Friede auf Erden

Künstlerische Leitung: Ulla von Brandenburg, Mit Musik von Arnold Schönberg
Jugendstiltheater am Steinhof, 19. Mai 2022

Friede auf Erden © Nurith Wagner Strauss
Versuch einer assoziativen Annäherung an eine assoziative Produktion (Roman Schneeberger)

Beuys
Wir betreten das Jugendstiltheater am Steinhof und gehen durch zwei Räume, bevor wir im Theatersaal die uns zugewiesenen Plätze einnehmen. Im ersten dieser Räume wird man durch die Präsentation der bunten Stoffe auf das Grundthema des Projekts eingestimmt und im zweiten sieht man Stangen und anderes, archaisch wirkendes Material vor einer sich einsprechenden Darstellerin. Die Anordnung der Gegenstände erinnert an die Sammlungen ethnografischer Museen oder eben an die Werke Joseph Beuys‘.
Im Ankündigungsvideo berichtete Ulla von Brandenburg davon, wie sich das Publikum durch jeden Raum des Theaters bewegen kann und überall bespielt wird. Das ist ja grade sehr en vogue. Aber war’s das schon?

Bildende…
Wir erinnern uns, dass Frau Brandenburg ursprünglich bildende Künstlerin ist. Das erklärt ihre Herangehensweise sowie das große Defizit beim Erzählen einer Geschichte, das mich während der Vorstellung unruhig werden lässt. Ihr Fokus liegt am Ergründen der synästhetischen Möglichkeiten, was natürlich intuitiv und assoziativ konzipiert werden muss. Da dies höchst individuell ist, kann das Publikum nur versuchen zu folgen und eine Nachtkritik ebenso nur assoziativ zustande kommen.

…Kunst
Es begegnet uns ein großes Kunstwollen. Die Ästhetik von Derek Jarman drängt sich auf, wenn Figuren durch ihre Posenabfolge Bilder entstehen lassen, harte Schatten werfen und Farben so gezielt einsetzen. Alle Beteiligten performen, und zwar groß, wir sind im antiken Theater.

Arlecchino
Wir sind ganz stolz, weil wir so gebildet sind, dass wir die Kostüme der Comedia dell’arte zuordnen können.

Genius Loci
Wir sind allerdings auch so gebildet, dass wir uns des Genius‘ Loci bewusst sind. Steinhof wird immer verbunden bleiben mit der Euthanasie und den Kindern am Spiegelgrund. Ich nahm an, dass die Wiener Festwochen genau deshalb das „Friedensstück“ an diesem Theater stattfinden lassen. Aber die Annahme bleibt ohne konkrete Bestätigung durch jegliche Bezugnahme. Vielleicht sind schon genügend Symposien zu diesem Thema hier abgehalten worden und gemeinsam mit dem Mahnmal vor der Tür reicht das dann aus, um die Wunde verheilt zu wissen. Somit brauchen wir die Geschichte des Ortes nicht mehr beachten.

Windows Media Player
Ich lasse mich also voll und ganz auf die Produktion ein und finde den Tanz der auf- und abgezogenen Stoffelemente faszinierend. Ich fand aber auch immer schon die automatisiert generierten Visualisierungen des Windows Media Players faszinierend.

Sprache
Ich versuche, mich dem Text zu widmen. Mir wurden vor dem Einlass die Liedtexte in die Hand gedrückt, mit dem Hinweis „falls Sie mitsingen wollen“. Das war ob der Schönberg-Kompositionen natürlich nicht ernst zu nehmen, allerdings gestaltet sich schon ein Mitlesen ob der Dunkelheit im Publikumsbereich als unmöglich und manche fremd anmutenden Passagen lassen sich auch im Nachhinein bei gutem Licht nicht finden.

Publikum
Was man auf der Tribüne allerdings mitbekommt, sind die unabsichtlich fallenden Schlüsselbünde, klingelnden Telefone, schnaufenden Gäste. Bei so viel Kunst wirkt diese Menschlichkeit störend und ich wünsche mir wieder hochwertig übertragene Live-Streams zurück, die wir in Lockdown-Zeiten von der Couch aus in aller Ruhe mitverfolgen konnten.

Weichspüler
Riesige Stoffbahnen werden bewegt und man stimmt der Weichspülerauswahl zu, dessen wohliger Geruch uns angetragen wird. Synästhesie.

Ukraine
Es wird uns bei all dem allgemeinen Friedensappell nun doch durch die kombinierte Hängung von Gelb und Blau die Gelegenheit gegeben, auch an aktuelle Geschehnisse zu denken und der Ukraine aus unserem Elfenbeinturm heraus alles Gute zu wünschen.

Applausfreude
Schließlich dürfen wir so lange applaudieren, bis die Mitwirkenden meinen, abgehen zu wollen.


Ordnung ist Friede (Anna Wäger)

Die bildende Künstlerin Ulla von Brandenburg inszeniert sieben Stücke von Arnold Schoenberg zu einer tragenden Komposition aus Stimmen und Farben. Als Resonanzraum dient dabei das geschichtsträchtige Jugendstiltheater am Steinhof, ursprünglich als „Gesellschaftshaus“ zur Unterhaltung der psychiatrischen Patient*innen der Klinik Penzing auf der Baumgartner Höhe erbaut. An seine dunkle Vergangenheit als Zentrum von Medizinverbrechen im Nationalsozialismus erinnert das Mahnmal aus 772 Lichtstelen auf der Grünfläche vor dem Theater. Heute wird im Theatersaal der ehemals geschlossenen Anstalt das Potential der Öffnung und der wechselseitigen Auseinandersetzung durch künstlerische Intervention erkannt.

Vor Beginn des Stücks lässt von Brandenburg das Publikum eine Reihe an installativen Elementen passieren, die sich als „Vokabular“ der Inszenierung herausstellen. Bunte Stoffe lassen eine bestimmte Farbpalette erahnen, ein Raum zeigt die grafische Anordnung von Requisiten und eine Schauspielerin probt ihren Text „backstage“. Diese Elemente kombiniert und arrangiert von Brandenburg und setzt sie, wie bei der Zwölftonmusik, immer wieder neu zusammen. Friede auf Erden bedeutet hier Ordnung schaffen und temporäre Zugehörigkeiten im Raum festlegen. Es ergeben sich Dominanzen, Überschneidungen und Flächen von Stimmen sowie Bewegung. Einmal gibt die akustische Ebene den Ton vor, beispielsweise wenn der Arnold Schoenberg Chor hörbar – jedoch hinter den Kulissen verborgen – um die Tribüne wandert. Zeitweise wird die Szene dominiert von verschiedenfarbigen Stoffbahnen, die mal gerafft, gezogen oder gefaltet werden. Mit der Ästhetik des fließenden Materials werden Ausdehnung und Weite des Raumes kreiert, aber auch (visuell) undurchdringbare Grenzen gezogen. Die Raumwahrnehmung wird gleichermaßen erweitert durch den/die Gesangskörper wie durch materielle Stoffe und ein präzises Lichtkonzept.
In gewisser Weise versammelt von Brandenburg alle Wesenselemente des Theaters und setzt sie interreferentiell ein. So tragen die Kostüme der Performer*innen als Fundus-Stücke jeweils einen eigenen Teil Theatergeschichte auf die Bühne. Fallende Stoffe, Seilzüge, das Spiel mit Licht und Schatten lassen hier und da einen flüchtigen Moment der Theatermagie aufblitzen. 


Bunte, fließende Gefühle (Hannah Glatz)

Der Bus leert sich, alle wollten nur bis zur Klinik Penzing. Das etwas abgelegene Jugendstiltheater am Steinhof beherbergt dieser Tage vier Festwochen-Produktionen. Ulla von Brandenburg hat sich als eine der vier Theatermacher*innen diesen Ort zu eigen gemacht, das sieht und belohnt auch das Publikum: eine Zusatzvorstellung am Nachmittag des letzten Spieltags wurde anberaumt.

Schon der große, hohe Raum mit Garderobe und Kartenverkauf wurde in die folgende Produktion miteinbezogen. Neugierig konnte man hier ein großes gelbes Tuch begutachten. Es hängt, wie auch später die restlichen Tücher, von der Decke bis zum Boden. 
Anschließend wird man weiter gelotst, die Vorstellung beginnt in Kürze. Die Pilgergruppe, nach der wir nun aussahen, macht sich auf den Weg, mehrere Ecken und Räume durften wir durchqueren. Auch die waren bereits Teil das Performance. Langsam wurde jede*r n das eingeführt, was gleich passieren würde. Geht’s schon los? Die Zuschauenden sind sich uneinig, es herrscht Gemurmel. Das Ende der Schlange hat noch nicht mitbekommen, dass es jetzt beginnt. Es geht los!

Im letzten Saal angekommen, geht es auf die Sitzplatzsuche. Der Zuschauerbereich ist wahnsinnig lang, 40 Plätze und nur 5 Reihen. Ist das noch Guckkastenbühne?
Für von Brandenburg ein unübliches Konzept, schließlich arbeitete sie bisher kaum mit zugeteilten Sitzplätzen. Während diesem Gedanken beginnt der Chor zu singen. Er umrundet langsam, aber stetig, die Zuschauenden, die Köpfe drehen sich, aber nichts kann erkannt werden, bis die klangvolle Einheit durch einen versteckten Eingang den Saal betritt. Das ist total gruselig! Nicht alle im Zuschauerraum sind begeistert von dieser Art der Vorstellung des Arnold Schönberg Chors. Ab diesem Zeitpunkt befindet sich der Chor mit kurzen Ausnahmen dauerhaft auf der Bühne, die Personenanzahl schwankt, jedoch ist Erwin Ortner als Dirigent permanent zu sehen. Der Chor besitzt hier keinen eigenen Platz und so wandern die Sänger*innen durch den Raum, erscheinen auf den Balkonen oder stehen in der Ecke und warten. In dem Moment, als Erwin Ortner die Reihen der Sitzplätze hinaufschreitet, wird es unruhig in den Rängen. Er bleibt allerdings starr am Gang stehen, niemand muss mitmachen. Jesusartige Er-/Beleuchtung trifft auf ihn und er stimmt an, um das nächste Lied zu dirigieren.

Die Farben der verwendeten Tücher sind kräftig und werden durch teils bunte Beleuchtung verstärkt. Es werden wenig große Lichter eingesetzt, hingegen wird auf Spots und indirekte Beleuchtung gesetzt. Fließend wie der hängende Stoff wird von der einen Beleuchtungsart auf die andere gewechselt, bis bei vollkommenem Erstrahlen der Lampen plötzlich auffällt, dass es neben dem eigenen Sitzplatz leuchtet. Ebenso unscheinbar und meditativ werden bunte Stoffbahnen durch die Luft gezogen. Von Zeit zu Zeit fallen gigantische Vorhänge runter, welche mit einer gewissenhaften und beinahe tanzhaften Art wieder zusammengefaltet und für die nächste Vorstellung bereitgestellt werden.

Wie im Rausch vergehen die anberaumten 70 Minuten. Wahnsinnig entspannt, aber ohne einen tieferen Sinn verstanden zu haben, wird das Gebäude verlassen. Wie eine Massage für die Augen! Ulla von Brandenburg hat es hier geschafft, die gefürchtete Musik von Arnold Schönberg mit fließenden Bewegungen und einer gut durchdachten sowie funktionierenden Choreografie auf die Bühne zu bringen. Dabei sorgt sie gleichzeitig für ein angenehmes Gefühl.


Wie viel Friede steckt in Friede auf Erden? (JayJay)

Von einem „synästhetischen Erlebnis“, „mystischen Stimmungen“ und „Klang-, Farb- und Lichtspielen“ war im Programmheftchen zu lesen, das mir die Person beim Eingang zum Gelände der Klinik Penzing gegeben hatte. Auch bekamen ich und mein Kollege, der zur gleichen Zeit eintraf, die Liedtexte des Stücks im Papierformat in die Hand gedrückt. Die Liedtexte bekämen wir, um später mitsingen zu können, so hieß es.

Ein Fußmarsch von ca. 2 Minuten trennte uns nun vom Jugendstiltheater am Steinhof, in dem das Stück stattfinden sollte. Davor hatte sich im Freien schon das Publikum gesammelt und die Menschen haben in entspannter Atmosphäre getratscht sowie an ihren Getränken, die sie an der kleinen Bar neben dem Gebäude gekauft hatten, genippt. Schließlich erklang ein Ton und der Großteil der Masse bewegte sich nach drinnen. Sowohl von außen als auch von innen, so stellte ich nach dem Eintreten fest, kann man eindeutig erkennen, dass das Gebäude im Jugendstil gehalten ist – für mich als Jugendstilliebhaber eine sehr erfreuliche Feststellung.
Im kleinen Vorraum, den man erreichte, wenn man vom Eingang aus nach links und dann nach rechts abbog, lagen einige bunte, zusammengelegte Tücher am Boden. Eine Stimme von hinter einem raumtrennenden Vorhang war zu hören. Ich folgte langsam dem restlichen Publikum, während ich versuchte, mir aus den Gegenständen am Boden einen Reim zu machen. Diese waren, soweit ich mich erinnern kann, hölzern oder aus Naturfaser – allerdings ließ sich für mich kein anderer Zusammenhang feststellen.
Nach einer weiteren Abbiegung nach rechts erreichten wir den Vorstellungssaal – auf Anhieb erschien er mir hoch, weit und schön. Das Publikum saß längs einer der beiden längeren Seiten – vom Eingang aus gesehen von links nach rechts angeordnet und leicht gestaffelt – auf modernen Klappsesseln.  Ich saß in der fünften und somit letzten Reihe auf der Seite gegenüber vom Eingang, wodurch sich für mich als etwas kurzsichtige Person das Problem ergab, wegen der schieren Länge des Raumes nicht immer sehen zu können, was am anderen Ende geschah.
Auch in diesem Raum wurde einem der Eindruck vermittelt, als hätte ein Teil der Performance bereits begonnen: Vier Akteur*innen be- und entkleideten sich am anderen Ende des Saals mit diversen Kleidungsstücken, die an einer Kleiderstange gehangen hatten.
Schließlich wurde die Kleiderstange nach oben gefahren und es schien, als würde das eigentliche Stück langsam beginnen. So richtig wusste das wohl aber niemand – meine Sitznachbarn fragten einander „Hats schon begonnen?“.

Doch wovon handelte das Stück nun?
Diese Frage kann man aus meiner Sicht unmöglich beantworten. Ich wage auch zu behaupten, dass Ulla von Brandenburg (künstlerische Leitung) uns diese Frage so nicht beantworten könnte, denn es gab keine Handlung im engeren Sinne. Generell glaube ich, dass man nicht versuchen sollte, dieses Stück zu „behirnen“. Vielmehr dürfte es dazu gedacht sein, es ästhetisch und akustisch wirken zu lassen. Somit wäre die eher beantwortbare Frage „Was habe ich gesehen und gehört und was habe ich dabei empfunden?
Zugegeben finde ich, dass das Stück auf vielen verschiedenen Ebenen einfach „random“ war, wie man heute so schön sagt. Mein Auge hat die vielen Farben sicherlich genossen, aber im Endeffekt wirkten insbesondere die Kostüme der gut 40 Akteur*innen schlicht zusammengewürfelt – fast so, als hätte jemand einen Theaterkostümbestand geplündert und jede*r Akteur*in durfte wahllos irgendetwas davon anziehen. Dann gab es da noch die Tücher. Auch diese waren sehr farbenfroh. Teilweise waren sie so groß, dass sie den halben Bühnenbereich füllten, teilweise etwas kleiner. Einmal wurden sie aufgerollt, ein anderes Mal gefaltet und weggepackt. Manchmal fielen sie von der Decke und sorgten durch den Schreckmoment für einige der wenigen Highlights des Abends. Überhaupt beschäftigten sich die Akteur*innen fast andauernd damit, etwas mit Tüchern zu machen oder zu singen.
Auf akustischer Ebene ist interessant, dass zu keinem Zeitpunkt gesprochene Sprache verwendet wurde. Es kam nur klassischer Gesang vor, welcher teilweise (aber zumeist nicht) von Instrumenten begleitet wurde. Diesen hatte der Chor aber tatsächlich drauf. Hier gibt es nichts zu bemängeln, denn alle Töne wurden getroffen und die Stimmen klangen allesamt so, als wären sie gut trainiert und vor allem gut aufeinander eingespielt. Den Raum empfand ich als akustisch sehr gut geeignet für dieses Stück, da die Akteur*innen einmal in einer Reihe aufgestellt, ein andermal in einer Traube stehend und letztlich wahllos durch den Raum gehend gesungen hatten. Die Musik an sich war zugegebenermaßen nicht leicht verdaulich – es  war über die ganzen 80 Minuten nur Neue Musik zu hören, was mit der Zeit etwas ermüdend war. Schnell wurde mir auch klar, dass die Texte, die wir am Eingang bekommen hatten, unmöglich dazu dienen konnten, dass das Publikum mitsingen bzw. partizipieren soll. Denn abgesehen davon, dass die Stücke viel zu schwer für einen Durchschnittsmenschen waren, gab es seitens der Akteur*innen zu keinem Zeitpunkt eine Aufforderung zum Singen. Natürlich hatten die Lieder auch keine Ohrwurmqualität.

Generell hat einem das Stück wenig gegeben, woran man sich festhalten konnte. Es gab weder narrative Strukturen (und daher auch keine „Moral der Geschichte“), noch konnte man irgendeine Logik oder interpretierbare Symbolik hinter dem Geschehen erkennen. Partizipieren durften wir auch nicht. Die Akteur*innen wurden zu keinem Zeitpunkt mit Namen angesprochen und es wurde kein Ort und keine Zeit für die Diegese festgelegt. Vielmehr konnte jederzeit alles Erdenkliche passieren. Einen dramaturgischen Bogen – im Sinne von Anfang-Mittelteil-Schluss – gab es nicht. Die Akteur*innen taten einfach etwas auf der Bühne, und als Teil des Publikums hatte man nur die Wahl, sich darauf einzulassen oder sich dem Erlebnis zu verschließen.
Sehr friedlich habe ich mich nach der Vorstellung jedenfalls nicht gefühlt, da mein Gehirn andauernd versuchte, einen Sinn in etwas zu finden, in dem es keinen Sinn zu finden gab. 


Ein buntes Chorkonzert (K.K.)

Die Voraussetzungen für ein großartiges Stück waren gegeben: Ein brandaktuelles Thema, ein ausgezeichneter Chor, Stücke von einem der einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts und eine großartige Location.

Ulla von Brandenburg hat schon im Vorfeld davon gesprochen, mit dem Stück Friede auf Erden nicht unbedingt etwas „Schönes“ kreieren zu wollen. Disharmonien und schräge Klänge wurden daher durchaus erwartet, davon war jedoch wenig zu hören. Die Dissonanzen wurden vor allem durch das Stimmengewirr der Kanon-Gesänge und Bewegungen, die nicht der Musik angepasst waren, erzeugt. Einer der wenigen harmonischen Momente entstand, als ein roter Teppich vom Balkon ausgerollt wurde und ein Schattenspiel inszeniert wurde, während man von dem Chor die Zeilen „Du sollst dir kein Bild machen“ vernimmt. Man beobachtet, wie auf der Leinwand Machtverhältnisse dargestellt werden, wobei sich eine Person übergroß und bedrohlich über den anderen erhoben hat, während die anderen ergeben auf dem Boden kauern und die Hände schützend über sich bringen.

Der stumme Austausch zwischen den vier Darsteller*innen ist eine harmonische Darstellung und angenehm zu verfolgen. Jedoch ist es schwer fassbar, was man gerade beobachtet. Sie wirken neugierig, aber auch etwas verloren, ebenso wie der Chor, der scheinbar orientierungslos umherwandert und nur wenige Emotionen beziehungsweise Ausdrücke liefert. Man denkt an göttliche Geschöpfe – ob diese aber nun vom Chor dargestellt werden oder von den vier Akteur*innen, ist bereits ein Streitpunkt. Diese Machtverhältnisse scheinen sich während des Stückes immer wieder zu verändern. Das Stück lässt unglaublich viel Raum für Interpretation. Vielleicht zu viel. Denn ohne Text und mit nur wenig verständlichen Liedtexten, war es sehr schwer zu fassen, was die Intention der Darstellung ursprünglich war.

Am Ende hatte man das Gefühl, ein schönes Chorkonzert gehört zu haben, das durch viele Farben und wehende Tücher unterstützt wurde. Jedoch hätte man sich, aufgrund des Titels und der Aktualität der Thematik, eine etwas direktere Message gewünscht.