„Möchtest du die Rose annehmen, Patriarchat?“

Wie Die Bachelorette die aufkeimende Knospe des female gaze‘ verkümmern lässt.
Ein Essay von Magdalene Tabar .

Der Bachelor (ITV Studios Germany et al., 2003-heute): das Konzept der RTL Television Sendung ist ebenso oberflächlich wie sexistisch – 20 untereinander austauschbare Frauen kämpfen wochenlang um die Gunst eines attraktiven Junggesellen, wobei sie sich die größte Mühe geben, jedes Rollenklischee zu erfüllen. Der Rosenkavalier wiederum verteilt Abend für Abend sein romantisches Gewächs und testet sich so durch seinen Harem. Alle Kandidatinnen, die ihm gefallen beziehungsweise die nach seinem Mund reden, bekommen eine Rose. Die anderen gehen leer aus und werden heulend in eine Limousine gesetzt. Der Mann hat also auf jeglicher Ebene die Handlungs- und Entscheidungsmacht. Seit 2014 gibt es das Ganze auch für die ‚Girls‘ – wäre doch unfair, wenn nur Männer Rosen verteilen dürften. Man möchte der zunehmenden Forderung nach ‚Gleichberechtigung‘ selbst im Privatfernsehen nachkommen – vermeintlich. Jetzt ist die Frau mal am Zug und darf entscheiden, wer ‚gut genug‘ ist und wer nicht. Aber hat die Bachelorette tatsächlich somit dieselbe Handlungsmacht wie eine männliche Besetzung des Dating-Formats?  Im Folgenden wird der Text „Ist der Blick männlich?“ von E. Ann Kaplan herangezogen, um zu veranschaulichen, dass in einem Format wie Die Bachelorette (ITV Studios Germany et al., 2004-heute) die Frau keine Handlungsmacht besitzt und lediglich ein weiteres Rädchen in einer patriarchalen Maschinerie der Geschlechterdifferenz darstellt.

Angefangen bei dem Intro der Sendung, in dem die ‚Traumfrau‘ in verschieden knappen und figurbetonten Outfits durch den Bildschirm springt, bis hin zu Slow-Mo-Aufnahmen, wie sie aus dem Wasser steigt oder sich für die Nacht der Rosen ankleidet; diese fetischistische Überinszenierung etabliert einen konstanten male gaze. In ihrem Text befasst sich Kaplan mit der Frage nach der weiblichen Subjektkonstitution aus der Perspektive der Psychoanalyse. Dabei stützt sie sich auch auf Freuds Theorie des Unbewussten und stellt fest, dass die beiden Mechanismen Voyeurismus und Fetischismus häufig eingesetzt werden, „um den männlichen Zuschauer ganz im Einklang mit den Bedürfnissen seines Unbewußten zu konstruieren.“[1] 

So bezieht sich Voyeurismus auf den gesteigerten Lustgewinn durch die Beobachtung sexuell aktiver Personen, der sogenannte scopophilische Instinkt.[2] Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass es Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Voyeurismus gibt: Frauen empfinden selbst in der Rolle des Voyeurs diese Lust nicht so stark wie Männer.[3]  Fetischismus wiederum gründet sich vor allem in der äußeren Erscheinung eines Objekts, die als Stimulus der sexuellen Erregung dient. Das lässt sich einwandfrei auf die RTL–Sendung beziehen: Die Kameraführung, musikalische Untermalung (Intro-Lied jeder Staffel: Girl on Fire von Alicia Keys) und inszenierte Darstellung der Bachelorette werden so konzipiert, dass sie als erotisiertes Vergnügungsobjekt eines potentiell heterosexuellen, männlichen Zuschauers fungieren und repressive Identifikationsangebote für den weiblichen Publikumsanteil bereithalten. Repressiv deswegen, weil dem weiblichen Publikum durch diese Darstellungen suggeriert wird, dass sich eine begehrenswerte Frau lediglich über ihre äußerliche Erscheinung und ihren Sexappeal definiert. Im Prinzip reproduziert der Sender RTL Television mit einem solchen Format patriarchale Unterdrückungsmuster, in denen sowohl die Protagonistin als auch der weibliche Zuschauer*innenanteil Vergnügen aus der Identifikation mit der Objektrolle zieht, anstatt dem Ganzen eine weibliche Stimme zu geben und den Fokus auf eine weibliche Subjektivität zu richten.[4] Noch dazu schafft er durch die stereotypisierte Darstellung der Bachelorette ein problematisches Bewusstsein über die Weiblichkeit beziehungsweise eine Überbewertung dieser unreflektierten, gesellschaftlich akzeptierten Form der Weiblichkeit.[5] 

In der Nacht der Rosen steht die Bachelorette vor versammelter Mannschaft und blickt ernst in die Runde. Dabei bedeutet dieser Blick nicht automatisch Macht zu haben. „Männer schauen nicht einfach; ihr Blick beinhaltet Macht von Handeln und Besitzen, die dem weiblichen Blick fehlt“[6], schreibt Kaplan. Sie stellt fest, dass der Blick an sich nicht buchstäblich männlich ist, sondern den Blick zu besitzen und damit zu agieren bedeutet in einer männlichen Position zu sein.[7] Die Bachelorette darf zwar blicken (wortwörtlich), kann dabei aber nicht aktiv werden, da ihr die Handlungsmacht fehlt. Ihr Objektstatus wird vor allem über die Dominanz des männlichen Blickes deutlich, der eine Position weiblicher Subjektivität und somit den female gaze verhindert. Die Komplexität des Blickregimes wird hier einmal mehr deutlich, denn sowohl der männliche Zuschauer*innenanteil als auch die Bewerbungskandidaten werden durch die aus der Psychoanalyse stammenden Mechanismen Voyeurismus und Fetischismus privilegiert. Sie verfügen dadurch über eine Handlungsmacht, die der Frau fehlt, da Teile des weiblichen Vergnügens auf der Identifikation mit der Objektrolle basieren und sie damit Blicke nur erwidern kann.[8]  Bei Die Bachelorette kommt dieser sexuell objektifizierende, männliche Blick vor allem in den Kennenlern-Szenen zum Tragen. Die Männer sitzen in einem Autobus mit getönten Scheiben und geben, sobald sie die Junggesellin auch nur aus der Ferne sehen, ihre Meinungen zu ihrem Aussehen, Kleidungsstil und Sex-Appeal zum Besten. Dazu wird gefachsimpelt, ob diese ‚Granate‘ – sei es der Barbietyp oder eher die kleine, freche Maus – auch den individuellen Vorstellungen und Anforderungen entspricht. 

Die Bachelorette wiederum sieht die Kandidaten erst, wenn diese aus dem Auto steigen, sie kann davor also weder blicken, noch handeln – im übertragenen Sinn. Durch diese subjektzentrierte, den männlichen Blick bevorzugende Sichtweise wird die Frau als erotisches Blickobjekt angeboten, eine Sexualität wird negiert. 

Zwar hat in einem Format wie Die Bachelorette die Frau eine vermeintliche Handlungsmacht inne und man könnte von einem female gaze ausgehen, doch bleibt die Gesamtstruktur eines Subjekt-Objekt-Blickregimes immer bestehen, auch wenn die Frau die männlich definierte Position übernehmen darf.[9]

Die Sendung ist ganz nach dem Muster unserer patriarchalen Kultur konzipiert, in der der Mann durch die Geschlechterdifferenz und die beiden Mechanismen Voyeurismus und Fetischismus klar privilegiert wird.[10]

Darin liegt auch das eigentliche Unterdrückungsmoment des Formats Die Bachelorette, in dem die Frau zwar vermeintlich entscheiden und handeln darf, jedoch lediglich als Blickobjekt des männlichen Blickes fungiert. Noch dazu entmachtet die Sendung die Bachelorette konzeptionell, denn anstatt als selbstbewusste Frau ihren Traummann auszuwählen, muss sie hoffen, dass ihre letzte Rose dann auch tatsächlich angenommen wird. Das Einzige, das man dieser Sendung aus feministischer Perspektive vielleicht (wenn überhaupt) zuschreiben könnte, ist ihr Symbolismus – für raising awareness über den fehlenden weiblichen Diskurs, die herrschende Geschlechterdifferenz und der damit verbundenen einseitigen Handlungsmacht bietet sie sich sehr wohl an. Das Problem dabei ist jedoch, dass Sendungen wie Die Bachelorette so konzipiert sind, dass die Darstellung der Kandidaten*innen sowie die vom Format präsentierten Gender-Stereotypen (unter anderem durch Voyeurismus und Fetischismus) unterbewusst verinnerlicht werden. Fraglich wäre zudem, ob die kritische Reflexion nicht doch dem Unterhaltungscharakter der Sendung untergeordnet bleibt. 

Direktnachweise

[1] Kaplan, E. Ann, „Ist der Blick männlich?“, Frauen und Film 36, 1984, S. 45-60, hier S. 46.
[2] Vgl. Ebd.
[3] Vgl. Ebd., S. 52.
[4] Vgl. Ebd., S. 47.
[5] Vgl. Ebd., S. 49.
[6] Vgl. Ebd., S. 48.
[7] Ebd., S. 46.
[8] Vgl. Ebd., S. 54.
[9] Vgl. Ebd., S. 46
[10] Vgl. Ebd., S. 53.
[11] Vgl. Ebd., S. 46f.

Quellenverzeichnis

Kaplan, E. Ann, „Ist der Blick männlich?“, Frauen und Film 36, 1984, S. 45-60.