Regie: Mateja Meded, Kosmos Theater , 14. Juni 2024
fotzenschleimpower gegen raubtierkaputtalismus
©Boris Kralj
„Zwischen Fremdsein und Gesellschaftskritik: Mateja Mededs Fotzenschleimpower gegen Raubtierkaputtalismus„
(Anonym)
Im Juni 2024 wurde im Rahmen der Wiener Festwochen ein Theaterstück aufgeführt, das mit dem provokanten Titel Fotzenschleimpower gegen Raubtierkaputtalismus die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Regisseurin und Schauspielerin Mateja Meded hat dieses Stück entwickelt, inspiriert von persönlichen Erlebnissen während der Pandemie, als sie ihre Wohnung und ihre Verbindung zur Außenwelt verlor.
In einer ausdauernden und tragikomischen Solo-Performance enthüllt Meded die Lebensgeschichte ihrer Protagonistin von oben als Alien. Diese fühlt sich entwurzelt und andersartig, wie „Fotzendreck“. Meded selbst hat schon früher Ähnliches erlebt, als sie aufgrund des Bosnienkrieges 1992 nach Deutschland flüchtete. Ihre Darstellung ist durchzogen von persönlichen und gesellschaftskritischen Momenten, die die Gefühle des Fremdseins und der Ausgrenzung verdeutlichen mit denen viele, vor allem junge Leute, „relaten“ können.
Die Aufführung ist ein wütendes Statement gegen gesellschaftliche Missstände und die Mechanismen der Ausgrenzung. Meded bringt mit überzeugender Mühe die prägenden Stationen ihrer Biografie als Frau auf die Bühne. Ihre Kritik richtet sich auch gegen queere, feministische BuchhändlerInnen, die durch ihre Geschäfte in Arbeitervierteln zur Gentrifizierung beitragen, sowie gegen „Nepo Babys“, die durch das Erbe ihrer Vorfahren vor allem finanzielle Vorteile genießen.
Ihre Performance zeichnet sich durch ihre stimmliche Vielfalt und die Fähigkeit aus, ihre Emotionen gekonnt zu modulieren. Sie wechselt zwischen lauten und leisen Tönen, und ihre Worte durchdringen den Raum. Auch Videosequenzen unterstützen sie dabei. Das Stück endet mit einem kritischen Blick auf den Kulturbetrieb, der von Reichen dominiert und vererbt wird. Fotzenschleimpower gegen Raubtierkaputtalismus ist eine kraftvolle und provokante Performance, die die gesellschaftliche Diskrepanz zwischen ungewolltem Flüchtlingskind und die Suche nach Anerkennung im deutschen Kulturbetrieb thematisiert.
Wo bleibt der Schleim?
(Gwendoline Wagner)
Als der Theaterraum bei Mateja Mededs fotzenschleimpower gegen raubtierkaputtalismus betreten wird, befindet man sich in einer traumartigen Umgebung. Nebel schwappt von den Ecken hervor, das Licht bleibt gedimmt und düster und es hallt trance-ähnliche Musik von den Lautsprechern. Es fällt das minimalistisch gehaltene Bühnenbild auf, mit neonpinkem Klebeband wurden Linien gezogen und zwei Teppiche an dem Boden befestigt, auf dem einen befindet sich ein Disco-Laufband. Der Beginn wird durch ein Voice-Over und Spiel mit der Videowand eingeleitet und meine Erwartungshaltung, rein anhand des Titels hergeleitet, freut sich auf eine Auseinandersetzung mit Schleim.
Der Anfang des Stückes bricht aus dem restlichen Stück hinaus. Es fühlt sich zu Beginn an, als würde man sich in einem immersiven Hörbuch-Raum befinden, was dadurch gebrochen wird, dass die Performerin in alien-artiger Montur von dem Publikumsraum auf die Bühne tritt. Da sie hierbei die Stiegen hinabsteigt, wurde sie von den ersten paar Reihen gar nicht bemerkt, bis sie dem eigenen Platz immer näherkam. So entsteht ein interessanter Moment, in dem sich die ein oder andere zuschauende Person, durch ein simples über die Schulter schauen, in ihrem Sessel erschreckte.
Spannend zu beobachten war die Bedienung des Lichts. Verschieden farbiges Licht wurde eingesetzt, um bestimmte Emotionen oder einen Szenen- bzw. Szenerie-Wechsel einzuleiten. Dem Stück hätte es gutgetan, wenn die Videowand noch mehr in die Diegese miteinbezogen wird – die Sequenz zu Beginn des Stückes war ästhetisch interessant und hat Aufmerksamkeit generiert, es wäre spannend gewesen, wie das Stück funktioniert hätte, wenn damit noch mehr gearbeitet worden wäre. Es wäre dahingehend produktiv gewesen, dass der Anfang, der andernfalls fast komplett aus dem restlichen Stück rausfällt, mehr in das gesamte Stück miteingebunden werden kann. Da leider das „vaginale Archiv“, welches zu Beginn angesprochen wird, nicht weiter in Verhandlung tritt.
Die oben erwähnte persönliche Erwartungshaltung und die daraus stammende leichte Enttäuschung, dass der Titel nicht wörtlicher genommen wurde, begleiten mich auch nach dem Stück weiter. Aus persönlicher Sicht hätte das Stück mehr Provokation und somit mehr Dreck, mehr Schleim und Konfrontation gebraucht und gut vertragen. Der Titel lässt darauf schließen, dass alles andere als größtenteils Sprechtheater auftritt. Dennoch war es beeindruckend zu beobachten, wie die persönliche Geschichte auf der Bühne und damit die Kapitalismuskritik und Kritik an der Gentrifizierung erzählt werden kann, da es sicherlich nicht einfach ist, Großteil des Stückes allein auf der Bühne zu stehen und einen großen Brocken an Text abzuarbeiten. Meiner Meinung nach hat es dem Stück an Elementen gefehlt, die den Titel umso mehr rechtfertigen würden – oder es verlangt nach einer Umbenennung. Aber dennoch „es muss immer weiter gehen“ und durchaus wäre es interessant, das Stück mit einer anderen Erwartungshaltung erneut zu sehen, damit kein Schleim und kein Raubtier mehr vermisst werden kann.
Eine Abrechnung mit dem K&K- Künstlerkollektiv
(Katrin Firlinger)
Am letzten Tag unserer Intensivwoche wurden wir ins Kosmostheater zu Mateja Mededs One-Woman-Show mit dem eher ungewöhnlich klingenden Titel Fotzenschleimpower gegen Raubtier Kapitalismus geladen. Obwohl skeptisch obgleich des eigenen Titels und der Altersempfehlung ab 14 Jahren gestaltete sich der Abend als unterhaltsam, tiefgründig und informativ.
Meded kommt mit nur wenigen Bühnenteilen aus, nutzt für sich nur ein kleines Laufband und zwei Teppiche. Der lange Perserteppich, so erklärt sie, ist aus ihrem Elternhaus, den anderen habe sie um 20€ beim Einzug in ihre damals neue Studienwohnung gekauft. Der Fokus ihrer Vorführung liegt vielmehr auf Mimik, Gestik, Lichtstimmungen, Sprache und Tempo, als auf den Requisiten und hier liefert sie sympathisch, vorwärtsgetrieben und mit einer gewissen Ehrlichkeit ab. Obgleich sie Anfangs noch als Alien durch die Reihen der Publikumstribüne schreitet, entledigt sie sich schnell ihres Kostüms, das aus langen, pelzigen Armen, einer Haarmähne und einer Spiegelfläche anstelle eines Gesichts besteht. Der Spiegel wird uns als Gesellschaft im Laufe des Abends symbolisch weiterhin vorgehalten. Unter dieser Andersartigkeit, dem Alien, der von ihr genannten dicken Haut, steht danach ein fast normaler Mensch. Dieser Mensch trägt eine Unmenge an Puder im Haar und einen durchscheinenden, silbernen Body. Dieser könnte ebenso einer Starwarskriegerin der Galaxis gehören und weckt Assoziationen zu Kriegsuniformen, gleichzeitig ist der Anzug so dünn und durchsichtig, dass er im Gegensatz zum dickhäutigen Alien alles offenlegt. Diese Offenheit spiegelt sich auch anhand ihrer Geschichten wider. Mateja Meded nutzt die Alienmetapher gezielt für sich, um von ihrem Leben als illegale Einwanderin in Deutschland zu erzählen. Sie spricht von ihrem Heimatplaneten, von Kriegserfahrung, von einem Raumschiff in dem sie als Kind nach Deutschland kam, vom Leben im Flüchtlingsheim, vom Aliendasein in einem sozialen Umfeld der deutschen Mittelschicht. Diese Geschichten werden hauptsächlich in Monolog-Form erzählt, gelegentlich spricht sie mit „Judith“, die anhand einer Projektion im Hintergrund dargestellt wird und als symbolische Personifikation für die Kulturbranche gewertet werden kann. An anderen Stellen bricht sie begleitet zu futuristischer Technomusik in Tanz aus. Stetiger Begleiter und Symbol ihrer Vorwärtsgewandtheit und Getriebenheit ist das Laufband, auf dem sie während manchen der Monologe voranschreitet.
Ihre Monologe und Anektoten, ihre Geschichtssammlungen wenden sich hauptsächlich an die progressive Linke und Mitte, an nur vermeintlich inklusive, feministisch-queere Menschen, die Kapital aus dem Leid marginalisierter Personengruppen schlagen. Sie rechnet mit dem Künstlerkollektiv ab, das die Geschichten von Geflüchteten und Migrant*innen als Modeerscheinung für sich nutzt, sie spricht von dem uns nicht immer gewahren Privileg der deutschen Mittelschicht durch Kontakte, Sprache, Geld der Eltern, Erbschaft und von der Alienation als Außenstehende. Von Socializing in Bereichen, in denen sie die sozialen Regeln nicht verstand, von Ausgrenzung in der „K&K“, Kunst- und Kulturbranche, bis hin zu ghosting durch ihre Redakteure. Sie erzählt von früherer Hardpower, die heute durch Softpower abgelöst wurde, hier profitiert, wer hip und beliebt ist. Hip und beliebt ist, wer über Flüchtlinge spricht, nicht die Flüchtlinge selbst. Mateja Meded kritisiert, dass diese Narrative und Erfahrungen den Geflüchteten aus der Hand genommen wurden und nun von Weißen, der Mittelschicht angehörenden Personen anhand von Opferrollen und anhand von Mitleidspolitik zur eigenen Bereicherung, sei es durch Kapital, oder durch erhöhtes soziales Ansehen genutzt werden. Die Minderheiten selbst werden hierbei nicht gehört und sind nicht erwünscht.
Überzeugend, bewegend und zum Nachdenken anregend wurden wir auf Mateja Mededs Reise genommen. Der Abend gestaltete sich als eines meiner persönlichen Highlights der Wiener Festwochen.
Erkenne dich selbst – von Gentri-Hipstern und queerfeministischen Nazierbinnen
(Carlotta Schneider)
Die Produktion fotzenschleimpower gegen raubtierkaputtalismus von Mateja Meded sticht heraus unter den bei den diesjährigen Festwochen vertretenen großen Namen eines jüngeren und älteren Theaterkanons und deren aufwändigen, teuren und imposanten Inszenierungen. Die von der Autorin und Schauspielerin Mateja Meded und der Dramaturgin Anna Laner konzipierte Produktion kommt mit wenig Bühnenbild im kleinen Kosmos-Theater aus. Ein im Schwarzlicht grün schimmernder Teppich, auf dem ein Laufband steht, auf welchem Schrift zusammen mit der Soloperformerin Meded mitläuft, ein Tierfell auf dem mit Farbe die Lettern „Pamet U Glavu“ geschrieben sind, was so etwas wie „Sei schlau!“ bedeutet, diverse am Boden mit pinkem Klebeband befestigte Bilderrahmen und eine großflächige Videoprojektion auf der Rückwand der Bühne bilden die Szene, in der Mateja Meded ihren fast anderthalbstündigen Monolog vorträgt. Die Themen des Monolog-Stücks variieren von Gentrifizierung und der damit verbundenen Vertreibung von migrantischen Personen und anderen Gruppen mit weniger Kaufkraft aus ihren Stadtteilen und Wohnungen, von der Aneignung, nicht nur von Wohn- und Stadtraum sondern auch von Geschichten und Narrativen durch eine junge weiße Kunst- und Kulturelite, von struktureller Diskriminierung insbesondere im Kulturbereich bis hin zur Realität von Flucht, Kriegserfahrung, Begegnungen im Asylheim und den transgenerationalen Traumata, die Menschen erfahren, deren Leben mit einem Mal zusammenbricht, die sich in der Folge an einem fremden Ort wiederfinden, an denen ihre Studien keinerlei Wert mehr besitzen und sie als Putzfrauen in deutschen Haushalten ihre Körper zugrunde richten.
Meded inszeniert sich selbst als Alien, indem sie zu Beginn der Vorstellung in einem grotesken Kostüm, gebückt, mit Perücke inklusive Spiegelmaske aus der Tribüne des Zuschauerraums auf die Bühne hinabsteigt. Das Zitat von Antonio Gramsci, welches noch vor Beginn des Stücks auf die Wand projiziert wird, wird hier zum Credo: Meded hält den Zusehenden, dem elitären Kulturpublikum der Wiener Festwochen, aber auch genereller einer deutschen und österreichischen Gesellschaft den Spiegel vor und fordert die Reflektion der eigenen Privilegien. Durch die Figur des Aliens markiert sie einerseits einprägsame und sich wiederholende Erfahrungen – ob es ihre eigenen sind, bleibt unklar – der Nicht-Zugehörigkeit, der ständigen Außenseiter*innenposition, in der Kulturszene, aber auch in anderen gesellschaftlichen Kontexten. Darüber hinaus eröffnet sie durch die Figur des Aliens einen Raum der spekulativen Zukünfte, „Yugofuturismus“, wie es im Ankündigungstext heißt, einen Raum für Reflektion und Transformation.
Auch wenn der Titel nicht ganz einlösen kann, was er verspricht, gelingt Mateja Meded mit fotzenschleimpower gegen raubtierkaputtalismus ein unterhaltsamer Theaterabend an dem eine Vielzahl an gesellschaftspolitischen Themen gekonnt verknüpft werden und sich viele Personen im Publikum sicher an die eigene Nase fassen werden müssen.
Von Betroffenheit bis Satire: Mateja Meded performt im Kosmos-Theater im siebten Wiener Gemeindebezirk
(Ferdinand Zecha)
Wien, 13. Juni 2024. Endlich hätte sie nun auch ein Woman’s rage on stage gesehen, erklärte mir eine Studienkollegin nach der Vorstellung im Foyer des Kosmos-Theaters. Es sei eine Unterkategorie der Performance-Kunst von der sie schon öfters gelesen hätte. Als männlicher Zuschauer ist man nach dem Sehen von Fotzenschleimpower gegen Raubtierkapitalismus gewarnt, das Übernehmen von Ideen auszuweisen.
Eine der Geschichten, die Mateja Meded in Personalunion von Text, Regie und Schauspiel auf der Bühne vorträgt, lautet wie folgt:
Sie hätte sich bei einem Veranstaltungsleiter mit einem ausgearbeiteten Workshop-Konzept beworben. Nachdem dieses nicht berücksichtigt worden sei, hätte sie im darauffolgenden Jahr zu ihrer Überraschung festgestellt, wie die neue Ausgabe der Veranstaltung nach der Idee ihres abgelehnten Vorschlags benannt worden sei. Mateja Meded trägt diese Geschichte frontal zum Publikum gerichtet vor. Sie geht dabei auf einem Laufband, welches sie gelegentlich per Fernbedienung in der Geschwindigkeit verändert. Sie trägt die Geschichte im Präsens vor und fügt ein nachgestelltes Telefonat mit dem leitenden Dramaturgen in ihren Vortrag ein. Meded tritt in letzterem Fall mit einer über den Lautsprecher eingespielten männlichen Stimme in den Dialog.
Weitere Kurzgeschichten, die Meded auf ähnlich Weise vorträgt, handeln ebenfalls von gescheiterten Versuchen in der Kulturbranche Fuß zu fassen. Der Duktus der persönlichen Betroffenheit, der üblicherweise mit dieser Form einhergeht, wird von Meded mit den Mitteln der Komik und Satire durchkreuzt. Ihr Fremdeln in dem in der Kulturbranche vertretenen Milieu verknüpft sie mit ihrer Herkunft. Als Kind ist Meded mit ihrer Familie aufgrund des Jugoslawien-Kriegs nach Deutschland geflohen. Diese Migrationsgeschichte gibt sie, stellenweise auf Pointen verdichtet, ebenfalls wieder.
Der klassische familiäre Hintergrund von Personen in der Kulturbranche erscheint in ihren Anekdoten in Abgrenzung dazu als einer, den man in Wien den klassischen Merkmalen des Bobo-Milieus zuschreiben würde. Insofern wartete man gespannt, ob einige Pointen Mededs zu gereizter Stimmung im Publikum des Kosmos-Theaters führen würden. Man nimmt jedoch ungetrübtes Lachen und einen begeisterten Applaus am Ende wahr. Ist gerade dies das Perfide an den Bobos, dass sie mittlerweile auch zu Selbstironie fähig sind?