Queers on Wheels.

Menschen mit Behinderungen auf der EuroPride 2019
Aliza Moe Karn

Ich habe mich mit der Gruppe Queers on Wheels beschäftigt, die für die Sichtbarkeit von queeren Behinderten und behinderten Queeren, Gleichberechtigung und Chancengleichheit in mehreren Hinsichten eintreten und Aufmerksamkeit auf die Sexualität und das Sexualleben von Menschen mit Behinderungen lenken wollen. Das erste Mal vertreten und aktiv auf der Regenbogenparade waren sie im Jahr 2009 unter dem Motto „Behinderung ist queere Kultur“[1], was ein Mitglied in einem Interview (in dem keine Namen genannt werden) für das ÖH-Magazin Zeitgenossin wie folgt erläutert: „Behinderung ist auch queere Kultur im Sinne der Behinderung von ausschließenden und verknappenden normativen Setzungen. Behinderung ist als nicht defizitär, als nicht ausgehend von einer Mangelökonomie zu verstehen, sondern als vielfältige eigensinnige und auch widerspenstige Kultur.“[2]

Sie verwenden einen sehr weiten Queer-Begriff und auch einen weiten Rassismus-Begriff, da Rassismus auch verstanden wird als „Rassismus gegenüber behinderten Leuten“[3]. Sie definieren sich als eine politisch-aktivistische Gruppierung und bemühen sich um eine einfache Sprache, bemängeln aber selbst, dass „die queere Debatte […] sich deutlich im intellektuell geschulten oder akademischen Raum“[4] konzentriert und so die Reichweite reduziert wird.

Des weiteren ist natürlich Sexualität ein großes Thema, da Behinderte gesellschaftlich noch immer nicht als sexuelle Wesen angesehen werden und in den meisten Fällen große Schwierigkeiten haben oder gar nicht erst dazu kommen, überhaupt eine individuelle Sexualität zu entwickeln.[5] Sie kämpfen dafür, als Menschen mit Sexualität betrachtet zu werden und nicht weiterhin von der Masse asexualisiert zu werden.

Dazu beziehen Queers on Wheels auch Stellung: „Die Regenbogenparade ist u. a. ein sex-bezogenes Event. Bei Sexualität geht es auch um Vermischungen, Grenzen verschwimmen. Im Bewusstsein, dass wir uns voneinander unterscheiden, aber mit dem Willen, uns nicht in Schubladen stecken zu lassen, wollen wir Grenzen verwischen. Die „Queers on Wheels” sind deshalb eine queere Gruppe auf Rädern mit E-Rollis, Hand-Rollis, auf Trittrollern und haben auch ein rollendes Pflegebett mit. Wir leihen Rollstühle her, für Leute, die rollende Fußgänger_innen sein wollen.“[6]

Konkrete Informationen vom Auftreten der Gruppierung auf der Regenbogenparade habe ich nur dahingehend, dass sie 2009 das erste Mal teilnahmen. Das Interview ist 2011 erschienen, und in ihm fällt folgender Satz: „Auf der Parade haben wir uns selbst und unsere jeweiligen Räder ganz individuell geschmückt und so auch unser jeweiliges Fortbewegungsmittel erotisiert.“ Da liegt die Vermutung nahe, dass Queers on Wheels im Jahr 2011 oder 2010 auch mit verschiedenen rollenden Gefährten auf der Pride unterwegs war. Was zwischen damals und heute geschehen ist, ließ sich nicht herausfinden. Dieses Jahr war von ihnen auf der EuroPride jedenfalls nichts zu sehen und eine Aussage eines Gruppenmitglieds beantwortet wenigstens teilweise meine Frage nach dem „Warum nicht?“:

„Wichtig war und ist auf jeden Fall der lustvolle Aspekt des Politischen, also die Verbindung von Lustvollem und Politischem. Lustvolles ist für mich sowieso politisch – und Politisches könnte umgekehrt oft ruhig mehr Mut zum Lustvollen haben. Mir macht der offizielle Wiener CSD auch deshalb keinen Spaß mehr, weil er auch meiner Meinung nach immer unpolitischer und kommerzieller wird. Ein erster wichtiger Beweggrund war für mich, auf dem CSD zu versuchen, Inszenierungen zu finden, die vielleicht sowohl Normativ-Queere als auch Normativ-Behinderte politisch ein Stück weit verrücken und von dem her neu politisieren können.“[7]

Das Argument der Kommerzialisierung der Pride ist durchaus verständlich und hat klarerweise auch eine Distanzierung vom Politischen zur Folge. Dennoch könnte man dieses Event nutzen, um auf sich, die Gruppe und die Probleme, die von ihnen angesprochen werden, aufmerksam zu machen und Sichtbarkeit zu schaffen. Denn eine so große Masse an Menschen haben von Queers on Wheels bestimmt noch nicht viel gehört und ich finde es auf jeden Fall berechtigt, trotz der vielen Produktplatzierungen und Werbungen, das Format der Parade für eine größere Reichweite auszunutzen. Zudem ist die Regenbogenparade oder die EuroPride durchaus ein lustvolles Event, was die tausenden Besucher_innen auch ausleben.

Ihre aktive Arbeit beschränkte sich (bis 2011) auf reine Medienarbeit, aufgrund von „der Inkompatibilität der Leistungsgesellschaft mit Verletzlichkeit, mit alternativen Normalitäten […]. Wir werden sehr gerne wieder Bilder werfen und Aktionen basteln, wenn wir herausgefunden haben, wie wir das auch mit Schmerzen und mit Langsamkeit verbinden können.“[8]

Die Pride selbst wirbt auch nicht gerade mit Barrierefreiheit, was allerdings auch dem Format Parade geschuldet ist. Dieses Jahr auf der EuroPride habe ich genau drei Rollstuhlfahrer_innen in der Masse der Zuschauer_innen erspähen können, kam jedoch leider nicht durch die Menge durch, um ihnen ein paar Fragen zu stellen. In der Nähe der Umzugswägen war für mich kein einziger Mensch mit körperlichen Behinderungen zu sehen.

Die Beratungsstelle Bizeps für Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige hat auf ihrer Webseite jedes Jahr einen genauen Plan zur Barrierefreiheit auf dem Life Ball veröffentlicht, nicht aber zur Regenbogenparade. Da diese im öffentlichen Raum stattfindet und an bestehende Infrastrukturen gebunden ist, lässt sich auch nichts „noch barrierefreier“ gestalten, als die im Vorfeld geschehene Stadtplanung ohnehin schon beachtet hat. Eine Straße, die Ringstraße in diesem Fall, ist auch relativ barrierefrei. Interessant finde ich, dass bis auf den Artikel über „Queers on Wheels“, Bizeps selbst sich überhaupt nicht zur Pride bekennt oder das Thema Queerness in keiner Art und Weise erwähnt.

Das nach Außen vermittelte Bild von der EuroPride 2019 verhilft also immer noch keiner Normalisierung der Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen als sexuelle Subjekte. Sichtbarkeit würde zu einer Normalisierung in einer breiten Masse beitragen, die aber auch nicht nur lokal passieren sollte, sondern global und auch medial.

Fußnoten

[1] Tamara Grundstein, „Queers on Wheels. Behinderung ist queere Kultur!“, Bizeps, https://www.bizeps.or.at/queers-on-wheels-behinderung-ist-queere-kultur/, 21.06.2009, Zugriff 22.06.2019.

[2] Elena Barta, „Queers on Wheels“, Zeitgenossin, https://www.oeh.univie.ac.at/zeitgenossin/queers-wheels, 4/11, Zugriff 22.06.2019.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Vgl. Irmi Wutscher, „Sex on Wheels. Menschen mit Behinderung kämpfen um Selbstbestimmung bei Sexualität und PartnerInnenschaft“, FM4 Stories, https://fm4v3.orf.at/stories/1709729/index.html, 20.12.2012, Zugriff 22.06.2019.

[6] Grundstein, „Queers on Wheels. Behinderung ist queere Kultur!“, a.a.O.

[7] Barta, „Queers on Wheels“, a.a.O.

[8] Ebd.