Von Lena Gritsch
Gegen den Bedeutungsverlust von Realität in Zusammenhang mit den Bildpraktiken der digitalen Fotografie und der allzeit verfügbaren neuen Medien stellen sich die skandinavischen Fotograf*innen Inka und Niclas Lindergård. Mit ihrer Arbeit Vista Points thematisieren sie die Abbildung all jener Landschaften und Orte, die bereits unzählige Male von Fotograf*innen respektive Tourist*innen aus aller Welt abgebildet wurden. Auf den Bildern der beiden Künstler*innen sind Landschaften zu erkennen, die von beinahe bildfüllenden schwarzen Punkten überlagert werden. Der augenscheinlich wichtige Teil der Fotografie wird dadurch verdeckt.
Im angeführten Beispiel verhindert der schwarze Punkt den Blick auf ein Tal im Sonnenaufgang, das nur noch spärlich an den Bildrändern zu erahnen ist. Für die Umsetzung hielten die Künstler*innen einfach eine Münze vor das Objektiv. Dieser gewitzte Einsatz der Münze ist aber mehr als ein simpler visueller Trick, verweist er doch gleichzeitig auf die Bedienung der beliebten Münz-Fernrohre, die an Aussichtsplattformen häufig dazu einladen, die eigene Perspektive zu erweitern. Vista Points will solcherart nicht demonstrieren, wie besonders und wunderschön die gewählten Orte sind, sondern die Verwertungsmechanismen abgenutzter Postkartenmotive kritisch hinterfragen. Den schwarzen Punkt auf dem Bild zu vervollständigen, obliegt dabei der Fantasie des Publikums. Die durch die Arbeit aufgeworfenen Fragen rund um Wert und Verwertbarkeit derartiger Motive richtet sich nicht zuletzt auch gegen die Künstler*innen selbst: Was bedeuten derartige Motive für eine Fotografie mit künstlerischem Anspruch? Der Umstand, dass Inka & Niclas Lindergårds Arbeiten größere Resonanz zeitigen als zahllose hübsche Instagram-Fotos, kann einstweilen als Beleg dafür gelten, dass die hier erprobte Auseinandersetzung mit aktuellen Bildpraktiken noch lange nicht abgeschlossen ist.