Eine Reise nach Südosteuropa und in die Tiefen der Einsamkeit

Selina Sorg


In Callas, Darling entfaltet sich die Geschichte einer Begegnung, die mehr als nur eine zufällige Weggemeinschaft ist. Der Film von Julia Windischbauer, nimmt die Zuschauer*innen mit auf einen Roadtrip in den Südosten Europas, der sich weniger durch äußere Destinationen als vielmehr durch die inneren Landschaften seiner Figuren auszeichnet. Im Zentrum steht Karle, eine junge Frau, die mit einer diffusen Unruhe durch das Leben treibt, und Gerlinde, eine ältere Dame, die ihre eigene, schwergewichtige Vergangenheit mit bemerkenswerter Leichtigkeit trägt.

Es wäre ein leichtes gewesen, Karles psychische Probleme in den Vordergrund zu rücken und sie als Zentrum der Handlung zu inszenieren – doch genau das tut der Film nicht. Stattdessen bleibt ihre innere Zerrissenheit eine Ahnung, eine Hintergrundmelodie, die sich in kleinen Gesten und verstohlenen Blicken offenbart. Dieses subtile Erzählen verleiht dem Film eine Tiefe, die in ihrer Unaufgeregtheit besonders wirkungsvoll ist. Karle bleibt eine Suchende, deren Beweggründe nie ganz entschlüsselt werden, was sie als Figur umso authentischer macht.

Gerlinde hingegen trägt ihre Vergangenheit offen, aber ohne Bitterkeit. Der Verlust ihrer Frau hätte sie brechen können, doch stattdessen bewahrt sie sich eine Art heitere Gelassenheit. Ihr Ziel – eine Reise nach Albanien, in den Heimatort ihrer verstorbenen Partnerin – ist nicht nur eine geographische Bewegung, sondern auch ein stilles Ritual des Abschieds. Sie ist es, die die Reise antreibt, die den Moment genießt, ohne den Schmerz zu verleugnen. Es ist diese Haltung, die Karle fasziniert und zugleich herausfordert.

Im Laufe des Films entwickelt sich eine Mutter-Tochter-Dynamik zwischen den beiden Frauen, geschmückt mit zwar stark geschriebenen, jedoch trotzdem bemitleidenswerten, Männerfiguren. Doch anders als in klassischen Narrativen, in denen mütterliche Figuren Weisheiten verteilen und junge Protagonistinnen sich in ihrer Rebellion üben, entsteht hier eine Beziehung auf Augenhöhe. Gerlinde bietet Karle weder einfache Antworten noch fertige Lösungen, sondern vielmehr eine Art Orientierung, indem sie einfach da ist, unaufdringlich, aber beständig, wie eine Art Schutzengel. Doch gerade in dieser Verlässlichkeit entwickelt sich bei Karle eine Art emotionale Abhängigkeit. Gerlinde wird für sie zu einem Anker inmitten ihrer eigenen Unsicherheiten. Ihre Präsenz gibt Karle Halt, doch zugleich verstärkt sich die Angst vor dem Moment, in dem sie wieder allein sein könnte. Der Film berührt damit subtil die Frage, inwiefern Nähe auch zu einer neuen Form von Abhängigkeit werden kann – und ob sich Karle schließlich daraus befreien kann.

Callas, Darling, ist ein Film, der sich dem lauten Drama verweigert. Stattdessen erzählt er in leisen Tönen von Verlust, Begegnung und der Möglichkeit, sich trotz aller Brüche und Narben im anderen wiederzufinden. Der Titel des Films ist genauso in einem Schwall Nebel eingehüllt wie die Bedeutung des Films selbst, keine eindeutigen Erklärungen, doch ein Hauch Wehmut und Melancholie bleiben zurück. Es ist ein Roadmovie, der sich nicht auf spektakuläre Landschaften oder große Wendungen verlässt, sondern auf die zarten, fast unmerklichen Veränderungen, die eine Reise in uns selbst auslösen kann.