The Deaf View. Eine Analyse der Ton- und Bildgestaltung in der Serie THIS CLOSE (2018)

von Lisa Kaiser

Gehörlose Charaktere sind seit den 1950er Jahren im Mainstream-Fernsehen zu sehen. In diesen frühen Repräsentationen wurden die Charaktere jedoch stets von hörenden Schauspieler*innen verkörpert und oft als geistig behindert oder auch als stumm dargestellt.[1] Erst in den 1970ern wurden gehörlose Charaktere teilweise auch von gehörlosen Schauspieler*innen gespielt, wobei dies immer noch nicht der Mehrheit der Darstellungen entsprach.[2] Storylines mit gehörlosen Charakteren haben im Fernsehen in den letzten Jahren besonders zugenommen und weisen auch immer mehr positivere Aspekte auf, jedoch werden diese Geschichten stets von hörenden Produzent*innen erzählt, wie Shoshannah Stern in einem Interview anmerkt: „It seems to me that in the media, minorities have almost always been introduced to the mainstream through a member of the majority.“[3] Dies wendet sich gegen den Anspruch der NAD (National Association of the Deaf), dass jede Darstellung einer gehörlosen Person in den Medien auf Erfahrungen aus erster Hand eines Mitglieds der Gehörlosen-Gemeinschaft beruhen soll und dies unabhängig davon, ob diese Darstellung von medizinischen, legislativen, sozialen, kulturellen oder anderen Blickpunkten ausgeht.[4]

Im Jahre 1910 beschrieb der siebente Präsident der NAD gehörlose Menschen „[as] facing not a theory but a condition for they are first, last, and all the time the people of the eye.“[5] Diese Disposition beeinflusse und präge, laut Karen Christie et al., den Blick sowie den artistischen Ausdruck, unabhängig davon, ob die Materie die gehörlosen-Erfahrung widerspiegelt.[6] Die visuelle Sprache und visuelle Kultur der Gehörlosengemeinschaft bringt einen anderen Zugang auf die jeweilige Umwelt mit sich, der von Hörenden meist nicht berücksichtigt wird, was, wie Stern beschreibt, frustrierend und isolierend wirken kann: „It’s my reality as described by someone else who hasn’t actually experienced it for themselves. It’s disorienting and often lonely to have to fight for ownership of that – to defend your personal experience as what it is as opposed to what someone on the outside looking in thinks it is.“[7]

Unter anderem aus dieser Frustration heraus, produzierte sie, zusammen mit Joshua Feldman, die Serie This Close, die seit 2018 auf der Streaming-Plattform Sundance Now zu sehen ist. Mit Stern und Feldman als Produzent*innen, Drehbuchautor*innen sowie Stars der Serie, ist This Closedie erste Fernseh-Serie die sowohl von gehörlosen Produzent*innen kreiert wurde, als auch gehörlose Darsteller*innen in den Hauptrollen gehörloser Charaktere hat.[8] Insgesamt arbeiteten sowohl vor als auch hinter der Kamera 25 Gehörlose, sowie zwei Dolmetscher*innen an der Produktion mit.[9]

Im folgenden Essay soll nun anhand einer Analyse der Ton- und Bildgestaltung der Serie aufgezeigt werden, welche Formen des Sehens und Interagierens in der Serie hergestellt werden, vor allem auch in Anbetracht der natürlichen Sprache der gehörlosen Gemeinschaft – der Gebärdensprache. 

This Closebegleitet die beiden Hauptcharaktere und besten Freunde Kate Bailey (Shoshannah Stern) und Michael Rosen (Joshua Feldman) durch ihr turbulentes Leben. Während Kate versucht in ihrem PR-Job Fuß zu fassen und ernst genommen zu werden, kämpft der Graphic-Novel-Autor Michael immer noch mit der Trennung von seinem Ex-Verlobten Ryan (Colt Prattes) sowie einer nicht-enden-wollenden Schreibblockade. Beschrieben als „dramedy“[10] behandeltThis Close allbekannte Themen rund um Sex, Karriere, Ambitionen, Familie und Liebe.[11] Die Tatsache, dass die beiden Hauptcharaktere gehörlos sind, bringt natürlich, neben den ebengenannten Themen, auch gehörlosen-spezifische Erfahrungen und Handlungen mit sich. Dabei soll jedoch die Gehörlosigkeit nicht, im Sinne einer positiven, Vorbild-Repräsentation, in den Vordergrund gestellt, sondern lediglich die Erfahrungen und Erlebnisse von Kate und Michael erzählt werden, wie Feldman mehrmals in Interviews betont:

„We approach this show from a writing perspective, where we don’t think about representation first.“[12]

„We don’t want to feel we have to educate or represent our community well […] We just want to tell a story about two people who are deaf.“[13]

„Typically, deaf characters are amazing people, or they’re role models […] With our show, we really wanted to make sure that […] Kate and Michael would not be mistaken as role models. They’re just two normal young adults trying to do their best.“[14] 

Tongestaltung

Bilder und, vor allem, Ton können, durch eine direkte Kommunikation mit den Sinnen der Zuseher*innen, ästhetische und affektive Eindrücke bei diesen kreieren, selbst wenn sie nicht bewusst darauf achten.[15] In Mainstream-Produktionen verwenden hörende Filmschaffende die Ebene des Tons vor allem dazu Emotionen hervorzurufen, eine Atmosphäre zu schaffen, einen Spannungsaufbau hervorzuheben oder den Übergang zwischen Szenen zu markieren.[16] In der Darstellung von und für Gehörlose kann und sollte jedoch nicht allein auf solche Mittel und Techniken zurückgegriffen werden. 

Filme und Fernsehserien, die gehörlose Charaktere darstellen, versuchen oft die Erfahrung dieser Charaktere durch gänzliche Stille darzustellen. Jegliche Geräusche, Töne der Umgebung sowie Hintergrund-Musik werden stumm geschalten, um den*die Zuseher*in in die Position des gehörlosen Charakters zu versetzen. Diese Situationen werden dann mit einem Close-Up auf die betroffene Person dramatisiert.[17] Nach Rayman bekräftigen diese Darstellungen jedoch lediglich den Status der gehörlosen Person als Other– als abweichend von der Norm: „Though these techniques may heighten the awareness of deaf experience to a non-signing audience they also point to a disabling stereotyping of the experience of being Deaf as lacking – framing their experience as hearing loss rather than Deaf gain.“[18] Damit werde ein pathologisierender Blick auf Gehörlosigkeit hervorgehoben. Weiters sei eine völlige Abwesenheit von Geräuschen und Ton eine Falsch-Auffassung von Gehörlosigkeit und beschreibe somit keine authentische Erfahrung, wie Feldman erklärt: „People assume that if you’re deaf you hear nothing. One thing Shoshannah and I keep telling people is that being deaf isn’t about the absence of sound.“[19]

This Closezeigt demnach in der Tongestaltung keine allumfassende Stille. Off-Screen-Dialoge wurden fast gänzlich ausgeschlossen, denn wie Regisseur Andrew Ahn beschreibt: „to understand a line you have to see it“.[20] Während die Serie somit, durch die Kommunikation der Hauptcharaktere miteinander, und mit anderen, in Gebärdensprache nicht auf verbalen Dialog angewiesen ist, ist die Welt und Umgebung um sie herum keineswegs geräuschlos. Die Tongestaltung wechselt hierbei zwischen Momenten, in denen lediglich Umgebungsgeräusche zu hören sind sowie jene Geräusche, die die Charaktere durch ihre Bewegung erzeugen, zu Szenen, in denen die Geräusche etwas gedämpft sind, zu Szenen, in denen auch Hintergrund-Musik eingespielt wird. Dabei werden, vor allem in Momenten, in denen Gebärdensprach-Dialoge im Vordergrund stehen, die Umgebungs- und Körper-erzeugten Geräusche besonders betont, wie auch Miller in ihrem Review der Serie hervorhebt: „The one thing that adds to the atmosphere is the exaggerated mixing of the tactile sound effects. A hand tapping or slapping, a page turning, a phone vibrating – these are just a little louder than normal, with enough emphasis that they command attention.“[21] Die Tongestaltung der Serie orientiert sich somit auch besonders an der authentischen Erfahrung der Produzent*innen selbst: Während Soshannah Sterns Wahrnehmung von Ton (und demnach auch ihr Charakter Kates) darauf basiert, was sie durch ihr Hörgerät wahrnimmt, erfährt Joshua Feldman (somit auch Michael) Töne und Geräusche, durch Vibrationen physisch an und durch seinen Körper.[22]

Kates Wahrnehmung von Ton wird in einigen Szenen erfahrbar gemacht, in denen beispielsweise ihr Hörgerät ausfällt. Soundeffekte wurden hier eingesetzt, um den Dialog der sprechenden Personen um Kate herum zu verzerren und abzuhacken. Statisches Rauschen und das Piepsen des Hörgerätes sind zu hören, bevor langsam die Umgebungsgeräusche und Stimmen der anderen Charaktere wieder zurückkommen und klarer werden, wenn auch immer noch etwas gedämpft. In einer weiteren Szene befindet sich Kate bei einem Abendessen mit ihrem Verlobten Danny (Zach Gilford) und dessen Freunden, die, wie Danny auch, hörend sind. Ihr Hörgerät setzt wieder aus und sie muss sich auf Lippenlesen verlassen, um dem Gespräch der beiden Männer folgen zu können. Dabei wird klar, dass Lippenlesen nicht so einfach ist, wie es etliche Serien und Filme zuvor dargestellt haben. Die Untertitel zeigen den Zuseher*innen hier jedoch nicht, was die Männer tatsächlich besprechen, sondern das, was Kate denkt an deren Lippen zu entziffern. Die sprechenden Lippen der Männer werden im Close-Up gezeigt, abwechselnd mit Close-Ups auf Kates verwirrten und erstaunten Blick, da das von ihr entzifferte Gespräch überaus philosophisch wirkt. Gegen Ende der Szene, sind die Stimmen der Männer, neben der während der Szene laufenden Hintergrund-Musik, wieder zu hören, was den tatsächlichen Inhalt der Konversation für die hörenden Zuseher*innen schließlich preisgibt.  

Michaels Zugang zu Ton wiederum wird besonders durch die Hervorhebung der taktilen Ebene, also Ton als taktile Erfahrung, visuell dargestellt. Dabei werden häufig Close-Ups und Extreme-Close-Ups auf seine Hände gezeigt, wie sie mit bestimmten Objekten interagieren, diese berühren und eventuell sogar Vibrationen oder auch Lichtspiele erzeugen. „It is a Deaf view of sound in that it is created by the hands and perceived by the eyes.“[23]
Eine Szene in einem Nacht-Club zeigt Michael, wie er, vertieft in die Musik, mit Ryan zum Rhythmus tanzt. Die Vibrationen der Bass-Musik im Club sowie der Körperkontakt mit Ryan lassen ihn den Ton an seinem Körper spüren.

Durch ihre Disposition als gehörlose Person, konnten die Produzent*innen hier einen anderen Zugang zu Ton und Tongestaltung schaffen, der sich an authentischen Erfahrungen orientiert und diese versucht visuell für das Publikum erfahrbar zu machen: „In this way, the creators are decidedly conscious about placing the viewer inside not just their view of the world but, as much as possible, their physical experience of it.“[24]

Visuelle Ebene – Gebärdensprache

Nach Rayman spiele die Tongestaltung zwar eine Rolle in der Darstellung der Erfahrung gehörloser Menschen, jedoch sei der visuelle Aspekt der Produktion, und damit verbunden die authentische Darstellung von Gebärdensprache, weitaus wichtiger und bedeutender.[25] Denn Gebärdensprache ist einer der bedeutendsten Aspekte der Gehörlosen-Gemeinschaft.[26]

Gebärdensprachen sind komplexe, grammatikalische Systeme, die all jene Kern-Eigenschaften einer jeden anderen menschlichen Sprache besitzen. Der grundlegende Unterschied zwischen gebärdender und gesprochener Sprache, sind die unterschiedlichen Sets von Artikulatoren, die verwendet werden. Während gesprochene Sprache jene Artikulatoren, die benötigt werden, um Ton zu generieren (Stimmapparat), verwendet, macht die Gebärdensprache Gebrauch von Händen und Körper (inklusive des Gesichtes), um sowohl lexikale Formen als auch grammatikalische Beziehungen zu kodieren.[27] Trotz der steigenden Akzeptanz von Gebärdensprache, zeigt sich die Sprache in medialen Repräsentationen immer noch häufig unvollständig und vereinfacht dargestellt.[28]Bezüglich ihrer Kommunikation und Interaktion mit anderen, werden Gehörlose häufig dargestellt als Lippenleser-Expert*innen und fast jede gehörlose Person im Fernsehen kann die orale Sprache ausüben.[29] Auch Feldman kritisierte diese Darstellungen in einem Interview mit Out Magazine: „Most deaf characters in other shows speak because it’s easier for hearing audiences to access the dialogue […] So when I meet a hearing person, they expect me to speak for myself because that’s what they’ve seen on TV.“[30] Schmitt zu Folge gehe es demnach bei der Darstellung und dem Framing von Gebärdensprache in den Medien um weitaus mehr als nur Ästhetik:

„At issue are the terms of social engagement afforded to Deaf people through their roles as artists, actors, interpreters, and viewers. […] What we do about – and to – sign language and its users in the media […] is not merely a reflection of how Deaf people are treated in society. What we do about and to sign language is an implementation, an enactment of a society’s perceptions and values.“[31]

Film- und Fernseh-Produzent*innen treffen Entscheidungen darüber, ob und inwieweit die Mehrheit der hörenden und Englisch-sprechenden Zuseher*innen Zugang zu einer Minderheitssprache bekommen oder nicht. Rayman führt hierfür verschiedene Möglichkeiten der Zugänglichkeit an, die den Produzent*innen zur Verfügung stehen: die Untertitelung der Fremdsprache, die Übersetzung der Sprache durch einen der anderen Charaktere oder schließlich eine gänzliche Unzugänglichkeit der Sprache, außer an jene, die die Sprache selbst beherrschen.[32] Die zusätzliche Schwierigkeit bei Gebärdensprachen sei, dass hier sowohl das Medium als auch die Sprache visuell sind, wie Rayman weiter beschreibt:

„Filmmakers come from a hearing framework of film production where language equals sound on an audio track. Within that framework sound editing is separate from video editing and can provide continuity between disjointed visual shots. But this kind of reliance on sound to provide linguistic continuity fails when confronted with representing […] Sign Language on screen.“[33]

Entscheidungen der Produzent*innen über die Bildgestaltung müssen diese visuelle Komponente der Gebärdensprache, die visuelle Realität der Gehörlosen, miteinbeziehen und berücksichtigen, um diese Sprache der Gemeinschaft und somit die Interaktion miteinander authentisch und vollständig zu vermitteln, beziehungsweise überhaupt zu gewährleisten. Filmtechnische Trends entwickelten sich jedoch von einer Abhängigkeit von Wide- und Medium-Shots immer mehr in Richtung häufigem Zwischenschnitt von Close-Ups.[34] Die Tatsache, dass Zuseher*innen heutzutage Serien und Filme vermehrt auf immer kleineren Bildschirmen ansehen, machte die Close-Up-Einstellung zudem immer beliebter, da Wide-Shots auf diesen kleineren Geräten schlicht nicht so gut zur Geltung kommen.[35] Dieser Vorzug von Close-Ups eliminiert jedoch die Zugänglichkeit des*r Zuseher*in zur Gebärdensprache, da diese Sprache die Sichtbarkeit der Hände und des Körpers verlangt, wie auch This Closes Regisseur Andrew Ahn anmerkt: „So much of narrative filmmaking conventions is based in a hearing world, but if you have a super tight close-up, you won‘t see the hands.“[36]

This Closeweist in allen Episoden eine Mischung von Gebärdensprache (American Sign Language) mit Untertiteln und gesprochenem Dialog auf, der wiederum nicht untertitelt wird. Die Bildgestaltung der Serie folgt zwar im Gesamten dem eben erwähnten Industrie-Trend und zeigt zahlreiche Einstellungen im Close-Up oder sogar Extreme-Close-Up, jedoch handelt es sich hierbei entweder um Gegenstände oder Körperteile, die die bereits erwähnte taktile Erfahrung von Ton vermitteln sollen. Wann immer ein Close-Up eines Charakters im Gespräch zu sehen ist, ist dieses weit genug gehalten, um die Sprache nicht zu verdecken oder abzuschneiden. Die Hände sind hierbei fast immer ersichtlich, indem sie sich näher beim Gesicht befinden und damit trotz näherer Einstellung noch lesbar sind. Jedoch passiert es trotz alledem in einigen Szenen, dass die Gebärden der Charaktere entweder durch die Close-Up-Einstellung abgeschnitten oder durch Gegenstände oder andere Charaktere verdeckt werden. Der*die Zuseher*in kann dem Dialog hier jedoch durch die Untertitel trotzdem folgen, was den Ausschnitt der Gebärdensprache für hörende Zuseher*innen nicht so offensichtlich macht, wie Pajka beschreibt: „[T]he audience not fluent in ASL  may be unaware that language is being eliminated since they are reading English captions“.[37] Auch wird häufig in Szenen, in denen ein*eine Dolmetscher*in vorhanden ist, dieser Charakter entweder verdeckt oder gänzlich im Off des Bildes platziert, während man den übersetzten Dialog nur auf der Ton-Ebene hört. In einigen Instanzen hebt dies die Gebärdensprache hervor, da dieser Sprache die Präferenz im Bild gegeben wird, während die Stimme des*r Dolmetschers*in ins Off verbannt wird; in anderen Szenen jedoch ist das Gegenteil der Fall und die gebärdende Person – der*die Dolmetscher*in – wird aus dem Bild geschnitten. In der zweiten Episode der zweiten Staffel, „No Place Like Home“, als Kates Großmutter Hollis (Marylouise Burke) ihre Rede hält, ist die dafür engagierte Dolmetscherin gänzlich aus dem Bild entfernt und wir hören nur was Hollis sagt. Während This Closeim Gesamten bemüht ist Gebärdensprache stets zugänglich und lesbar im Bild darzustellen, bilden diese vereinzelten Szenen doch einen Ausschluss, da Gebärdensprache aus dem Bild geschnitten wird und sich die Vermittlung des Dialogs auf andere Mittel wie Untertitel oder Ton verlässt.

Close-Ups seien, Rayman zu Folge, auch nicht nur hinsichtlich ihrer ausschließenden Funktion der Sprache gegenüber achtsam einzusetzen. Cose-Ups auf Hände, die gerade gebärden, seien zu vermeiden, da dieser fokussierte Blick auf die Hände die gebärdende Person und ihre Sprache objektifiziere: „[…] extreme-close-ups of the hands should be avoided as it de-humanizes sign languages and reduces language to animalistic gestures.“[38] Obwohl in This Closehäufig Hände, wie bereits beschrieben, im Close-Up zu sehen sind, ist diese Wahl der Einstellung nie getroffen, während sich die Charaktere unterhalten. Damit wird eindeutig hervorgehoben, dass Hände zwar, im Sinne einer taktilen Erfahrung der Welt und als Instrument der Kommunikation, für gehörlose Personen von Bedeutung sind, jedoch wird die Sprache und die Person hierbei nicht als Spektakel oder etwas Exotisches inszeniert. Gebärdensprache setzt den gesamten Körper, inklusive Mimik, ein und dies sollte auch in der Darstellung ersichtlich sein. This Closeweist neben Close-Ups überwiegend Two-Shots von Kate und Michael im Gespräch auf, zeigt somit den authentischen Gebrauch von Gebärdensprache, als Kommunikation zwischen Menschen und normalisiert diese visuelle Form des Interagierens miteinander.

Auffällig in der Bildgestaltung ist auch der häufige Einsatz von ‚voyeur-shots‘, die das Geschehen von einer Position inmitten der Umgebung, abwechselnd auch in Frosch- oder Vogelperspektive, zeigen (wie in Abb. 1-3 ersichtlich), sowie die Einblendung von Aufnahmen bestimmter Details einer jeweiligen Umgebung bei Szenenwechseln und dies ebenfalls in verschiedensten filmtechnischen Einstellungen, wie häufig Close-Ups oder Kamerafahrten. Die Aufnahmen erlangen dadurch einerseits visuelles Interesse und haben andererseits auch die Funktion, die Charaktere in ihrer jeweiligen Umgebung einzubetten und zu verorten. Es wird hierbei auch ohne Musik ein Szenenübergang markiert und ein Gefühl für die jeweilige Umgebung der Charaktere vermittelt, wobei auch eine bestimmte Atmosphäre erzeugt wird, die somit visuell erfahrbar gemacht wird. 

Abb. 1: ‚Voyeur-Shot‘-Beispiel 1. „The Chances“, This Close, R.: Andrew Ahn, 2018, 18:36.
Abb. 2: ‚Voyeur-Shot‘-Beispiel 2. „Who We Are“, This Close, R.: Andrew Ahn, 2018, 16:51.
Abb. 3: ‚Voyeur-Shot‘-Beispiel 3. „The Way We Were“, This Close, R.: Andrew Ahn, 2018, 07:23.

This Closefordert eingeübte Fernseh-Konventionen der Zuseher*innen heraus und stellt einen interessanten, neuen Zugang zu Ton, Bild und Sprache vor. Da die Serie nicht auf verbalen Dialog angewiesen ist und die Mehrheit der Kommunikation und Interaktion in Gebärdensprache vonstattengeht, sind all jene hörende Zuseher*innen, die Gebärdensprache nicht beherrschen, gezwungen Untertitel zu lesen und sich visuell und aktiv auf die Serie zu konzentrieren, um dem Geschehen zu folgen. Dabei werden einem die visuelle Ebene der Geschichte sowie seine eigenen Seh- und Hörgewohnheiten bewusst. Die Inklusion von mehr gehörlosen Drehbuchautor*innen, Produzent*innen, Regisseur*innen sowie Schauspieler*innen würde solch positivere und vor allem authentischere Darstellungen von gehörlosen Charakteren weiter erhöhen und birgt das Potential neue Formen des Sehens, neue Formen des Erfahrens und Interagierens Miteinander ins Fernsehen zu bringen.


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[1] Vgl. Golos, Debbie B., „Television: Mainstream Programming“, S. 968, in: Gertz, Genie/Patrick Boudreault (Hrsg.), The Sage Deaf Studies Encyclopedia, Los Angeles: SAGE Reference 2016.

[2] Vgl. Ibid., S. 969.

[3] Kumar, Naveen, „Pushing Deaf Storytelling Past the Tipping Point“, Entertainment Tonight, 2018, https://www.etonline.com/how-nyle-dimarco-shoshannah-stern-and-others-are-pushing-deaf-storytelling-past-the-tipping-point [10.01.2020].

[4] Vgl. o.N., „Guidelines for Media Portrayal of the Deaf Community“, National Association of the Deaf, o.D., https://www.nad.org/about-us/position-statements/guidelines-for-media-portrayal-of-the-deaf-community/ [24.11.2019].

[5] Christie, Karen/Patricia Durr/Dorothy Wilkens, „Close-up: Contemporary Deaf Filmmakers“, Presentations and other Scholarship, 2006, S. 91, zit. n. Verditz, George, Proceedings from the Ninth Convention of the National Association and the Third World’s Congress of the Deaf, Los Angeles: Philocopus Press 1910, S. 30.

[6] Vgl. Christie/Durr/Wilkens, „Close-up”, 2006, S. 93.

[7] Kumar, „Pushing Deaf Storytelling Past the Tipping Point“, 2018.

[8] Vgl. Blum, Steven, „Josh Feldman Had Never Seen a Gay, Deaf Character on TV, So He Made One Himself“, Out Magazine, 2018, https://www.out.com/out-exclusives/2018/1/25/josh-feldman-had-never-seen-gay-deaf-character-tv-so-he-made-one-himself [28.01.2020].

[9] Vgl. Sarner, Lauren, „‚This Close‘ Notches A First: A Show Created By Deaf People“, New York Post, 2019, https://nypost.com/2019/09/09/this-close-marks-a-first-a-show-created-by-deaf-people/ [28.01.2020].

[10] Press, Joy, „‚This Close’ Is by and About Deaf People, but That’s Only the Beginning“, The New York Times, 2018, https://www.nytimes.com/2018/02/09/arts/television/this-close-sundance-now.html [01.02.2020].

[11] Vgl. Schroeder, Audra, „The Adult Struggle Gets A Refreshing Rewrite in ‚This Close‘“, The Daily Dot, 2018, https://www.dailydot.com/upstream/this-close-review/ [28.01.2020].

[12] McFarland, Melanie, „Step into the ‚This Close‘ Bubble With Two Deaf Best Friends in a Hearing World“, Salon, 2019, https://www.salon.com/2019/09/12/step-into-the-this-close-bubble-with-two-deaf-best-friends-in-a-hearing-world/ [28.01.2020].

[13] Press, „‚This Close’ Is by and About Deaf People, but That’s Only the Beginning“, 2018.

[14] Saperstein, Ari, „These Deaf Writers Couldn’t Find A Community In LA — So They Created A TV Show“, LAist, 2019, https://laist.com/2019/09/11/sundancetv-this-close-shoshannah-stern-josh-feldman.php [01.02.2020].

[15] Vgl. Tarvainen, Jussi/Stina Westman/Pirkko Oittinen, „The Way Films Feel: Aesthetic Features and Mood in Film“, Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts, 9, 2015, S. 1.

[16] Vgl. Christie/Durr/Wilkens, S. 99.

[17] Vgl. Foss, Katherine A., „(De)stigmatizing the Silent Epidemic: Representations of Hearing Loss in Entertainment Television“, Health Communication, 29/9, 2014, S. 895.

[18] Rayman, Jennifer, „The Politics and Practice of Voice: Representing American Sign Language on the Screen in Two Recent Television Crime Dramas“, M/C Journal, 13/3, 2010, http://journal.media-culture.org.au/index.php/mcjournal/article/view/273 [28.01.2020], S. 1. 

[19] Blum, „Josh Feldman Had Never Seen a Gay, Deaf Character on TV, So He Made One Himself“, 2018. 

[20] Press, 2018.

[21] Miller, Liz Shannon, „This Close Creators Shoshannah Stern and Josh Feldman on Delving into “Deaf-Lived Experiences”“, Paste Magazine, 2019, https://www.pastemagazine.com/articles/2019/09/this-close-season-2-interview-shoshannah-stern-jos.html [01.02.2020].

[22] Vgl. Blum, 2018.

[23] Christie/Durr/Wilkens, S. 100.

[24] McFarland, Step into the ‚This Close‘ Bubble With Two Deaf Best Friends in a Hearing World“, 2019. 

[25] Vgl. Rayman, „The Politics and Practice of Voice”, S. 1. 

[26] Vgl. Pajka, Sharon L., „Deaf Cultural Values in Switched at Birth“, S. 179, in: Newman, Emily L./Emily Witsell (Hrsg.), ABC Family to Freeform TV: Essays on the Millennial-Focused Network and Its Programs, North Carolina: McFarland & Company, Inc., Publishers 2018.

[27] Vgl. Senghas, Richard J./Leila Monaghan, „Signs of Their Times: Deaf Communities and the Culture of Language“, Annual Review of Anthropology, 31, 2002, S. 74.

[28] Vgl. Foss, „(De)stigmatizing the Silent Epidemic”, S. 890. 

[29] Vgl. Golos, Television: Mainstream Programming“, S. 968. 

[30] Blum, 2018.

[31] Schmitt, Pierre, „Representations of Sign Language, Deaf People, and Interpreters in the Arts and the Media“, Sign Language Studies, 18/1, 2017, S. 140-141.

[32] Vgl. Rayman, S. 1.

[33] Ibid., S. 2.

[34] Vgl. Ibid. 

[35] Vgl. Pajka, „Deaf Cultural Values in Switched at Birth“, S. 186. 

[36] Press, 2018.

[37] Pajka, S. 187.

[38] Rayman, S. 3.