von Joseph Ruttinger | 15. Februar 2022 | Issue The Caring Media
„How Can We Save Our Earth? Caring for the environment is the way forward.“ [1] So lautet die erste Zeile auf einer Webseite, die Tipps für einen nachhaltigen Lebensstil in Angesicht der menschengemachten Erderwärmung verbreitet. In solchen Selbsthilferatgeber*innen –Webseiten, Blogs, Foren und Büchern – werden nachhaltige Praktiken verhandelt. Dort wird diskutiert, wie sich alltägliche Verhaltensweisen an die Klimakrise adaptieren lassen und wie sie möglichst nachhaltig durchgeführt werden können. Im vorliegenden Text untersuche ich medial verbreitete Nachhaltigkeitspraktiken auf ihren zugrundeliegenden marktlogischen Effizienzdrang, auf das mit ihnen einhergehende suggerierte Verständnis von Sorge um die Umwelt und auf die implizierten Versprechungen von einer anderen Existenzweise. Insbesondere wird mich die Frage beschäftigen, ob mir das Betreiben einer sog. „Wurmkiste“ und deren mediale Darstellung interspezielle relationale Ontologien näherbringen kann, die eine anthropozentrische Weltanschauung herausfordern.
In der Einleitung zu ihrem Buch, Live Green: 52 Steps for a More Sustainable Life, schreibt Jen Chillingsworth als Advokatin für Leute, die versuchen nachhaltig zu leben:
„Many of us are already doing what we can to adopt a greener lifestyle. We recycle, try to reduce our waste and plastics, choose organic food when we go grocery shopping, eat less meat and opt for environmentally-friendly cleaning products. And yet we often wish we were doing even more as we see news reports and nature programmes on television depicting the terrifying and long-lasting damage done to our planet by humankind.“ [2]
Jen Chillingsworth
Bereits zu Beginn ruft Chillingsworth die Prinzipien auf, an denen die Praktiken eines nachhaltigen Lebens auszurichten sind. Es handelt sich um drei zentrale Maßstäbe von Nachhaltigkeitsdiskursen: das Reduzieren, Wiederverwenden und Rezyklieren. [3] Chillingsworths Einleitung zeugt von einem ausgeprägten Sinn von persönlicher Verantwortung gegenüber dem Planeten. Eine Auffassung deren Verbreitung spekulativ auf Werbekampagnen von industriellen Großkonzernen zurückgeführt werden kann. Durch die Verbreitung des Begriffs Carbon Footprint, der in seiner konzeptuellen Rahmung die Konsument*innen als Verursacher*innen und zugleich Löser*innen der CO2-Belastungen stabilisiert, anstatt die Industrie, die proportional den größeren Schadstoffausstoß hat und den Konsum bedient bzw. erst möglich macht, ins Zentrum der Observierung zu stellen. Dies wurde beispielhaft von Mark Kaufmann an den Kampagnen des Großkonzerns British Patrol (BP) nachgezeichnet. [4]
Durch Anpassungen des alltäglichen Verhaltens und wiederholtes Aufrufen kann das Verantwortungsbewusstsein internalisiert und schmerzlich enttäuscht werden, wie Chillingsworth es im folgenden Abschnitt zum Ausdruck bringt: „We try to make changes that we think will work for us and for the planet, and when the result is not as we might have wished, we’re left dealing with environmental guilt and a sense of failure. I’ve been there and speak from experience.“ [5] Die Darstellung ihrer Anstrengungen umschreiben eine Subjektposition, deren selbstbestätigenden Handlungen innerhalb einer global wirksamen meritokratischen Gesellschaftsordnung zu verorten sind. Das charakteristisch Meritokratische daran wäre das Selbstverständnis, dass ihre individuelle Handlungsmacht darin bestehe sich möglichst effizient für die Rettung des scheinbar leidenden Planeten und für den Fortbestand der Menschheit und gegen den menschenverursachten Klimawandel einzusetzen. Es lassen sich Verhaltenszüge der Leistungsgesellschaft erkennen, wie sie Byung-Chul Han beschreibt. [6] Chillingsworths Bemühungen sind angetrieben von der Dringlichkeit der Klimakrise und gezeichnet von Selbstüberwachung und Selbstausbeutung.
Weiters scheinen für mich die Sorgepraktiken einer Kommodifizierung zu unterliegen, die sie eng mit den Angeboten des freien Marktes verbindet. Mit Hilfe von Angebot, Nachfrage und Absatzmärkten wird auf diese Art von ökologischer Sorge reagiert; sie wird dadurch mitkonstruiert und bedient. Durch Gestaltung und Ausbau von Nischenmärkten werden erwerbbare Subjektpositionen angeboten, also Waren, die gekauft werden können, deren Assemblage vorbestimmte Lifestyle-Vorstellungen erfüllt.
Ihre Vorschläge für Anpassungen der Alltagspraktiken und des Konsumverhaltens rechtfertigend räumt Chillingsworth ein: „These are achievable, useful and practical ideas and I truly believe that small steps lead to big changes. We are all at different places and stages in our lives, yet we are all in this together to help look after our beautiful planet.“ [7] Sie verortet die Klimakrise als gemeinsame Herausforderung einer unbestimmten diversen Gruppe kollektivierter, aber individueller, Konsument*innen. Diese sollen aus ihren unterschiedlichen Lebenssituationen heraus einer Sorgearbeit für den Planeten nachgehen. Die Versprechung dabei ist die Konservierung der Schönheit des Planeten.
Katja Rothe ergründet in ihrem Artikel „Medienökologie – Zu einer Ethik des Mediengebrauchs“ die historische Entwicklung einer medienökologischen Perspektive, die für die Analyse der obigen nachhaltigen Praktiken hilfreich sein kann. Rothe zeigt, dass die Idee der ‚schützenswerten‘ Natur erst durch die Verbreitung des Ökologiebegriffs entwickelt wurde. [8] In einer weiteren geschichtlichen Entwicklung, wie Rothe mit Michel Foucault beschreibt, Vollzog sich eine gesellschaftliche Distanzierung von Moralvorstellungen basierend auf Reglements. Als neue Ethik etablierte sich eine ‚Sorge-um-sich-Selbst‘. Diese Herausbildung von Ökologiebegriff und Selbstsorge führten zu einer Reformierung der alltäglichen Lebenspraktiken. Eine Reform, welche sich an der Notwendigkeit orientierte, das eigene Leben ästhetisch zu gestalten – in einer Weise, wie es vom Subjekt selbst, ebenso wie von Anderenstets mit Anerkennung belohnt werden sollte. Die postmoderne Sorge um das Selbst ermöglichte ein Selbstverständnis, welches die eigene Haltung gegenüber sich, den anderen und der Umwelt als Bezugsfelder etablierte. [9]
Der historische Exkurs im vorigen Abschnitt soll auf die Konstruiertheit von Sorge und auf die Möglichkeitsbedingungen von Sorgepraktiken hinweisen, die sich den Umständen entsprechend ausdifferenzieren können. Angeleitet durch Astrid Schrader möchte ich Sorge in ihrer Vielschichtigkeit begreifen, um nachhaltige Alltagspraktiken auf ihre über Sorge operierende Suggestivkraft zu untersuchen. Schrader beschreibt Sorge als eine Beschäftigung, die Beweise [10] für eine relationale Ontologie herzustellen vermag. Sorge für etwas zu empfinden, bedeutet sich damit auseinanderzusetzen, was das Umsorgte gefährdet oder was seine Begrenzungen zu transformieren vermag. Dabei erscheint es für mich wichtig Schrader zu folgen und Fürsorge nicht als die spezifische Art von Anwaltschaft zu missverstehen, die teleologisch und direkt auf Hilfemaßnahmen ausgerichtet ist. Schrader erklärt dazu:
„Beginning to care about something or someone implies an opposite move, namely the transformation of the limit that places someone outside our socially sanctioned scope of care. In institutionalized modes of caring, caring for somebody in need is surely possible without caring about somebody.“ [11]
Astrid Schrader
Sich um etwas zu sorgen, bedarf nicht unbedingt einer Notwendigkeit oder muss auch nicht direkt in Handlungen übersetzt werden. [12] Sorge kann sich manifestieren, wenn eine Affektion in Form einer Störung unserer Aufmerksamkeit [13] oder ein Erkennen eintritt, wie bereits oben anhand der Verbreitung des Ökologiebegriffs beschrieben wurde. Für Judith Butler ergibt sich ethische Normativität, also die Ausweitung unserer Sorge auf bestimmte andere, aus der Anerkennung unserer gegenseitigen Abhängigkeit zueinander und aus unserer physischen Verletzbarkeit. Leben, die nicht durch soziale Normen privilegiert als ermordbar, und daher betrauerbar, aber trotzdem oft als tötbar erkennbar sind, lassen sich zum Beispiel über die Verbindung zur menschlichen Verletzbarkeit in die sorgsame Gemeinschaft aufnehmen. [14]
Medien können unter Umständen Aufmerksamkeitsstörung hervorrufen und damit unsere Haltung zur Umwelt sowie unsere limitierte Wahrnehmung von Leben herausfordern. Mit Hilfe von Rothes Verknüpfung von Medien, Umwelt und Sorge versuche ich eine Brücke zu den Möglichkeitsbedingungen einer relationalenOntologie zu schlagen, die auf einer gegenseitigen Abhängigkeit und Verletzbarkeit beruht. In Bezug auf die Analyse von medial zirkulierten Sorgepraktiken, die unsere Umwelten erst erkennbar und sorgeempfänglich machen, schreibt Rothe:
„Mediale Gefüge sind an der Gestaltung von Existenzen – menschlichen und nicht menschlichen – gerade auch in Hinblick auf ein verantwortliches Handeln nicht nur beteiligt, sondern zentraler Ort der Aushandlung möglicher anderer Weisen der Existenz.“ [15]
Katja Rothe
Im folgenden Abschnitt soll erläutert werden, wie die mediale Repräsentation von Kompostwürmern an der Verfertigung von interspeziellen Existenzformen beteiligt sein können, wenn wir uns nur von ihnen stören lassen.
Heimsuchung der Kompostwürmer – Ekel, Störung und Betroffenheit
Eine Abfallvermeidungsstrategie in Chillingsworths Buch ist die Wurmkompostierung, die ich auch seit ein paar Monaten versuche zu betreiben. Folgendes Werbevideo gibt über seine Repräsentationsweisen Aufschluss darüber, welcher Status Kompostwürmern innerhalb der Gesellschaft oder genauer außerhalbder Gesellschaft zugeschrieben wird. Darüber hinaus möchte ich dafür argumentieren, dass die Praktik des Kompostwurmhaltens sich zwar an neoliberalen Leistungslogiken mit möglichen Müdigkeitserscheinungen orientiert, jedoch gleichzeitig Potenziale birgt, um anthropozentrische Existenzweisen herauszufordern, wenngleich diese gut versteckt in Kisten unter Biomüll begraben liegen.
Das Werbevideo von Wurmkiste.at [16] zeigt Kompostwürmer in feuchtem Humus (Abb. 1) während auf der Ton Ebene ein angeekeltes „Weihhh“ zu hören ist. Bei der fünften Detailaufnahme von kriechenden Würmern fährt die Kamera senkrecht nach oben und zentriert die Wurmkiste in der Mitte einer Küche, in der gerade eine als weiblich und eine als männlich zu lesende Person ein gemeinsames Essen zubereiten (Abb. 2). Sobald die Kiste und die Küche zu sehen sind, geht das anfängliche angewiderte „Weihhh“ in ein überraschtes und fragliches „Häh!?“ und schließlich in ein erfreuliches „Ahhh“ über. Eine Stimme aus dem Off betont die Möglichkeit der Wurmkompostierung im eigenen Zuhause sowie die Geruchsneutralität des Kisteninhalts, der im Outro von der weiblichen Person als ‚nach Wald riechend‘ beschrieben wird.
Die Überleitung bzw. Kompostierung von dem Ausruf „Weihhh“ zu „Ahhh“ unterminiert die konventionelle diskursive Markierung von Würmern als ekelhaft. Aus Perspektive der Cultural Studies sind Bedeutungen, wie Ekel, nicht einfach gegeben, sondern werden durch Zeichen generiert und zirkuliert, insbesondere durch sprachliche Zeichen, wie das „Weihhh“ im Video. Erst Sprache gibt den materiellen Objekten und sozialen Praktiken Bedeutung, indem sie benannt und dadurch sichtbar, fassbar und verständlich gemacht werden. Die Frage, welche Bedeutung den Würmern und der Praktik des Kompostierens zugeschrieben wird, ist eine Frage der Repräsentation, also eine Frage dessen, wie die Welt von und für uns durch Zeichen und Sprache sozial konstruiert und repräsentiert wird. [17] Über die Darstellungsweisen des Videos werden die Würmer in einer Weise repräsentiert, welche uns eine Wahrnehmung der Würmer als hilfreiche, abfallvermindernde, reinliche, geruchsfreie, potenzielle Mitbewohner*innen in der vertrauten häuslichen Umgebung suggeriert. Mit der Positionierung in der Mitte der Küche und somit des häuslichen Lebens (Abb. 2), erfolgt eine konzeptuelle Verschiebung der Heimat der Würmer von der Kompostanlage oder vom Misthaufen des außerhäuslichen Bereichs in den innerhäuslichen menschlichen Wohnbereich. Der unterirdische Lebensbereich der Würmer wird in den irdischen Lebensbereich der menschlichen Kriechtiere eingefasst. Zwei scheinbar getrennte inkompatible Umwelten werden zusammengebracht, die an jeweils unterschiedlichen Maßstäben von materieller Disposition ausgerichtet sind. Zwar ist die Welt der Würmer auf eine kleine Kiste beschränkt und dadurch abgegrenzt, jedoch eröffnet sich neben der potenziellen Demarkierung der Würmer als ekelhaft eine zusätzliche subversive posthumanistische Perspektive. Die Biomüll-speisenden Würmer werden räumlich in die Nähe der menschlichen Nahrungszubereitung, -aufnahme und Entsorgung gestellt. Dadurch drängt sich die Anerkennung der Würmer als „companion species“ auf. Mit der Bezeichnung Companion folge ich Donna Haraways Auffassung von nicht-menschlichen Tieren, die mit menschlichen Tieren bildlich gesprochen am Tisch sitzen und das Brot miteinander teilen/essen. Etymologisch ist der Begriff auf das lateinische cum paniszurückzuführen, also „mit Brot“, so Haraway. [18]
Die Kompost-Companions helfen uns mit dem Verzehr der menschlichen Speisreste nicht nur Abfall und dessen Wegtransport zu reduzieren, ihre Verdauung lagert Kohlenstoff aus den Resten, der bei der Müllverbrennung als klimaschädliches CO2freigesetzt werden würde, in Humus ein. [19] Die Hege- und Fütterungspraktiken werden unter bestimmten Richtlinien vollzogen. Beispielsweise sollten keine Zitrusfrüchte, kein Fleisch oder Getreide in die Wurmkiste gegeben werden. Es sollte nicht zu viel Futter auf einmal gegeben werden. Der pH-Wert muss regelmäßig mithilfe einer Mineralmischung neutralisiert werden. [20] In Anbetracht der Variablen und in Ausblick auf den Ertrag des wertvollen Humus, der als pflanzenwuchsfördernder Dünger eingesetzt werden kann, wird eine zu steigernde Nutzbarmachung suggeriert, die mit der Sorge um das Wohlergehen und Gedeihen der Kistenbewohner*innen verbunden sein kann. Als Wurmkistenpfleger fühle ich mich von der Verletzbarkeit der Würmer, die in meiner Verantwortung liegt, betroffen.
Die ontologische Herausforderung des Videos zeigt sich für mich in der nicht ganz reibungslosen Involvierung der Erdenbewohner*innen im häuslichen Bereich. Es erzeugt ein störendes Potenzial, indem es menschliche Kriechtiere in ihrer vermeintlichen Sorglosigkeit heimsucht und sie betroffen macht. Betroffenheit wird hierbei als etwas gedacht, das nicht unvermittelt gegeben ist, sondern erst durch „ästhetische und mediale Prozeduren“ vermittelt wird. Ich folge hierbei Andrea Seier, die Betroffenheit als etwas diskursiv Hervorgebrachtes und über Affekte Verbreitetes beschreibt. [21]
Die mediale Heimsuchung der Würmer will ich als eine Störung der Häuslichkeit und als Störung ihrer materiellen sowie ästhetischen Charakteristika, auf die reagiert werden soll, verstehen. Störungen, wie Ekel, betreffen uns auf der Ebene der Affekte. Betroffenheit vermag hier in Sorge um die Umwelt, um unseren Abfall, um den landwirtschaftlich genutzten Boden umzuschlagen. Zu erkennen, dass wir betroffen sind, kann bedeuten, dass wir uns als Menschen wahrnehmen, die in einem Ökosystem verortetund dort stets verletzbar sind. Die Verletzbarkeit betrifft uns dann, wenn wir menschliche Körper und deren Verwesung als Rückkehr zu den Würmern verstehen lernen, von denen wir nie wirklich getrennt waren. Als affektive Beziehung oder Aufmerksamkeitsmodus ermöglicht diese Betroffenheit eine Rekonszeptualisierung von Sorge- und Zeit-Verständnissen: Fürsorge offenbart sich dann als etwas, das keine Zeit verbraucht, sondern als etwas, das Zeit andersmacht, wie Schrader mit Derrida beschreibt. [22] Wir können also entscheiden, ob wir uns der Störung entziehen, wobei das nicht immer möglich ist, oder mit der Störung verweilen und sorgsam werden. Das Wissen um die Würmer und ihre notwendige Verwicklung in menschliche Nahrungserzeugung und die Praktik des Hegens, die dieses Wissensfeld aufruft, kann insofern als Sorgepraktik verstanden werden, als diese uns betroffen machen und Aufmerksamkeit zu schüren versuchen. Wäre mit Wurmkompostierung eine andere Auffassung von Fürsorge zu denken, die nicht länger an selbst konservierende Formen von Mitgefühl gebunden sind, sondern Erfahrungen von Verletzbarkeit zulassen? Kann Kompost zum Sinnbild für sorgsame Existenzweisen werden, in denen Verletzbarkeit nicht länger als Schwäche gesehen wird, die überkommen werden muss, sondern als etwas aufgefasst wird, das von allen Sterblichen geteilt wird? Denn wir alle werden zu Materie, die unter gewissen Umständen andere Lebenswerdung ermöglicht. [23]
Mit diesen Überlegungen möchte ich mich entschieden von einer einseitigen Sicht auf ökologische Praktiken absetzten, die in ihnen ‚nur‘ Figuren der Selbstsorge sieht, und sie als an spätkapitalistischen Marktlogiken orientierte, neue bürgerliche, hippe oder ‚New Age‘-mäßige Lifestyle-Praktiken sieht. Möglicherweise ist es wichtig, bestimmte soziale Phänomene auch in ihrer Ambivalenz auszuhalten, um in ihnen Mikropraktiken anzuerkennen, die Betroffenheit und Verletzbarkeit neu aushandeln und damit zu einem kritischen Denken beitragen können.Schließen möchte ich mit der umwälzenden Aussage von Donna Haraway, „Wir sind Kompost, nicht posthuman“ [24]. Indem wir Kompost als unruhige, lebendige und lebenspendende Infrastruktur [25] verstehen, die zugleich „Leben und Sterben mit nicht-menschlichen Krittern“ [26] beheimatet, verlernen wir exkludierende Welten zu reproduzieren, und wir verlernen das Übersehen von interspeziellen Beziehungen.
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Referenzen und Anmerkungen
[1] John McCloy, „Caring for the Environment“,Greencoast.org, 19.10.2019, https://greencoast.org/caring-for-the-environment, 29.01.22.
[2] Jen Chillingsworth, Live Green: 52 Steps for a More Sustainable Life. Introduction, London: Quadrille 2019.
[3] Vgl. John McCloy, „What are the 3R’s of Waste Management?“, Greencoast.org, 11.09.2018, https://greencoast.org/3rs-of-waste-management, 29.01.22.
[4] Vgl. Mark Kaufmann, „The carbon footprint sham. A ’successful, deceptive‘ PR campaign“, Mashable.com, https://mashable.com/feature/carbon-footprint-pr-campaign-sham, 29.01.22.
[5] Chillingsworth, Live Green: Introduction.
[6] Vgl. Byung-Chul Han, Müdigkeitsgesellschaft, Berlin: Mathes & Seitz 2010, S. 24.
[7] Chillingsworth, Live Green: Introduction.
[8] Vgl. Katja Rothe, „Medienökologie – Zu einer Ethik des Mediengebrauchs“, Zeitschrift für Medienwissenschaft8/14, 2016, S. 46–57. Hier: S. 48.
[9] Vgl. ebd. S. 50f.
[10] Vgl. Astrid Schrader, „Abyssal Intimacies and Temporalities of Care: How (Not) to Care about Deformed Leaf Bugs in the Aftermath of Chernobyl“, Social Studies of Science45/5, 2015, S. 665–690, hier: S. 667.
[11] Vgl. Ebd., S. 668.
[12] Vgl. ebd.
[13] Vgl. ebd. 685.
[14]Vgl. Judith Butler, Precarious Life: The Power of Mourning and Violence, London: Verso 2004. Zitiert von Schrader, „Abyssal Intimacies and Temporalities of Care“, S. 686.
[15] Rothe, „Medienökologie“, S. 51.
[16] „Weihhh… Würmer fressen deinen Biomüll – in deiner Wohnung – wurmkiste.at“, wurmkist.at, YouTube.com, 25.12.2019, https://www.youtube.com/watch?v=bLJKR0gx4vM, 29.01.2022.
[17] Vgl. Chris Barker/Emma A. Jane, Cultural Studies: Theory and Practice,Los Angeles/London/New Delhi/Singapore/Washington DC/Melbourne: SAGE 52016, S. 9f.
[18] Vgl. Donna J. Haraway, When Species Meet, Minneapolis/London: University of Minnesota Press 2008, S. 17.
[19] „Wie wir mit Humus den Klimawandel beeinflussen können | Terra X plus“, Terra X plus, YouTube.com, 18.08.21, https://www.youtube.com/watch?v=pYMar-697ts&t=216s, 31.01.22.
[20] Anonym, „Richtig kompostieren: Betriebsanleitung für die Wurmkiste“, Wurmkiste.at, https://wurmkiste.at/richtig-kompostieren, 31.01.22.
[21] Andrea Seier, „Schamoffensive“, Eribon revisited – Perspektiven der Gender und Queer Studies, Wiesbaden: Springer 2020, S. 65–84, hier: S. 67.
[22] Vgl. Schrader, „Abyssal Intimacies and Temporalities of Care“, S. 684f.
[23] Vgl. ebd. S. 669.
[24] Vgl. Donna J. Haraway, Unruhig Bleiben, Frankfurt/New York: Campus 2018, S. 134.
[25] Anm. d. Autors: Aus Platzgründen kann hier leider nicht mit Myra Hird auf die queeren Reibungen gegen Heteronormativität der Kompostwürmern und mit Naomie Gramlich auf die Produktivität von Welt vom Medium Humus eingegangen werden.
[26] Anm. d. Autors: Danke an dieser Stelle an Joshua Pesch und die Rheinische Sektion der Kompostistischen Internationale für die sorgsame Lektüreempfehlungen. Vgl. Rheinischen Sektion der Kompostistischen Internationale, „AG Workshop: Queerfeministische Kompostierungen der Digitalität“, GenderQueerMedien.org, 04.09.20, https://www.genderqueermedien.org/?p=456, 31.01.22.