Chokri Ben Chikha
Museumsquartier Halle G
Samstag, 31. Mai 2025
(Generalprobe)

SPART EUCH EURE ‚EMPATHIE‘
Jan Schüssler
In PERZEN. TRIOMF VAN EMPATHIE (dt. DIE PERSER. TRIUMPH DER EMPATHIE) beschäftigt sich der flämische Theatermacher und Historiker Chokri Ben Chikha mit Die Perser von Aischylos, dem ältesten noch erhaltenen Drama der Welt. Seine Auseinandersetzung mit dem Text führt ihn zu einer Reflexion zum Israel-Palästina-Konflikt. Sechs Schauspieler und Tänzer, deren kulturelle Hintergründe nicht unterschiedlicher sein könnten, tragen Chikhas Inszenierung. Mit Liah Frank und Marah Haj Hussein teilen sich zwei Darstellerinnen die Bühne, wobei die erste ursprünglich aus Israel und die zweite aus Palästina stammt. Chikah stellt in seiner Bearbeitung von DIE PERSER. zeitgenössisch relevante und kritische Fragen: Er fordert ein Überdenken von Doppelmoral im Kontext von Kriegsverbrechen und richtet seinen Fokus auf die Strukturen, die solche überhaupt erst ermöglichen. Es gelingt ihm auch, den Hybris militärischer Supermächte sichtbar und erschreckend fühlbar zu machen.
Besonders faszinierend ist dabei der Umgang mit digitalen Medien. Auf der Bühne sind vier große Bildschirme in rechteckigen Gitterboxen platziert, welche an überdimensionale Smartphones erinnern. Sie dienen als Ergänzung zu den Geschehnissen auf der Bühne. Dabei werden beispielsweise Informationen über die verkörperten Charaktere, Ausschnitte aus Werbematerial für Urlaubsorte in Israel oder Interviews mit Historikern abgespielt. Die Bedeutung der Bildschirme spielt besonders am Anfang und am Ende der Inszenierung eine tragende Rolle. In der einleitenden Szene zeigen die Screens Handyaufnahmen des Hamas-Angriffs vom 7.Oktober 2023 und die letzten Bilder der Inszenierung sind Videoausschnitte zerbombter palästinensischer Städte. Wir kennen dieses Bildmaterial vom täglichen Konsum auf Newsportalen und in digitalen Medien. Zum eigenen Erstaunen muss man feststellen, dass das gezeigte Material einem bereits so vertraut ist, dass es nicht mehr schockiert und höchstens oberflächliches Mitgefühl auslöst. Genau hier bricht PERZEN. mit den Sehgewohnheiten der digitalen Welt und stellt die Bildschirme der physischen Präsenz der Schauspielenden gegenüber. Wie im Takt zu den Gräueltaten bewegen sich die Tänzer:innen in brutaler Anmut. Ihre Körper springen, beugen und verrenken sich, werden hin- und hergerissen. Angst und Schmerz werden über das Medium des menschlichen Körpers nicht nur sichtbar, sondern auch intensiv spürbar. In der letzten Szene wendet sich Marah Haj Hussein direkt ans Publikum: Empathie allein beende weder Kriege, noch rettet sie Leben. Potenziell ist diese Nachricht ein direkter Angriff auf die herzförmigen Likes innerhalb sozialer Medien wie Instagram. Die „User:innen“ setzen sich für wenige Sekunden auf affektiver Ebene mit globalen Konflikten auseinander, damit anschließend mit gutem Gewissen nicht agiert werden muss.
Chokri Ben Chikhas PERZEN. TROPMF VAN EMPATHIE führt ins Bewusstsein, welche tragende Rolle Theater in Zeiten digitaler Bilderfluten einnimmt. Theater führt das Subjekt zurück in die physische Welt und macht die Konsequenzen des Nichthandelns spürbar. In einer Welt voller abstrakter Daten, in der man unter der Last von Komplexität und Kontingenz erstarrt, verhilft gutes Theater im Sinne einer Läuterung zurück ins Leben: Empathie ohne Denken und konsequentem Handeln ist Verhöhnung.