Predator Gazes

Eine Analyse der Blickkonstruktionen und deren Funktionen in John McTiernans Predator (1987) nach Christian Metz und Christine Noll Brinckmann.
Ein Essay von Aristotelis Goetzloff.

John McTiernans Action Thriller Predator (Predator, R.: John McTiernan, US 1987) gilt auch heute noch als einer der erfolgreichsten Filme seines Genres.[1] Dies liegt auf der einen Seite am mit Stars bepackten, testosterongeladenen und actionreichen Gesichtspunkt des Films; auf der anderen Seite auch an der extraordinären Erzählweise, welche durch die Verwendung verschiedener Blickkonstruktionen die diegetische Welt in ihrer Bedrohlichkeit einzigartig erscheinen lässt. 

Eben jene Blickkonstruktionen möchte ich im Verlauf dieses Essays nach den Ideen der Filmwissenschaftler*innen Christian Metz und Christine Noll Brinckmann herausarbeiten und deren erzählerische Funktionen vortragen.

Der Film mit Arnold Schwarzenegger als Protagonisten zeigt, wie ein aus sieben Mann bestehender Ex-Militär-Trupp unter der Führung von Major ‚Dutch’ Schaefer (Arnold Schwarzenegger) auf eine Mission geschickt wird um einen von Rebellen gefangengenommenen Minister zu bergen. Nach der Zerstörung des Rebellencamps und der Auffindung des ermordeten Ministers, begibt sich der Trupp zurück zur Landezone und wird auf seinem Weg von einem unbekannten sowie unsichtbaren Wesen gejagt.

Blick von unten

Um die Umgebung des Trupps so bedrohlich und feindlich wie möglich zu gestalten, wurden zum einen alle Szenen an einem Drehort im mexikanischen Urwald gedreht, zum anderen arbeitet der Film mit vergleichsweise langen Einstellungen, in denen die Schauspieler*innen durch das Dschungeldickicht kriechen. Weiters, und hier kommt Christian Metz ins Spiel, wird durch die Verwendung halbsubjektiver Einstellungen eine unbekannte Gefahr in Form eines unsichtbaren, Männer jagenden Aliens suggeriert. Christian Metz definiert die Perspektive der halbsubjektiven Einstellung als insgesamt objektiv, jedoch dem Blick einer Person angeschlossen.[2] Zusätzlich verhilft die halbsubjektive Einstellung zu einer leichteren Identifikation mit dem*r Betrachter*in.[3]

Abb. 1: Filmstill 1

Zur genauen Betrachtung möchte ich mein Augenmerk auf eine Szene legen, welche als besonders charakteristisch für die Halbsubjektive heraussticht. Etwa nach einem Drittel des Films, während der Trupp den Dschungel durchstreift, geraten die Charaktere auf eine Lichtung, die ihre Tarnung auffliegen lassen könnte. Der im Film als Fährtenleser etablierte Billy, portraitiert von Sonny Landham, begibt sich auf die Lichtung und bleibt wie erstarrt stehen, während der restliche Teil der Truppe im Dickicht auf sein Signal wartet, welches allerdings ausbleibt. Nachdem sich Major Schaefer behutsam zu ihm schleicht um nach seinem Empfinden zu fragen, entgegnet er ihm verängstigt There’s something in those trees. Die Kamera zeigt nun beide aus leichter Untersicht in einer Halbnahaufnahme (Filmstill 2) und springt in der folgenden Einstellung auf deren Augenhöhe, sodass sie die grüne undurchdringliche Wand des Dschungels in einer halbsubjektiven Einstellung zeigt (Filmstill 3). Die bedrohlich erscheinende, obwohl nichts zeigende Einstellung intensiviert sich mit der Verwendung eines Zooms, der jedoch nichts außer Dickicht anvisieren zu scheint. 

Abb. 2: Filmstill 2
Abb. 3: Filmstill 2

Blick von oben

Auf der gegenüberliegenden Seite des Erzählstrangs, welcher im Aufbau der Spannung zum großen Finale hinarbeitet, wiederholt sich die Sicht des Predator auf die Geschehnisse des Trupps immer öfter. Dieser bewegt sich unbemerkt zwischen den Bäumen und ist dank seines außerirdischen Tarnanzugs kaum bis nicht sichtbar. Immer wieder werden Point-of-View-Shots mit Wärmebild verwendet, die darstellen wie der Predator seine Beute aus seiner überlegenen Position beobachtet. Per Definition beschreibt Christine Noll Brinckmann die anthropomorphe Kamera als menschenähnliche Kameraarbeit, welche den Menschen hinter der Kamera spürbar macht, während die Bilder der technomorphen Kamera auf das technische Aufnahmegerät verweisen.[4] Wendet man nun Brinckmanns Definitionen von anthropomorpher und technomorpher Kamera an, erschließt sich  im ‚Blick von oben‘ eine Ambivalenz. Auf der einen Seite sind die Einstellungen deutlich aus dem Point-of-View (POV) gedreht und deuten den Menschen hinter der Kamera klar an. Auf der anderen Seite ist die Verwendung einer Wärmebildkamera weitestgehend von den Eigenschaften der natürlich menschlichen Sicht entfernt, sowie ein klarer Verweis auf das Aufnahmegerät (in diesem Fall der Infrarotkamera [Bildstill 4]) und somit ein Indiz für eine technomorphe Kamera.[5]

Abb. 4:  Filmstill 4

Die großteils von der modernen Filmtechnik vorangetriebene Verschmelzung der Grenze zwischen anthropomorpher und technomorpher Kamera spiegelt sich auch in der Rolle des Predators wider. Denn auch wenn dem Alien durch POV-Shots und Major Schaefers Beschreibungen wie „If it bleeds, we can kill it“ menschenähnliche Eigenschaften zugeschrieben werden, bleibt das Wesen hinter den Blicken für das Publikum ein blutrünstiges, Menschen für Trophäen jagendes, außerirdisches Monster, welches die Definition Mensch tendenziell weniger erfüllt. Dennoch ist anzumerken, dass die oben angedeutete Verschmelzung die Frage nach der Bedeutung des unbekannten Bösen hervorhebt.  Mitunter Grund für den Erfolg des Filmes war die Annäherung an eine vom Vietnam-Krieg verwundete Gesellschaft, vorangetrieben durch die metaphorische Repräsentation der im Krieg aufeinander gestoßenen Kräfte. In dieser Sichtweise erkennt man den Trupp, welcher ohne viel Information in ein ihm unbekanntes, feindliches Territorium platziert und von einer auf sie lauernden unsichtbaren Gefahr verfolgt wird, als Symbolbild für die amerikanischen Truppen des Vietnam-Krieges.

Direktnachweise

[1]IMDb, „John McTiernan“, IMDb, https://www.imdb.com/name/nm0001532/?ref_=nv_sr_srsg_0, Zugriff am 01.01.2021.
[2]Christian Metz, „Die unpersönliche Enunziation oder der Ort des Films“, Zu einigen Landschaften der Enunziation. Subjektive Bilder, subjektive Töne, ‚Point-of-View‘, hg. v. Jürgen E. Müller, Münster: Nodus Publikationen 1997, S. 96-105, hier S. 99ff.
[3]Ebd.
[4]Christine Noll Brinckmann, „Die anthropomorphe Kamera“, In: Die anthropomorphe Kamera und andere Schriften zur filmischen Narration, Zürich: Chronos 1994, S. 276-301.
[5]Ebd.

Quellenverzeichnis

IMDb, „John McTiernan“, IMDb, https://www.imdb.com/name/nm0001532/?ref_=nv_sr_srsg_0, Zugriff am 01.01.2021.

Christian Metz, „Die unpersönliche Enunziation oder der Ort des Films“, in: Zu einigen Landschaften der Enunziation. Subjektive Bilder, subjektive Töne, ‚Point-of-View‘, hg. v. Jürgen E. Müller, Münster: Nodus Publikationen 1997, S. 96-105.

Christine Noll Brinckmann, „Die anthropomorphe Kamera, in: Die anthropomorphe Kamera und andere Schriften zur filmischen Narration, Zürich: Chronos 1994, S. 276-301.