The Female Landscape: Rethinking the Body through the Photographic Image and Beyond

Von Kaan Okcu und Theresa Pagliarini

Welche Verbindungen lassen sich zwischen Körper zur Landschaft herstellen? Wie kann der weibliche Körper in ein Verhältnis zu Natur und Landschaft gesetzt werden, ohne dabei auf überholte Kategorisierungen der Frau als besonders naturverbundenes Wesen zurückzufallen? Der Landschaftsbegriff ist eng verbunden mit jenem der Natur und der Frage danach, wie diese vor dem Hintergrund aktueller ökologischer Debatten zu deuten ist. Wir interagieren fast ununterbrochen mit unserer Umwelt und werden dabei von mannigfaltigen Faktoren – gesellschaftlich, politisch, ökonomisch – beeinflusst. Gleichzeitig wird auch der menschliche Körper – vor allem der weibliche – seit jeher Normierungen und Zuschreibungen unterworfen. Was geschieht nun also, wenn man auch den menschlichen Körper als Landschaft – oder Teil davon – begreift? An diesem Punkt setzt die Sammelausstellung The Female Landscape an. Die in der Ausstellung präsentierten Werke (allesamt geschaffen von Künstlerinnen, präsentiert in Zusammenarbeit mit einem rein weiblichen Team) spielen mit eben jenen Konventionen einer genormten Sicht auf den Frauenkörper, abstrahieren diese und setzen den Körper in Relation zu Natur und Landschaft, um seiner Verdinglichung entgegenzuwirken. Einmal mehr dient hier die Rückbesinnung auf die Natur als Gegenmodell einer kapitalistischen Ausbeutungslogik. Die Auseinandersetzung mit dem inhärent sexualisierten Körper stellt Fragen nach Identität, Gender und der Rolle der Frau. Eine kritische Sicht auf Schönheitsideale und gesellschaftliche Zwänge erlauben überraschende und oft auch intime Einblicke. Die Fotografie kann ein Fundament bilden, für die Auseinandersetzung mit der menschlichen Physis und sozialen sowie politischen Zuschreibungen. Die Herausforderung der Kunst ist es, gerade diesen Prozess sichtbar und greifbar zu machen.

Anna & Maria Ritsch, Venus, 2020.

Über das lebensspendende Element Wasser nähert sich das österreichische Fotografinnen-Duo Anna & Maria Ritsch dem Thema. Die von ihnen porträtierten Körper erscheinen im beziehungsweise unter Wasser, wodurch sie der Natur vollkommen ausgeliefert sind. Hier ist alles Ruhe und Einklang. Körper und Landschaft erscheinen als Einheit. Ungewohnt fern erscheinen plötzlich alle auferlegten Zwänge. Eine Strategie, die Assoziationen zur Lebensreformbewegung und alternativen Lebensmodellen der 60er-Jahre aufwirft.

Die Logik der Massenmedien gibt ein idealisiertes Körperbild vor. Besonders in der westlichen Kultur wird etwa die Darstellung der weiblichen Geschlechtsorgane als vulgär oder unangemessen empfunden. Ein Beispiel dafür, wie sich mit Motiven aus der Natur Schönheitsideale hinterfragen und auflösen lassen, liefert die österreichisch-chinesische Künstlerin Song Jing. Mit ihrer Installation All the Women I am stellt sie den intimsten weiblichen Körperteil genau 366 Mal nach. Mit Nahaufnahmen von Dattelkernen entspricht die Künstlerin der Vielfältigkeit des weiblichen Körpers und gibt ihm – am Beispiel des Geschlechtsorgans – seine Natürlichkeit zurück: „Actually, there is no precise pattern or model of how a vulva should look like. This is also quite true with the date kernels, as they vary in crack, color or shape.” [1]

Song Jing, All the Women I am, 2018.

Die vielfältigen Anforderungen an den weiblichen Körper vor einem kulturellen Hintergrund zu befragen, eröffnet – wie ein weiterer Beitrag beweist – neue Perspektiven. Die Geschichte der Philippinen ist geprägt von Kolonialismus und Unterdrückung. Über Jahrhunderte hinweg haben sich Schönheitsideale zu Gunsten der Europäer*innen verlagert. Immer noch gilt helle Haut als Statussymbol, was die philippinische Künstlerin Stephanie Misa als ein Erbe des Kolonialismus erkennt [2]. In ihrer Installation Pimp my Papaya befasst sie sich mit der anhaltenden Popularität von Hautbleichmitteln und dem sozialen Druck, unter dem viele philippinische Frauen derartig leiden, dass sie für gesellschaftliche Akzeptanz mitunter sogar ihr Leben riskieren. Viele dieser Bleichmittel enthalten Gifte und sind schädlich für Haut und innere Organe, doch trotz rechtlicher Einschränkungen finden die toxischen Billigprodukte regelmäßig ihren Weg auf den Markt. Stephanie Misa will sich dem Dogma „Je weißer, desto schöner“ widersetzen und stattdessen die ethnischen Besonderheiten der philippinischen Frauen zelebrieren. Indem sie eine Papaya – die natürliche Bleicheigenschaften enthält – in künstlichem Bleichmittel ertränkt, spielt auch sie mit Elementen aus der Natur.

Pimp my papaya,
make it all white and smooth
cos color is so over and colonial-white rules
I wanna be pretty, I wanna be me
privileged and fair-skinned
and bleached as can be.
cos white makes the boys all love you,
white makes your girl friends smize,
white makes the you look mestiza,
oh lookin’ so rich and fine.
[3]

Dem weiblichen Körper alternative Einschreibungen – oder das gänzliche Fallenlassen dieser – zu erlauben, ist das dringende Anliegen dieser humorvollen Arbeit. Ihr Ziel: Eine Welt, in welcher der Körper nichts sein muss, aber alles sein darf.

Weiterlesen: Self von Claudia Larcher


[1] Ana Magalhães, 2018 über Song Jings All the Women I am http://www.songjing.at/albums/dancing-d.
[2] vgl. Stephanie Misa http://www.stephaniemisa.com/2016/pimp-my-papaya/, abgerufen am 20.03.2022.
[3] Begleittext zur Ausstellung: Stephanie Misa.