanya Beyeler, eine Hälfte des Duos, meint, wenn sie sagt, sie sitze beim Steuern der Vorstellung wie eine Pilotin im Cockpit, da permanent ein Part in den nächsten übergeht. Es ist eine emotionale Reise, die unter anderem durch den perfekt ausgesteuerten Sound, der uns ein kollektives, physisches Erlebnis bietet, zum immersiven Theater wird, wie es sich Stationentheaterprojekte nur erträumen können. Die vierte Wand wird aufgebrochen, nicht nur durch blendendes Licht, sondern weil dieses Erlebnis – und ich wiederhole mich hier – wie eine unaufhaltbare Woge über die Ränge schwappt. Aber man würde es auch gar nicht aufhalten wollen. Mittels (Licht-)Farben, Latex-Materialität und Textassoziationen entsteht eine Synästhesie, deren Versprechen anderer Festwochen-Projekte hier eingelöst wird.

Am Anfang stand das Wort, das uns in der ersten Person in unserer persönlichen, inneren Stimme – weil still gelesen –  begegnet. Entstanden aus dem Text von Pablo Gisbert, der zweiten Hälfte des Duos El Conde, ergeben sich Momente, deren Fallhöhe z.B. mittels Namedropping emporgedreht wird, nur um sofort durch Infragestellen jeglicher Kultur durch Krieg in unserer Imagination gebrochen wird. Beyeler beteuert, wenn die Politik zu solch einem Theater wird, braucht das Theater nicht politisch zu sein. Und erschafft gleichzeitig einen so allgemein geltenden wie aktuellen Kommentar, der in seiner simplen Klarheit betroffen macht.

Love it or hate it: Selten sind die Publikumsreaktionen so geteilt. Von tatsächlichen Buh-Rufen über begeisterte Gäste bis hin zu einem in sich zur Ruhe gekommenen Danke, das ich den Macher*innen dieser seit langem wertvollsten 90 Minuten ausdrücken muss, ist alles dabei. Aber dass jemand dieses Stück verlässt und sofort wieder vergisst, wie es El Conde de Torrefiel im Hintergrundgespräch als Angst von Künstler*innen benennen, das kann nicht passieren. Und wenn es passiert, zeigt es nur, wie subjektiv man Una imagen interior wahrnimmt. Für mich war es ein nahegehendes Erlebnis. Deshalb ist mir eine Nachtkritik darüber unmöglich. Dazu müsste ich auch Namen und Stückdauer zwischendurch einfließen lassen, aber das würde der Vermittlung der entstandenen Gefühle nur abtun.


Realität und Traum, wo ist die Grenze? (E.R.)

Der erste Eindruck von Una imagen interior war irrsinnig gut! Die abstrakte Kunst, das abgebildete Kunstwerk zum Start und der langsame, aber reale Einbezug des Publikums ist El Conde de Torrefield gelungen. Die Zeit zur Wahrnehmung war recht lang, aber umso intensiver konnte man das Kunstwerk auf sich einwirken lassen. Zudem war es realistisch dargestellt, dass sich nicht nur das Publikum, sondern auch die Darsteller*innen das Kunstwerk in der Ausstellung des Museums anschauen konnten. Das gemeinsame Entdecken wurde realistisch abgebildet.

Surreale Darstellung im Supermarkt, in Zeitlupe bewegende Personen, die ihren „Einkauf“ machten – Etwas ganz Einfaches aus dem Leben wurde in die Theateraufführung eingebunden. Der Supermarkt wurde aus roten Plastikplanen sowie aus roten Plastikböden dargestellt. Die komplette Szene spielte sich somit im roten Plastik ab. Interessanterweise wurde mithilfe des Lichtes die Intensivität der Farbe auffallend geändert. Es gab Bewegung im Supermarkt, da die Darsteller*innen zu unterschiedlichen Zeiten den Supermarkt betraten und wieder verließen. Mal war der Supermarkt sehr leer, mal überfüllt. Eine weitere realistische Darstellung war, dass jede Altersgruppe sich im Supermarkt aufhielt. Von einem Kind bis zu einem alten Ehepaar.

Spannender wurde es jedoch, als nicht nur der Mensch als Lebewesen im Supermarkt einkaufen ging, sondern auch Aliens. Die Aliens und die Menschen kauften friedlich gemeinsam ein. Das Miteinander wurde als etwas absolut Normales dargestellt. Hierbei wurde die Fiktion im Surrealen gezeigt. Schräg war dabei nicht nur die sehr langsame Geschwindigkeit, sondern dass keine richtigen Gegenstände eingekauft wurden. Ein leerer Supermarkt. Dennoch wurde aus dem Mund eines Darstellers eine Thunfisch-Konserve herausgezogen. Letztendlich wurde etwas Essbares gefunden.

Ein weiterer fesselnder Punkt war der Übergang vom Traum zur Realität. Dieser wurde als Textform angezeigt. Dabei wurden Beispiele (unter anderem Napoleon und Einstein) herangezogen, worin man sehen konnte, dass Träumen die Wirklichkeit formen und prägen konnte, die Verwirklichung übernehmen kann und die stärkste Macht des Menschen ist.

Eine Abrundung des Ganzen wurde in Una imagen interior mit der Geburt und dem Tod sowie durch die nie endende Lebenszirkulation sehr gut zum Ausdruck gebracht. Eine Ära geht zu Ende, eine neue beginnt.

Zu Beginn des Stücks empfand ich zunächst Freude. Ich konnte alles auf mich einwirken lassen. Das Farbspiel hat mir besonders gut gefallen, genauso das Bespritzen des weißen Tuches mit bunter Farbe und dann das Ergebnis des Kunstwerkes: Die Schönheit des entfaltenden Tuches. Ich kam zur inneren Ruhe und konnte mich in Gedanken vertiefen!


Una imagen interior – ein Blick in unser eigenes Innere? (Juliana Furthner)

Una imagen interior, ein inneres Bild oder ein Bild ins Innere. In wessen oder welches Innere wird nicht klar. Vielleicht erlaubt uns das Stück auch einfach nur, einen Blick in unser eigenes Innere zu werfen, während wir – überflutet von visuellen und auditiven Reizen – abwechselnd und gleichzeitig eigenartigerweise Zeit und Raum für Assoziationen, Interpretationen und Reflexionen finden. Wie eine Naturgewalt prasseln Texte und besonders einzelne Wörter auf uns ein, gemeinsam mit schallend lauter Musik, die fesselt und den eigenen Körper im (nicht wirklich vorhandenen) Takt dieser mitschwingen lässt. Die sprachliche Ebene des Stücks beschränkt sich auf Text, meidet das sonst im Theaterkontext so übliche gesprochene Wort sowohl auf der Bühne als auch in der Musik. Projiziert auf eine Fläche, die über der Bühne schwebt, erscheinen schlagartig einzelne Worte, lösen Assoziationen aus, geben uns mögliche Richtungen vor, in die unsere Gedanken bei der anschließenden Betrachtung des visuellen Bildes im Raum abschweifen können. Richtungen, in die uns unsere eigenen Interpretationen und Reflexionen tragen können. Auf der ewigen Suche nach Bedeutung in diesem Stück, allen anderen Stücken und außerhalb von diesen.

Im Inneren dieser traumartigen Welt auf der rechteckigen Bühne, die auf künstliche, fast schon sterile Weise mit Plastik ausgekleidet ist, bewegen sich die Performer*innen langsamer, weniger abgehakt, automatisiert und fast schon mechanisch. Die choreographische Arbeit scheint sich auf das Kreieren von Bildern aus Situationen heraus zu fokussieren. Eine immer wieder aufgenommene Szene, in der sich die Figuren mit großen Einkaufswagen und Körben durch den Raum bewegen, imaginäre Objekte aus imaginären Regalen nehmen und diese einpacken. Es wirkt allzu vertraut, aber dennoch befremdlich. Der Raum ist leer, so wie die Bewegungsabläufe. Ist irgendwann alles „ausverkauft“ und unsere eigene Realität funktioniert nicht mehr? Ist nicht nur die Bühne eine künstliche, konstruierte Welt? Sind auch wir in eine rechteckige, unnatürliche Realität gezwängt, die uns in unseren Häusern, Zimmern, Betten „einsperrt“?
Der Blick ins Innere lässt weniger etwas erkennen oder eine transportierte Aussage annehmen bzw. ablehnen als etwas fühlen. Einerseits sieht man etwas Bedrückendes, eine Ausweglosigkeit im Dargestellten und man reflektiert über Problematiken in unserer Realität. Andererseits sieht man etwas Faszinierendes und vielleicht auch eine Notwendigkeit oder die Chance über den Zustand, der für uns so unantastbare scheinenden Realität, nachzudenken. Denn ein Ausweg scheint auch im Stück nicht als unmöglich angesehen zu werden, zumindest, wenn man das Einfahren kleiner, formloser Objekte – von denen einer der Performer*innen bereitwillig eines in seinen Korb packt – als Annäherung an einen solchen deuten mag.


Eine fiktive Existenz im 21. Jahrhundert (Tsvetelina Topalova)

Fiktion oder Realität? Mit diesem Thema setzt sich das spanische Theaterkollektiv El Conde de Torrefiel in der heutigen Weltpremiere deren Stückes Una imagen interior auseinander. Die Choreographie und die Bewegungen der einzelnen Darsteller*innen auf der Bühne kamen zwar sehr unnatürlich und seltsam vor, waren aber die ganze Zeit in einer Harmonie miteinander. Verschiedene Alltagssituationen und modern angezogene Menschen, die sich im Museum, im Supermarkt oder in der Natur befinden, waren in einen komplett anderen Kontext gebracht. Die Bühne wurde durch verschiedene Lichtfarben, vor allem Blau, Rot und Grün, belichtet, die Musik hatte eine sehr starke Präsenz, als ob sie das Publikum in die verschiedenen dargestellten Realitäten führen wollte. Rein und raus, laut und leise, hell und dunkel – die Bilder wechselten ab dem Moment, in dem man sich gerade an die Umgebung „gewöhnt hat“. Die ganze Bühne war aus Plastikmaterial. Neben dem „realen“ Bild, das auf der Bühne zu sehen war, lief parallel der Text des Stückes auf einer schwarzen Fläche, die zwischendurch verschwand, aber dann wieder zurückkam. Der Text hatte die Funktion, uns gleichzeitig in eine andere Perspektive einzusetzen, die nur teilweise zu dem gesamten Bild passte. Dieses Theaterstück war nicht nur zum Zuschauen, sondern auch zum Zuhören, Nachdenken, Verschwinden, Wiederkommen, Verwirren und Zweifeln. Wo befinden wir uns? Ist das, was uns jeden Tag umgibt, real oder nur von den Menschen geschaffen? Ist die Natur und alles, was Menschen nicht geschaffen haben, das Einzige, was real ist? Text, Bild und Musik schafften es, das Publikum ständig in eine neue Dimension mitzunehmen, die aber auch immer wieder hinterfragt werde konnte, sodass man sich in dem Ganzen verliert und von dem Ton und Lichtern überwältigt wird. Ganz ohne gesprochene Sprache auf der Bühne brachte die gesamte Inszenierung komplett neue Impulse, Gedanken und Gefühle hervor. In manchen Momenten fühlte man sich im Publikum von den Schauspieler*innen beobachtet oder wie in einem Horror-Film, in dem man auch eine Rolle spielte. Zwischen Publikum und Bühne war gefühlt keine Trennung. Das Gefühl des bloßen Zuschauens war plötzlich weg. Nach ein paar Minuten kam es aber kurz wieder auf und man konnte sich mit die Darsteller*innen auf der Bühne identifizieren, die sich auch in einer Art „Trans“ befanden. Una imagen interiorbedeutet nicht zufällig „Ein Bild von innen“. Das Stück hatte, provoziert von dem sehr schön geschriebenen Text von Pablo Gisbert, das Ziel, dass jede*n Einzelne*n nach Fragen und Antworten sucht. Der existenzielle Charakter des Textes brachte zu den gesamten Bildern, Texten und Schauspieler*innen eine größere Bedeutung des gesamten Bildes, gefolgt von einer Geschichte des Menschen (Homo Sapiens) und die Suche nach dem Sinn des Lebens. Der/die Erzähler*in wollte das Publikum zurück zu den Wurzeln des Menschen bringen und an die eigene Existenz erinnern. Was passiert, wenn alles, was der Mensch bis heute geschaffen hat, auf einmal verschwindet? Was hinterlässt er? Was hat eigentlich Bedeutung für unseres Leben? Oder ist das Leben von Anfang bis Ende sinnlos, da alles von ihm Geschaffene nicht mehr existiert? Das Stück ist einmalig zu sehen, seine Botschaft bleibt aber für immer aktuell und kann nicht so leicht vergessen werden. Jede*r, der/die hingeht und sich auf das Stück einlässt, wird es lange nicht vergessen.