Interaktivität in Black Mirror: Bandersnatch. Auswirkung auf die immersive Erfahrung

Ein Essay von Ines Kaufmann

Die Popularität des 2018 auf Netflix erschienen interaktiven Films Black Mirror: Bandersnatch (USA 2018, SR: Charlie Brooker/Annabel Jones), welcher ein Teil der britischen Fernsehserie Black Mirror ist und unter Regie von David Slade entstanden ist, ist kaum zu leugnen. Der interaktive Psychothriller hat sich in die Gedächtnisse der Netflix-Zuschauer*innen eingebrannt und zu starkem Meinungsaustausch im Internet geführt.

Die dystopische Sci-Fi-Serie Black Mirror beschäftigt sich vor allem mit den Folgen des digitalen Fortschritts und warnt im Kern vor einer Übernahme durch künstliche Intelligenz. In den eigenständigen Episoden geht es um die Gefahren der Totalüberwachung, den Einsatz von Robotern oder Menschen, die in Videospielen gefangen sind – mit überraschenden und schockierenden Enden, die lange im Gedächtnis bleiben.

Inhaltlich befasst sich Black Mirror: Bandersnatch mit dem jungen Computerspiele- Entwickler Stefan Butler, der einem aufstrebenden Softwareunternehmen gerne seine Idee eines interaktiven Games verkaufen würde. Stefans Vision ist es, ein interaktives Computerspiel auf Basis eines Science-Fiction-Romans von Jerome F. Davies zu entwickeln. Im Computerspiel muss man ein grafisches Labyrinth von Korridoren durchqueren, wobei eine Kreatur – welche den Namen Pax trägt – einen daran hindern will, voran zu kommen. Ein Videospielunternehmen namens Tuckersoft ist für die Veröffentlichung und Produktion des Spieles verantwortlich – in diesem Videospielunternehmen ist der bekannte Spieleentwickler Colin Ritman angestellt.

Die Idee der Interaktivität hinter Black Mirror: Bandersnatch ist durchaus nicht neu: Beispielsweise entwickelte Oliver Hirschbiegel einen Fernsehfilm, welcher 1991 erstmals ins deutsche Fernsehen kam und mit zwei unterschiedlichen Handlungsverläufen parallel in ARD und ZDF lief.

Doch im Vergleich zu den ersten interaktiven filmischen Versuchen entsteht in Black Mirror: Bandersnatch ein erhöhtes Spannungslevel anhand der konsequenten und flüssigen Zeit der Entscheidungsmöglichkeit. Gerade der Stress, der dadurch aufkommt, sich innerhalb von zehn Sekunden für eine Fortsetzungsmöglichkeit der Handlung (vgl. etwa Abb. 01) zu entscheiden, steigert das Adrenalin. Als Zuschauer*in weiß man dabei nicht, welche Antwort sich hinter Tür A oder B aufhält und wird mit der eigenen Erwartungsfreudigkeit konfrontiert. Die Entscheidungen werden außerdem immer extremer. Beispielsweise muss man sich irgendwann entscheiden, ob man selbst (als Figur) oder jemand anderes sterben soll. Die Fragen werden moralisch immer herausfordernder, obwohl sie weiterhin in der zeitlichen Kürze von zehn Sekunden beantwortet werden müssen.

Abb. 01

Meines Erachtens nach ist einer der stärksten immersiven Momente in Black Mirror: Bandersnatch die Erfahrung des LSD-Trips (Abb. 02). Auch auf filmischer Ebene sind hier besondere filmische Spezialeffekte eingesetzt, welche das Gefühl des Eintauchens in eine psychedelische Welt stark vertiefen. Die farblich dystopische Welt, in der sich Stefan plötzlich befindet, wird in eine noch extremere Richtung geleitet, als man sich dafür entscheiden muss, ob Colin oder Stefan vom Balkon des Hochhauses springen soll. Colin verspricht Stefan, dass man wieder in einem anderen Element des Stranges auftauchen wird, da man gar nicht sterben könne. Schicht für Schicht baute sich in mir dabei ein fast ängstlicher Zustand auf, da ich auch das Einfühlungsvermögen in Stefans Probleme und Ängste verinnerlicht hatte, aber gleichzeitig Distanziertheit gegenüber dem Protagonisten empfand, da bei diesem Empathie und Moral in vielen Entscheidungen keine Rolle spielte.

Abb. 02

Ein weiteres Extrem der immersiven Erfahrung bildete der Moment, in dem Stefan seinen Vater zerstückelte. Ich musste den Laptop zuklappen, da mir der Protagonist nur mehr Angst einflößte. Ich wurde durch dieExtreme aus der Immersion gerissen.

Abschließend ist zu sagen, dass für mich im Anschluss an die Serie Black Mirror: Bandersnatch eine starke Reflexion gegenüber den behandelten Themen künstlicher Intelligenzund den Einfluss auf unser Dasein durch digitalen Fortschritt entstanden ist.