The Happy Show: Eine Ausstellung als Erlebnisraum. Vielschichtige Beziehungen und ambivalentes Erleben in den Konzepten von Immersion und Reflexion

Ein Essay von Bianca Schweinhammer

In letzter Zeit dachte ich des Öfteren an ein Erlebnis von früher zurück. Eine Ausstellung namens The Happy Show, welche von mir Anfang Februar 2016 zweimal besucht wurde. Der erste Besuch fand im Rahmen einer Schulexkursion statt und löste eine Faszination aus, die mich dazu bewegte, die Präsentation nochmals zusammen mit meiner Mutter anzusehen. The Happy Show ist eine Ausstellung von Stefan Sagmeister, welche von Oktober 2015 bis März 2016 im MAK (Museum für angewandte Kunst) in Wien gezeigt wurde. [1] Auf der Website des Museums für angewandte Kunst findet sich folgende Beschreibung dazu:

Die Ausstellung dokumentiert seine [Stefan Sagmeisters, Anm.] zehn Jahre andauernde Untersuchung des Glücks anhand von Videos, Drucken, Infografiken, Skulpturen und interaktiven Installationen. Sie führt die BesucherInnen auf eine Reise durch die Gedankenwelt des Designers und seine Versuche, das eigene Glück zu steigern, indem er seinen Geist trainiert wie andere ihren Körper. [2]

Während meines Besuchs vergaß ich völlig die Zeit, ich empfand die Präsentation und den Ort der Ausstellung als Erlebnisraum, in den eingetaucht werden konnte, und wollte nicht, dass es vorbei ging. Die Ausstellung als zeitlosen Erlebnisraum zu verstehen, hängt für mich mit der umfassenden Art der Präsentation und dem interaktiven Involvieren der Besucher*innen zusammen. Anders als bei manchen Museumsbesuchen, bei denen die Zeit kaum vergehen wollte, bietet bei The Happy Show jeder Raum neue Erfahrungen und mit Spannung wurde von mir der nächste Bereich erwartet. Sagmeister führt die Besucher*innen quer durch das MAK, es finden sich Teile seiner Präsentation im Erdgeschoss, Keller, ersten Stock sowie Dachgeschoss, auch Treppen, Geländer, Säulen oder die Toiletten wurden von Sagmeister als Zwischenraum für handschriftliche, persönliche Notizen genutzt. Seine persönlichen Kommentare und Experimente unterstützt er durch sozialwissenschaftliche Daten der Psychologie. Veranschaulicht werden diese durch grafische Informationstafeln, Plakate, audiovisuelle Kurzfilme, Talks und Videos sowie Installationen und Angebote, die zum Handeln und Ausprobieren einladen. Die Immersion wird bei The Happy Show durch unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten erzeugt, wie die körperliche Betätigung eines Fahrrads, das Anfertigen einer Zeichnung oder Kostproben von Sagmeisters Lieblingsbonbons. Die räumlichen, emotionalen, kognitiven und sensomotorischen Zugänge wirken jeweils different auf Personen.

Besonders in Erinnerung blieb mir der Automat im Erdgeschoss – eines der ersten Ausstellungsstücke, denen der*die Besucher*in begegnet und welcher zur Interaktion einlädt. Per Knopfdruck gibt der Automat eine Karte heraus, diese darf sich der*die Teilnehmer*in mitnehmen. Jede Karte zeigt eine Aufforderung. Auf einer meiner Karten befand sich folgende Aufgabe: »Tragen Sie so lange Sie können Ihre Begleitung auf dem Rücken. Bitte auf Stufen achten (siehe Abb. 01). Ebenso erinnere ich mich an eine Karte, die andere Besucher*innen neben uns bekamen, diese forderte sie auf, rückwärts durch die Ausstellung zu gehen. Wir probierten unsere Aufgaben nicht aus, dennoch brachten sie die meisten zum Lachen. Möglicherweise ist das Lachen darauf zurückzuführen, sich der Aufforderung bewusst zu werden und wahrzunehmen, wie diese außerhalb des Handlungsrahmens grotesk wirken muss. Dabei kann durch das Lachen auf ein Spannungsfeld aus Immersion und Reflexion gedeutet werden. Die Karten fordern die Besucher*innen dazu auf, eine andere Subjektposition einzunehmen und ihren Blick auf die Gegebenheiten zu verändern. Um die Teilnehmer*innen aus dem Alltag und dem Automatismus zu holen, dient die Verfremdung, [3] dabei wird durch die spezielle Aufforderung der gewohnte Handlungsrahmen verlassen. Die ungewohnte Position, zu der die Karte einlädt, entfacht einen Prozess, in welchem eine neue Wahrnehmung ausgelöst und in weiterer Folge die Kunst vom Alltag unterschieden wird. Die Ausstellung versucht, den Automatismus der Wahrnehmung aufzubrechen und regt durch die Verfremdung auch zu einer Reflektion der eingenommenen Position an.

Abb. 01

Eine weitere Installation der Ausstellung ist mit den Worten »Wie glücklich sind Sie? Auf einer Skala von 1-10? Nehmen sie einen Kaugummi aus dem entsprechenden Automaten« angeschrieben. [4] Die Besucher*innen haben die Möglichkeit, auf diese Frage einzugehen und ihre Glücklichkeit sichtbar werden zu lassen. Sagmeister verdeutlicht damit, dass, psychologisch gesehen, die Menschen wissen, wie glücklich sie sind, auch wenn sie nicht wissen warum. [5, 6] Es wird durch die fehlenden Kaugummis in den Automaten sichtbar, wie glücklich die Besucher*innen der letzten Tage waren und das erschafft Raum für eine Reflexion über die Interaktion, die die Installation hervorruft. Bei der Betrachtung der leeren Abschnitte der Röhren bleibt fraglich, inwieweit die Ausstellung zu dem Gefühl des Glücks beigetragen hat. Die Teilnehmer*innen bringen sich durch ihre Handlungen in das Ausstellungsstück mit ein, demnach spricht das Kunstwerk durch den Vorgang, den es auslöst, und wirkt reflexiv auf diesen sowie die in Beziehung stehenden Subjekte zurück. Die Installation erschafft ein Nachdenken über die Skala und die Besucher*innen, die daran wirken.

Durch wiederkehrende interaktive Installationen wird folglich ein Erlebnisraum geschaffen, der die Teilnehmer*innen in die Ausstellung involviert. Sagmeister verwendet hierzu unterschiedliche Sinne und Tätigkeiten, um seine Ansätze zu präsentieren und die Besucher*innen aufs Neue einzuladen, an der Vermittlung teilzunehmen. Die Ausstellung scheint eine Immersion zwischen künstlerischem Spektakel, Emotion, Kognition und Affekt anzubieten. Dabei stellt sich abschließend durch Sagmeister die Frage, ob ebenso Immersion durch Training des Geistes erhöht werden kann.

Direktnachweise

[1] MAK, »Stefan Sagmeister. The Happy Show«.

[2] Ebd.

[3] Für weitere Informationen zur Verfremdung vgl. Šklovskij, »Die Kunst als Verfahren«, S. 15.

[4] MAK Wien, Happy, Programmheft zur Ausstellung, hier: Bereich C4.

[5] »Stefan Sagmeister: The Happy Show on Novus TV«, ab Min. 1:51.

[6] »Trailer ‚Stefan Sagmeister. The Happy Show«, ab Min. 1:00.

Quellenverzeichnis

MAK, »Stefan Sagmeister. The Happy Show«, mak.at, https://www.mak.at/programm/ausstellungen/stefan_sagmeister_, 13. 05. 2020.

MAK Wien (Hg.), Happy, Programmheft zur Ausstellung.

»Stefan Sagmeister: The Happy Show on Novus TV«, R.: Novus TV, youtube.com, 06. 05. 2015, https://www.youtube.com/watch?v=73LaRuuou2Q, 13. 05. 2020.

»Trailer‚ Stefan Sagmeister. The Happy Show«, R.: Museum für Gestaltung Zürich, youtube.com, 23. 11. 2017, https://www.youtube.com/watch?v=F3Rl4E6K6ck, 13. 05. 2020.

Šklovskij, Viktor, »Die Kunst als Verfahren«, in: Russischer Formalismus. Texte zur allgemeinen Literaturtheorie und zur Theorie der Prosa, hg. v. Jurij Striedter, München: Fink 1994, S. 3-35.